Volkshaus Meiningen saniert und neu eingedeckt

Das thüringische Meiningen blickte viele Jahre mit Stolz auf sein Volkshaus. Doch nach der Wende verfiel das Gebäude, bis eine Generalsanierung es zu neuem Leben erweckte. Auf der Notabdichtung des Daches montierten Dachdecker eine Konter- und Traglattung und verlegten darauf zahlreiche Biberschwanzziegel. 

Gerade noch rechtzeitig war das Volkshaus im thüringischen Meiningen 1997 einem Abrissantrag der Stadtverwaltung entkommen und von Denkmalschützern gerettet worden. Doch dann passierte erst einmal nichts an dem denkmalgeschützten Gebäude. 18 Jahre dauerten die Vorarbeiten, bis endlich wieder Leben Einzug hielt in das Volkshaus. Wasser drang in dieser Zeit in das Gebäude ein, Vandalen lebten ihre Zerstörungswut aus, es fehlte an Geld und Ideen, wie und mit welchem Nutzen der riesige Bau mit seinem großen Mehrzwecksaal saniert werden sollte. Ein För­derverein nahm sich des Hauses an und versuchte unermüdlich, die Rettung der historischen Mauern einzuleiten.

Das Haus hatte mit seinem Alter von über einhundert Jahren schon viele turbulente und auch dramatische Zeiten erlebt. Einst als großer Schützensaal geplant und 1913 feierlich eröffnet, wurde es wenig später zum Kriegs-Lazarett. In den 1920er und 1930er Jahren blühte hier das kulturelle Leben der Stadt, bevor der zweite Weltkrieg wieder ein Lazarett und Flüchtlingslager aus dem damaligen „Schützenhaussaal“ machte. Erst 1947 erhielt das Gebäude seinen heutigen Namen und bot bis 1990 vielen bekannten Bands und Künstlern eine Bühne. Doch mit der Wiedervereinigung begann der Niedergang. Er gipfelte in einem Abrissantrag im Jahr 1997, den das Landesamt für Denkmalpflege sowie die untere Denkmalschutzbehörde jedoch ablehnten. Seitdem gilt das Bauwerk als Einzeldenkmal. Es stellte sich aber die Frage, was aus dem Haus werden sollte. Nach vielen Initiativen, Investorensuche und Flickschusterei zur Notsicherung zeichnete sich 2016 eine Lösung ab.

Desaströser Zustand

Der Zustand der Immobilie war zu Beginn der Sanierungsarbeiten beklagenswert. Der Meininger Architekt Karsten Merkel jedoch wusste genau, wie das Objekt zu sanieren war, da sein Büro bereits seit 16 Jahren an Sanierungsvorschlägen für das Volkshaus arbeitete und schon lange mit einem Fachplaner-Team in Kontakt stand. Allein das statische Gutachten des Objekts umfasste 500 Seiten. „Wir kannten jeden Stein und wussten genau um den Zustand des Hauses“, sagt Diplom-Bauingenieurin Maike Nonn, „die Sanierung umfasste den Abbruch von nicht mehr zu rettenden Teilen, die Ertüchtigung des Tragwerks, eine komplett neue Elektroinstallation, Zimmererarbeiten zur Ertüchtigung und Verstärkung des Dachtragwerks und natürlich die Eindeckung der riesigen Dachflächen. Hinzu kam die Sanierung der Innenräume, die möglichst originalgetreu restauriert werden sollten, gleichzeitig aber auch an heutige Nutzungsinteressen angepasst werden mussten.“ Nach 28 Jahren Leerstand gingen die Planer die vorsichtige Transformation im Inneren und in der Raumstruktur an. In enger Abstimmung mit den Denkmalschützern suchten sie nach einer Lösung, um das Volks-haus fit für Veranstaltungen des 21. Jahrhunderts zu machen. 19 Monate lang arbeiteten die Handwerker am und im Gebäude, bis das Volkshaus im Oktober 2018 festlich wiedereröffnet wurde.

Nachbar aus dem Jahr 1831

Das Gebäude gehört zu einem größeren klassizistischen Gebäudeensemble. Der älteste Teil ist das neben dem Volkshaus liegende Schützenhaus der „Meininger Schützengesellschaft“ und diente ihr als Vereinsheim. Dieser Bau stammt aus dem Jahr 1831 und wartet noch immer auf eine Sanierung und neue Nutzung. Das nun restaurierte große Festsaalgebäude war ursprünglich erbaut worden, da das Schützenhaus für die großen gesellschaftlichen Ereignisse in der wachsenden Residenzstadt zu klein geworden war.

Bituminöses Notdach

Schon über die Jahre des Leerstands waren zumindest die notwendigsten Sicherungsarbeiten ausgeführt worden, um die Substanz vor dem Komplettverfall zu retten. Um den Vandalismus einzudämmen, wurden entsprechende Absicherungen gebaut. Erstaunlicherweise kam das kulturelle Leben im Haus selbst in dieser Phase nie ganz zum Erliegen. Gelegentlich fanden im großen Saal, der zu diesem Zeitpunkt fast im Rohbauzustand war, Theateraufführungen statt. Auch um das Dach, die dringendste Baustelle des Hauses, kümmerte man sich 2009. Damals wurde eine bituminöse Abdichtung verlegt, die Feuchtigkeit daran hinderte, unkontrolliert ins Gebäude einzudringen. Diese Notsicherung rettete auch weite Teile des Dachtragwerks, sodass bei der Sanierung auf diesem Bestand aufgebaut werden konnte.

Umfangreiche Holzbauarbeiten

Die Bitumenbahnen verblieben am Dach, da sie noch intakt waren. Lediglich an einigen Stellen mussten zusätzliche Bahnen aufgebracht werden. In einigen Bereichen wurden neue Unterspannbahnen verlegt. Für die Zimmereiarbeiten wurde das Dach an mehreren Stellen geöffnet, um den Abbruch entfernen zu können und neues Material in das Dachgeschoss einzubringen. Diese Öffnungen wurden später sorgfältig wieder verschlossen. Die Tragkonstruktion des Dachs wurde an vielen Stellen ertüchtigt: Einzelne Sparren wurden verstärkt und erhielten aufgrund ihrer großen Spannweiten zusätzliche Auflager. Außerdem wurden die Hölzer der Dachschalung in Teilen erneuert. Außerdem wurde die vorhandene Rabitzdecke, eine abgehängte Decke aus Drahtputz und einer Untersicht mit Stuckelementen im Saal, von oben und seitlich gedämmt. Hierfür wurde eine zusätzliche Balkenlage im Dachraum eingebaut, gedämmt und mit OSB-Platten zur Begehbarkeit bei Revisionen versehen.

Die richtige Eindeckung finden

Aus Denkmalschutzsicht das Originaldach wiederherzustellen, erwies sich als schwierige Bauaufgabe. Während der Gebäudenutzungsdauer änderte sich das Erscheinungsbild mehrfach. Nach dem Originalentwurf von Karl Behlert war das Dach mit Tondachziegeln eingedeckt. Später zierte Naturschiefer die großen Dachflächen. Für alle Beteiligten galt es nun, eine Eindeckung zu finden, die sowohl finanzierbar als auch mit dem Denkmalschutz vereinbar war. Gleichzeitig schrieb die Baugestaltungssatzung der Stadt Meiningen eine Tonziegeldacheindeckung vor. Die Entscheidung fiel auf eine Neudeckung mit Biberschwanzziegeln von Creaton („Biber Klassik Rundschnitt Nuance“, rot engobiert). Die Ziegel wurden in Doppeldeckung verlegt. Rund 60 000 Biberschwanzziegel verlegten die Dachdecker auf den über 1500 m² Dachfläche. Die Verlegung nahm viel Zeit in Anspruch: Von November 2017 bis Mai 2018 waren die Dachdecker mit durchschnittlich fünf Mann vor Ort, unterbrochen lediglich durch einige Frostperioden.

Schönes Detail: Nockenkehle

Besonderes Augenmerk legte die Dachdeckerei Horn Bedachungen GmbH & Co. KG aus Untermaßfeld auf die Ausgestaltung der Kehlen. „Wir haben vorgeschlagen, die Kehlen als Nockenkehlen auszubilden, um eine homogene Dachfläche zu erzeugen“, berichtet Bauleiter Manuel Say, „der Aufwand war zwar etwas höher, weil jeder Biber passend geschnitten werden musste, aber das Ergebnis erfreut das Dachdeckerherz.“ Auch die kegelförmigen Dachflächen der Türme machten es den Dachdeckern nicht leicht, da jeder Ziegel einzeln konisch geschnitten und angepasst werden musste. Eine weitere Besonderheit findet sich in Traufnähe. Der Doppelrohr-Schneefang wurde auf einem farbig beschichteten Aluminium-Grundelement mit Schneefangstütze montiert. Diese Schneefangkonstruktion ist eine herstellereigene Lösung von Creaton. „Da die Sparrenlänge bis zu 13,50 m beträgt, hätte sich bei Verwendung eines einfachen Schneefanggitters durch die Schneelastberechnung rechnerisch ein dreireihiges System ergeben“, erklärt Dachdecker Manuel Say, „das System war aber ursprünglich als einfaches verzinktes Gitter ausgeschrieben. Wir haben dann mit dem Hersteller Kontakt aufgenommen. Die Berechnungen ergaben, dass eine einreihige Schneefangstütze aus dem Originalsortiment ausreichend ist.“ Die Biegungen der Schneefangrohre für den Schneefang an den Türmen hat die Firma Horn in Abstimmung mit dem Architekturbüro von Dipl.-Ing. Karsten Merkel vor Ort festgelegt und durch die Schlosserei Manfred Rauch herstellen lassen. Auch die Dachrinnen an den Türmen und an der Wandelhalle (Eingangsbereich) wurden auf Vorschlag des Dachdeckerbetriebs Horn in gebogener Ausführung hergestellt und montiert.

Dachreiter erhält neue Holzschalung

Auch der Dachreiter (= der Turm auf dem Dach) erfuhr eine Rundumerneuerung und erhielt eine neue Holzschalung. Darauf wurden Schiefersteine in Spitzwinkel-Deckung montiert. Die aufwendige Detailarbeit machte sich bezahlt: Das Dach des Volkshauses überzeugt heute schon von Weitem mit einem harmonischen Gesamtbild. Die große Sparrenlänge brachte eine weitere Besonderheit mit sich: Das belüftete Unterdach der Kaltdachkonstruktion wurde mit einer sechs Zentimeter hohen Konterlattung versehen, da der Querschnitt der Belüftungsschicht sonst zu gering gewesen wäre, um eventuelle Feuchtigkeit abzuführen. Da ohnehin eine neue Lattung aufgebracht wurde, stellte das die Dachdecker jedoch nicht vor unlösbare Probleme.

Aufmaß mit Drohne erstellt

Auf die Dachdecker wartete am Ende der Arbeiten eine weitere Mammutaufgabe. Wie sollte ein Aufmaß für die Abrechnung erstellt werden? Da machte es sich bezahlt, dass Florian Otzen, Inhaber von Horn Bedachungen, jeden Bauleiter schon vor längerer Zeit mit einer Drohne ausgestattet hat. „Die Baustellenkoordination und Angebotserstellung werden dadurch viel einfacher. Man kann schnell Sachverhalte klären und Bilder an Nachunternehmer oder Hersteller senden. In unserem Unternehmen haben alle Teams Tablets und Smartphones. Das macht die Kommunikation bedeutend einfacher. Wenn nötig, können wir schnell Pläne auf die Baustellen senden oder umgekehrt Bilder erhalten“, berichtet Manuel Say.

Die Dachdecker nutzten Luftaufnahmen für die Sanierung und speisten diese und einige Kontrollmaße ins CAD-Programm des Architekten ein. Daraus erstellten sie eine exakte Flächenberechnung. Manuel Say stellt einen treffenden Vergleich an: „Die Massenermittlung des Daches war wirklich eine Herausforderung, denn die Hauptdachfläche baucht nicht nur an den Traufen, sondern ist in sich auch nach oben gewölbt. Das liegt unter anderem an der Form des Baus, der im Grundriss wie ein Ei aufgebaut ist.“ 

Autor

Manuel Erhard ist Anwendungstechniker der Creaton GmbH in Wertingen.

Bautafel (Auswahl)

 

Objekt Sanierung des Volkshauses in Meiningen, Neudeckung des Daches mit Biberschwanzziegeln

Planer/Architekt Freier Architekt, Dipl-Ing. (Univ.) Karsten Merkel, 98617 Meiningen, www.architekt-merkel.de 

Zimmerer Zimmerei Danz, 98639 Walldorf, www.zimmerei-danz.de

Dachdecker Dachdeckerei Horn Bedachungen GmbH & Co. KG, 98617 Untermaßfeld, www.horndach.com


Herstellerindex (Auswahl)

 

Produkt 60 000 Stück „Biber Klassik Rundschnitt – Nuance rot engobiert“, Creaton GmbH, 86637 Wertingen, www.creaton.de

Professionelle Drohnen-Anbieter

 

Drohnen sind für Dachdecker und Zimmerer sinnvolle Werkzeuge, um Dächer zu inspizieren oder ein Aufmaß zu erstellen. Wer nicht gleich selbst eine Drohne anschaffen möchte, kann professionelle Anbieter von Drohnenaufnahmen mit einem Dachaufmaß beauftragen. Die Buchungsschwelle ist niedrig: Bei vielen Anbietern muss man nur das Objekt online angeben und schon kümmern sich die Dienstleister um alles Weitere inklusive der möglicherweise nötigen Fluggenehmigungen. Der Auftraggeber (Dachdecker-/Zimmereibetrieb) erhält nach dem Drohnenflug und der Auswertung alle Aufmaß-Daten und Luftaufnahmen.

Die Vergabe der Aufträge an Drohnen-Profis birgt einige Vorteile. Ihre technische Ausstattung ist meist auf dem neuesten Stand und sie können die Möglichkeiten der Technik optimal ausnutzen. Außerdem haben die Drohnen-Profis die nötigen Schulungen und Nachweise, um ihre Fluggeräte zu steuern.

Thermografieaufnahmen, Sichtprüfungen und Referenzfotografie

Wer selten auf Luftaufnahmen angewiesen ist, fliegt mit einem Profianbieter sicherlich günstiger und besser als mit der eigenen Drohne. Außerdem entwickelt sich die Technik rasant weiter. „Aktuell sind Thermografie-Aufnahmen hoch im Kurs, aber auch Sichtprüfungen und Referenzfotografie rücken in den Fokus“, sagt Ann-Katrin Rieser, Leiterin Marketing und Unternehmenskommunikation beim Tondachziegelhersteller Creaton. Dazu kommt: Drohnenaufnahmen lassen sich nicht nur gut für den Social-Media-Auftritt nutzen, sondern sind auch ein nettes Extra für Architekten und Bauherren, die immer mal wieder mit einer Fotodokumentation ihres Gebäudes versorgt werden können. Und das schlägt sich in der Kundenzufriedenheit nieder.

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