In Zunftkleidung auf dem Jakobsweg
Seit 2014 pilgert eine kleine Gruppe aus Dachdeckern, Dachdeckerinnen, Zimmerern und Spenglern einmal im Jahr in Zunftkleidung auf einem der Jakobswege in Spanien. Organisiert wird die Pilgerreise von Dachdeckermeister Jürgen Gerbens – im Artikel berichtet er von seinen Erfahrungen auf der Reise.
Bereits seit 2014 sind wir einmal pro Jahr für eine Woche und einen Tag auf einer der vielen Routen des Jakobswegs in Spanien unterwegs. Dabei finden bei jeder unserer Wanderungen interessante Begegnungen und wertvolle Gespräche mit Pilgern aus der ganzen Welt statt. Unser erster Pilgerweg im Jahr 2014 führte uns auf der Route des Camino Francés, dem „klassischen“ Jakobsweg von O Cebreiro in Galicien (Nordspanien) bis nach Santiago de Compostela. Seitdem waren wir auf verschiedenen Pilgerrouten in Spanien unterwegs, unter anderem dem Camino Portuges, der von Lissabon nach Santiago de Compostela führt, dem Camino Ingles und dem Camino Primitivo, immer mit der Pilgerstadt Santiago de Compostela in der Region Galicien (Nordwestspanien) als Ziel.
Traditionelle Zunftkleidung erzeugt Aufmerksamkeit
Von Anfang an entschieden wir uns dafür, gemeinsam in der traditionellen Zunftkleidung des Dachdecker- und Zimmererhandwerks zu wandern, um Aufmerksamkeit für unseren Berufsstand zu erzeugen und auch im Ausland unsere Handwerkstradition zu repräsentieren. Aus der anfänglichen Skepsis wegen unserer auffälligen Zunftkleidung wurde recht schnell eine Begeisterung, von der sich Pilger und Pilgerinnen aus aller Welt und die Bevölkerung am Rand des Weges anstecken ließen. Die Bilder von und mit den „Techadores“ (spanisches Wort für Dachdecker) gingen per WhatsApp, Instagram und Facebook um die Welt. Auch die Bevölkerung hatte großes Interesse an uns Dachdeckern und Zimmerern. Unter Pilgerinnen und Pilgern, ganz gleich ob man sich kennt oder nicht, ist bei der Begegnung auf dem Jakobsweg der Wunschgruß „Buen Camino“ (übersetzt: „Einen guten Weg“) bekannt und üblich. Bei uns war das meisten anders: Viele Pilgernde befragten uns als erstes nach unserer Zunftkleidung und unserer Herkunft. Damit begann meistens ein längeres Gespräch und vielfach auch ein gemeinsames Wegstück auf dem Jakobsweg. So hatten wir die Möglichkeit, unser Handwerk nicht nur zu repräsentieren, sondern auch unsere Tradition und unsere Werte im Gespräch zu vermitteln.
Die Gruppe wandert in traditioneller Zunftkleidung, um die handwerkliche Tradition auch im Ausland zu repräsentieren
Foto: Jürgen Gerbens
Mittlerweile besteht unsere Wandergemeinschaft aus Kolleginnen und Kollegen aus dem Dachdecker-, Zimmerer- und Klempner-/Spenglerhandwerk sowie Freunden aus der Bedachungsbranche (Industrie, Hersteller und Handel), bei denen die kleine Auszeit auf dem Jakobsweg inzwischen ein fester Bestandteil des Jahreskalenders geworden ist. Bei der gemeinsamen Wanderung wird Kraft getankt, achtsam auf und in sich geschaut, die handwerkliche Gemeinschaft gelebt und die Tage werden mit erlebnisreichen Wanderungen und Gesprächen gefüllt.
Körperliche Herausforderungen
Jedes Jahr kommen neue oder schon bekannte Teilnehmerinnen und Teilnehmer hinzu, um das Pilgern auf dem Jakobsweg in Zunftkleidung selbst zu erleben. Es ist wunderbar, so leicht und sorglos unterwegs zu sein, aber nicht immer einfach. Manche Wegetappen stellen die Pilgernden vor körperliche Herausforderungen.
Manche Wegetappen mit Steigungen stellen die Teilnehmer und Teilnehmerinnen vor körperliche Herausforderungen
Foto: Jürgen Gerbens
Die täglichen Wegstrecken sind 20 bis 25 km lang, diese Strecken sind in einem ruhigen Gehtempo innerhalb von 5 bis 8 Stunden zu bewältigen. Eine gewisse Grundkondition und auch ein Training vorab ist sowohl bei der Länge der Wegstrecken, als auch beim stetigen Auf und Ab im teilweise bergigen Gelände wichtig. Hinzu kommt ein Wetterspektrum, das von strahlendem Sonnenschein bis hin zu Dauerregen reicht. Aber auf dem Pilgerweg hat selbst ein Regentag seinen Reiz und ermöglicht es, unter der Kapuze seiner Regenjacke mit sich allein zu sein, um sich selbst neu zu finden oder zu überdenken.
„Der jährliche Jakobsweg in Zunftkleidung ist für mich eine Reise zu mehr Achtsamkeit“, sagt Jutta Engelhardt, selbstständige Dachdeckermeisterin und Betriebsinhaberin der Engelhardt Bedachungen GmbH aus Bad Salzuflen. Sie ist bereits mehrmals auf einem der Jakobswege gemeinsam mit anderen Handwerkerinnen und Handwerkern gewandert und sagt: „Dabei kann ich Schritt für Schritt herausfinden, was im Leben wirklich zählt und wie ich mit Herz und Klarheit weitergehen kann.“
Große Vorfreude auf das Ziel der Reise
Die Gruppe der Jakobspilger aus dem Dachdecker- und Zimmererhandwerk, die aus maximal 15 Personen besteht, legt viel Wert auf die Gemeinschaft und gute Gespräche. So ist das tägliche Abendessen eine gute Gelegenheit, um beides zu erleben. Mit den vielen Erinnerungen und Erlebnissen des Tages ist der Abend eigentlich zu kurz, um alles erzählen zu können. Vor Nächten in einer lauten, nicht immer gut riechenden Pilgerherberge muss sich dabei niemand fürchten. Die organisierte Pilgerreise gewährt schöne Privatpensionen und familiengeführte Hotels, die sorgsam ausgesucht und gebucht wurden. So kann jeder in seinem Zimmer den nötigen Rückzug und Schlaf finden.
Große Freude bei der Ankunft in Santiago de Compostela. Die Stadt ist der traditionelle Zielort vieler Pilgerinnen und Pilger auf dem Jakobsweg
Foto: Jürgen Gerbens
Nach fünf bis sieben Wandertagen wird das Ziel der Pilgerreise erreicht: die Stadt Santiago de Compostela. Die Vorfreude auf das Ziel der Reise ist bei den Pilgerinnen und Pilgern meist sehr groß. Strahlende und stolze Gesichter zeigen sich spätestens ab der Stadtgrenze des Zielortes Santiago de Compostela. Hand in Hand und den Stenz, das ist ein geschnitzter Wanderstock, der zur traditionellen Zunftkleidung gehört, zwischen uns, laufen wir bis zum Hauptplatz vor der Kathedrale. Dort werfen wir dann unsere Hüte in die Luft, als freudiges Zeichen der erfolgreich abgeschlossenen Pilgerwanderung. Alle Pilger und Pilgerinnen sagen untereinander ein herzliches „Dankeschön“ für die tolle gemeinsame Zeit und die wertvollen Gespräche. Gern wird ein Besuch der Kathedrale genutzt, um die Pilgermesse zu besuchen, eine Kerze anzustecken und einen Moment der Besinnung zu genießen.
Der schwarze Zimmererhut und der Wanderstock (Stenz) gehören für die Dachdecker und Zimmerer auf der Pilgerreise dazu – ebenso wie die Jakobsmuschel
Foto: Jürgen Gerbens
Jedes Ankommen birgt auch ein Ende in sich. Vorbei ist die Zeit der Ruhe und der sorglosen Tage, in denen die „echte Welt“ so weit fort zu sein scheint. Schnell hält der Alltag nach der Rückkehr Einzug. Doch ab und zu, in stillen Momenten, schweifen die Gedanken zurück zu der Sorglosigkeit und Unbekümmertheit der vergangenen Pilgertage, zu der tollen Gemeinschaft oder den vielen gemeinsamen Erlebnissen – und schließlich kommt Hoffnung auf, denn im nächsten Jahr findet ja wieder ein gemeinsamer Jakobsweg statt!
Jürgen Gerbens ist Dachdeckermeister und Sachverständiger für das Dachdeckerhandwerk, lebt und arbeitet in Soest und organisiert jährlich eine Pilgerwanderung für Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus dem Dachdecker-, Zimmerer- und Spenglerhandwerk.
Neue Erkenntnisse gewinnen und Gemeinschaft erleben
Seit 2014 wandert eine kleine Gruppe von Teilnehmerinnen und Teilnehmern aus dem Dachdecker-, Zimmerer- und Klempnerhandwerk einmal pro Jahr für eine Woche und einen Tag auf einem der Jakobswege in Spanien. Dabei begeben sie sich auf einen gemeinsamen Weg, der von „inspirierenden Erkenntnissen, bewegenden Momenten und einem ehrlichen Gemeinschaftsgefühl gesäumt ist“, so Dachdeckermeister Jürgen Gerbens, der Organisator der jährlichen Pilgerwanderungen. Die Gruppe wandert in traditioneller Zunftkleidung (was für die Teilnehmenden jedoch nicht verpflichtend ist), dadurch soll Aufmerksamkeit für den Berufsstand und das Handwerk erzeugt werden. Bei den gemeinschaftlichen Wanderungen auf dem Jakobsweg gehe es darum, Kontakte zu Pilgernden und Menschen aus aller Welt zu suchen, ein Netzwerk aufzubauen und zu pflegen sowie neue Erfahrungen und Eindrücke zu sammeln, erklärt Jürgen Gerbens. Dieses Jahr findet die Wanderung von Ende September bis Anfang Oktober auf dem „Camino del Norte“ statt, der eine Gesamtlänge von rund 850 km umfasst und in Etappen über mehrere Jahre erwandert wird. Der Start der ersten Etappe war 2024 in Hondarribia in Nordspanien. Die zweite Etappe der Route von Bilbao bis nach San Vincente de la Barquera (etwa 180 km) soll dieses Jahr vom 26.9.2025 bis 5.10.2025 zurückgelegt werden.
Wer sich für die Teilnahme an der Pilgerwanderung interessiert, erhält weitere Informationen bei Jürgen Gerbens, entweder telefonisch unter 0177/8474444 oder per Mail an folgende Adresse: