Lehmbaukurse am Kastanienhof in Neu Kosenow

Historische Bausubstanz enthält oft den Baustoff Lehm, weshalb Grundkompetenzen im Lehmbau für eine denkmalgerechte und nachhaltige Sanierung wichtig sind. Diese werden in den Lehmbaukursen von Beatrice Ortlepp in Neu Kosenow vermittelt. Eine Kursteilnehmerin berichtet von ihren Erfahrungen.

Auf dem Kastanienhof finden die Lehmbaukurse von Beatrice Ortlepp statt Die Lehmbaukurse auf dem Kastanienhof in Neu Kosenow bieten die Möglichkeit, sich mit Lehm in all seinen Verwendungsformen vertraut zu machen
Foto: Beatrice Ortlepp

Die Lehmbaukurse auf dem Kastanienhof in Neu Kosenow bieten die Möglichkeit, sich mit Lehm in all seinen Verwendungsformen vertraut zu machen
Foto: Beatrice Ortlepp
Nach gemütlicher Bahnfahrt bis Anklam fahre ich mit dem Bus bis nach Kagendorf – der Alltagsstress ist schon fast abgelegt, es ist idyllisch und sehr ruhig hier. Kühe stehen auf der Weide. Das Ziel für das verlängerte Wochenende ist der Kastanienhof, ein Dreiseithof in Neu Kosenow im Landkreis Vorpommern-Greifswald, auf dem es Lehmbaukurse für Anfänger und Fortgeschrittene gibt. Seit über 10 Jahren bietet die Organisatorin und Handwerkerin Beatrice Ortlepp an diesem Ort Lehmbaukurse an. Nach und nach treffen die Teilnehmer und Teilnehmerinnen des Kurses ein – aus allen Himmelsrichtungen, sogar aus anderen Ländern, sowohl mit als auch ohne Vorerfahrungen.

Lehmbauprojekte innerhalb des Hauses Innerhalb des Hauses gibt es verschiedene Möglichkeiten für die Kursteilnehmenden, den Baustoff Lehm auszuprobieren
Foto: Beatrice Ortlepp

Innerhalb des Hauses gibt es verschiedene Möglichkeiten für die Kursteilnehmenden, den Baustoff Lehm auszuprobieren
Foto: Beatrice Ortlepp
Das Haupthaus auf dem Kastanienhof, ein ehemaliges Bauernhaus aus dem 16. Jahrhundert, macht schon Lust auf die Auseinandersetzung mit dem Baustoff Lehm. Die gelernte Maurerin, Pädagogin und Lehmhandwerkerin Beatrice Ortlepp hat auf etwa 100 m² Fläche die verschiedensten Lehmtechniken angewandt – man sieht lehmverputzte Strohballen, mit Lehmstroh umwundene Holzstaken, restauriertes Lehm-Mauerwerk, Unterputze, Feinputze und viele Ornamente und Gestaltungstechniken, ausgeführt mit dem Baustoff Lehm. Im Erdgeschoss zieht eine organisch wirkende Wand die Blicke auf sich: Mit Lehm gefüllte Stoffschläuche, unter anderem alte Hosenbeine und Strümpfe, wurden geschwungen zu einer Wand aufgeschichtet. Im Flur hat der Lehmputz eine besonders feine Struktur, dafür wurden alte Baumwolltücher komplett in eine dünne Lehmmischung getaucht und als Lehmtapeten aufgezogen.

Umfangreiches Wissen aus Theorie und Praxis

Der Lehm wird vor der Verarbeitung angerührt Bevor der Lehm verarbeitet werden kann, muss er angerührt werden und anschließend „mauken“
Foto: Beatrice Ortlepp

Bevor der Lehm verarbeitet werden kann, muss er angerührt werden und anschließend „mauken“
Foto: Beatrice Ortlepp
Der Workshop beginnt mit Materialkunde und ersten Versuchen mit dem Baustoff: Der Lehm muss zunächst mit Wasser angerührt werden und soll über Nacht stehenbleiben. Das nennt man „mauken“ oder „wuken“, der Lehm öffnet sich dabei. Danach ist er noch geschmeidiger und besser zu verarbeiten. Der Lehm für das Seminar stammt aus einer Baugrube oder vom Kieswerk und steht in Bigbags und Säcken bereit – die Auswahl ist groß. Einige Säcke Lehmfeinputz bekannter Hersteller stehen ebenfalls zum Ausprobieren bereit.

Mit ein wenig Erfahrung können wir die Qualität des Lehms feststellen. Ein Teilnehmer hat Lehm von seiner Baustelle dabei, der gleich mitgetestet wird. Wir lernen: Für den Lehmbau geeigneter Lehm ist wurzelfrei, geruchsfrei und wird entsprechend seiner Eigenschaften und der geplanten Anwendung mit Sand und anderen Zuschlagstoffen vermengt.

Anschließend geht es an die Verarbeitung. Die zahlreichen Lehmbaustellen im Haus und in der Scheune erlauben das Ausprobieren verschiedener Verwendungsmöglichkeiten. Eine unebene Lehm-Stroh-Wand, erstellt von vorherigen Kursteilnehmerinnen und -teilnehmern, dürfen wir ausgleichen. Wir tragen den Lehm mit reichlich Stroh vermischt auf, später wird die Wand abgezogen und gleichmäßig verputzt. Obwohl Beatrice Ortlepp meint, dass Lehm nicht nur ein Kinderbaustoff sei, wird ein bisschen Kind in jedem von uns wach.

Lehm ist als Baustoff vielseitig einsetzbar

Der Lehm wird mit Stroh gemischt Verschiedene Zuschlagstoffe verleihen dem Lehm unterschiedliche Eigenschaften
Foto: Beatrice Ortlepp

Verschiedene Zuschlagstoffe verleihen dem Lehm unterschiedliche Eigenschaften
Foto: Beatrice Ortlepp
Zur Pause spülen alle ihre lehmigen Hände ab. Der Baustoff schadet der Haut nicht und geht auch gut aus den Haaren und der Kleidung heraus. Die Vorteile des Lehms werden uns hautnah bewusst: Lehm ist atmungsaktiv, nimmt Feuchtigkeit aus der Luft auf und gibt sie wieder ab und sorgt auch durch seine Wärmespeicherungsfähigkeit für ein gutes Raumklima. Mit ihm kann man gut reparieren und er lässt sich komplett recyceln, außerdem konserviert und schützt er Holzbauteile, bindet Schadstoffe aus der Luft und bietet Schallschutz. Je nach Zuschlagstoff kann Lehm auch einiges aushalten. So wird an einer Außenwand des Hofs zum Schluss des Kurses ein Stück mit einer Lehm-Kuhdung-Mischung verputzt, die wasserbeständig und so stabil wie Kalkputz ist. Feuchte Umgebungen stellen ebenfalls kein Problem dar – über der Badewanne beispielsweise wird der Lehm durch Leinölfirnis (verdünnt aufgetragen) wasserfest, was ihm außerdem einen dunkleren Farbton gibt. Lehm ist bunt, stellen wir fest, als wir in mehreren Eimern Lehmfarbe anrühren: Der Lehm lässt sich mit Eisenoxid-Pigment rot einfärben. Die angenehmen Farbtöne finden Anklang. Der Workshop ist ein Selbstversorgerseminar. Selbst in den Pausen können wir es nicht lassen, über Lehm und alte und neue Handwerkertricks zu plaudern: Ein Architekt erzählt von einigen historischen Sanierungsprojekten, ein Handwerker vom Umgang mit feuchten Lehmwänden, ein „Häuslebauer“ von seinen aktuellen Plänen mit dem neu entdeckten Baustoff Lehm. Ein Architekt und ein Planer wollen ihre Entwürfe künftig mit dem neugewonnen Wissen über den Lehmbau planen.

Dank des wunderbaren Spätsommerwetters klingen die Tage gemütlich im Garten aus, am Lagerfeuer, beim Grillen, mit Tee aus eigenem Anbau. Manche leihen sich eines der Gästefahrräder und fahren zum nahen See, manche an den Bodden oder hoch in die Kaiserbäder. Am Ende nehmen alle viele neue Eindrücke und Anregungen mit. Der Baustoff Lehm macht Lust auf mehr und die kompetente und freundliche Anleitung von Beatrice Ortlepp ebenfalls. Lehm braucht etwas mehr Ruhe und Geduld als manch anderer Baustoff – davon nehmen alle nach diesen drei Tagen auf dem Kastanienhof etwas mit nach Hause.

Autorin

Barbara Meurer (Name geändert) ist private Bauherrin und hat am Lehmbaukurs von Beatrice Ortlepp teilgenommen, um die an ihrem Haus verwendeten Techniken besser zu verstehen und die Grundlagen der Gestaltung mit Lehmputz zu erlernen.

Der Kastanienhof präsentiert sich von seiner schönsten Seite Der Kastanienhof bietet eine idyllische Kulisse für die Lehmbaukurse von Beatrice Ortlepp
Foto: Beatrice Ortlepp

Der Kastanienhof bietet eine idyllische Kulisse für die Lehmbaukurse von Beatrice Ortlepp
Foto: Beatrice Ortlepp

Dreitägige Lehmbaukurse auf dem Kastanienhof in Neu Kosenow

Auf dem Kastanienhof in Neu Kosenow, in der Nähe von Anklam, werden von der Maurerin, Pädagogin und Lehmhandwerkerin Beatrice Ortlepp dreitägige Lehmbaukurse angeboten. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer können dabei in einem über 500 Jahre alten Bauernhaus wohnen und arbeiten. In den Kursen geht es um die Restaurierung, Bauökologie, Denkmalpflege und Fachwerksanierung. Es werden eine Vielzahl von Kompetenzen im Bezug auf den Lehmbau vermittelt: Lehmmischungen herstellen, mit Zuschlagstoffen wie Stroh, Sand, Leinöl, Hanf, Dung etc. experimentieren, Lehm­steine herstellen und mauern, Unter-, Grob- und Feinputze herstellen und auftragen, Lehmfarben anmischen und verwenden, Gefache ausfüllen, Ornamente gestalten und das Verhalten von Lehm zu anderen Bindern (Kalk, Zement, Gips) erkunden. Am Anfang des Kurses werden nach Teilnehmerwünschen Schwerpunkte gesetzt, die dann in Theorie und Praxis vertieft werden. Die Teilnehmerzahl ist auf maximal 10 Personen pro Kurs begrenzt.

Die nächsten Termine:

17.05. – 19.05., 07.06. – 09.06.,

12.07. – 14.07., 16.08. – 18.08.,

13.09. – 15.09.2024

Kursgebühr (inkl. Kost und Logis): 499,00 €

Ansprechpartnerin: Beatrice Ortlepp

E-Mail: 

Weitere Infos unter: www.lehmbaukurse.de

bzw. www.der-kastanienhof.de

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