Vom Trümmerdach zum Prachtdach: Aufstockung in Berlin

Dachaufstockung eines Gründerzeithauses in Holz-Stahl-Bauweise in Berlin-Wilmersdorf

Dass es einen steigenden Wohnraumbedarf in deutschen Großstädten gibt, ist bekannt. Bei knappem Bauland bietet die Aufstockung bestehender Gebäude Chancen, zusätzliche Wohnflächen zu schaffen. Ein gelungenes Beispiel ist die Aufstockung eines Gründerzeithauses in Berlin-Wilmersdorf.

Ursprünglich war das Mehrfamilienhaus in Berlin-Wilmersdorf ein ansehnliches Gebäude aus der Gründerzeit. Im zweiten Weltkrieg wurde das prachtvolle Dach des Hauses aber zerstört. Auf dem Flachdach entstand durch eine Aufstockung ein neues Vollgeschoss.

Die Aufstockung ist ein gemeinsames Projekt von Architekt Peter Kaufmann und Thomas Marsch, Geschäftsführer der Freyer Bauunternehmen GmbH. Das Team hat in den vergangenen Jahren schon drei Gründerzeit-Häuser am Kurfürstendamm aufgestockt. Damit haben sich Kaufmann und Marsch im Großraum Berlin/Brandenburg eine bei Bauherren gefragte Expertise erarbeitet.

Ein Trümmerdach als Basis

Vier neue Dachgeschosswohnungen sind in dem Gründerzeithaus mithilfe einer Stahlskelett- und Holzkonstruktion entstanden. Die Holz-Stahlkonstruktion ist mit Schrauben und Winkeln verbunden. „Vor der Sanierung gab es nicht mehr viel an dem Haus, was an die Epoche seiner Entstehung um 1900 erinnerte“, sagt Architekt Peter Kaufmann, „die für diese Zeit so typischen Ecktürme und Ziergiebel waren nicht mehr vorhanden.“ Stattdessen fand sich nur ein Flachdach über dem vierten Obergeschoss.

Neue Tragkonstruktion

„Wir haben uns daher entschieden, eine komplett neue Tragkonstruktion für ein Dach zu errichten, das dem Ursprungszustand sehr nah kommen dürfte“, sagt Kaufmann, „das erlaubte uns unter anderem Raumhöhen in den neuen Wohnungen von bis zu 3,70 m.“ Im neuen Eckturm des Hauses erreichte man durch die Aufstockung sogar eine Raumhöhe von bis zu 6 m. Die Holz-Stahlkonstruktion für die Aufstockung errichteten die Freyer Bauunternehmen GmbH und die Klenk Holz AG zu gleichen Teilen. Letztere übernahm den Abbund der Holzkonstruktion. Die bestehenden Giebelwände, die nicht gedämmt waren, bekleideten die Handwerker mit schall- und wärmedämmenden Vorsatzschalen.

Stahl-Holz-Trägerrost

Die Decke zwischen Bestandsdach und neuem Geschoss musste die Feuerwiderstandsklasse F90 erfüllen. Die Basis für die Aufstockung bilden Stahlbetonträger, die die Handwerker vor Ort auf dem Dach betonierten. Darauf wurde ein Trägerrost aus Stahlträgern mit einer eingeschobenen Holzkonstruktion montiert. Als nächste Schicht wurden dann von den  Handwerkern S-förmig gewalzte Stahlbleche, so genannte „Lewis-Platten“ verlegt. Sie dienen der Aufnahme des Nassestrichs und erfüllen zusammen mit diesem die geforderte Feuerwiderstandsdauer von 90 Minuten. Zwischen dem aufgestockten Geschoss und der Bestandsdecke befindet sich keine Dämmung, sondern ein geschlossener Luftraum.

Freitragende Turmkonstruktion

Von besonderer Bedeutung war die statische Wirkung der Vertikalkräfte in dem bis zu 6 m hohen Eckturm. Die Turmkonstruktion wurde freitragend über die Dachfläche gestellt. Den Turm fertigten die Holzbauer in Teilen vor und setzten ihn auf dem Dach zusammen.

Um die Teile des Turms und weitere Holzelemente auf das Dach zu heben, war der Einsatz eines Fahrzeugkrans nötig. Dafür musste die Straße vor dem Haus zeitweise gesperrt werden.

Mit Schiefer eingedeckt

Bei der Holzkonstruktion des aufgestockten Geschosses setzten die Handwerker auf Vorfertigung: Die Balken für die Konstruktion wurden am Boden mit allen Anschlüssen versehen und auf dem Dach zusammengesetzt. Ausgesteift wurde die Konstruktion mit von außen aufgebrachten OSB-Platten. Das Dach des neuen Geschosses erhielt eine Schieferdeckung.

Schall- und Brandschutz

Nachdem die tragende Konstruktion errichtet war – die Wohnungen darunter blieben während der gesamten Bauzeit bewohnt – machte sich das Trockenbau-Team um Thomas Marsch an die Arbeit. „Mit Trockenbaukonstruktionen konnten wir die Schall- und Brandschutzanforderungen erfüllen. Und die waren bei diesem Projekt nicht gerade im unteren Spektrum angesiedelt“, sagt Marsch. Die neuen Decken mussten den Brandschutz nach F30 erfüllen, die Trennwände ebenso.

Trennwände mit mehr als 60 dB Schallschutz

Bei den Trennwänden zwischen den einzelnen Wohneinheiten sollte ein Schalldämmmaß von mehr als 60 dB sichergestellt werden. Die Trennwände sind Metall-Doppelständerwände (2 x CW 100 Wandprofile), beidseitig doppelt mit „Rigips Feuerschutzplatten RF“ beplankt.

Stahlblech soll Einbrüche verhindern

Zusätzlich zu einer eingelegten Mineralwolldämmung gab es eine weitere Besonderheit: Um Einbrüche zu verhindern, wurde in die Wohnungstrennwände ein Stahlblech integriert. Nachdem die erste Lage Rigips-Feuerschutzplatten auf der Unterkonstruktion montiert war, verlegten die Trockenbauer darüber das Stahlbech. Es wurde zunächst mit einigen Schrauben fixiert. Die endgültige Befestigung erfolgte mit dem Verschrauben der zweiten Schicht Rigips-Platten. Insgesamt erreichen die so erstellten Trennwände ein Schalldämmmaß von Rw,R 63 dB.

Zwischenwände in Trockenbauweise

Das Eckschutzprofil „Rigips EasyFlex“ wurde als Kantenschutz für die Bearbeitung aller Trockenbauplatten-Kanten und Winkel und für die Spitzgiebel eingesetzt. Die Winddruck- und Windsogkräfte sorgen für Biegebewegungen auf der Dachkonstruktion. Die großen Spannweiten erforderten dabei ein Tragwerk aus Holz und Stahl. Die Unterkonstruktion für die Trockenbauplatten musste die berechneten Durchbiegungen der Holzbauteile vollständig aufnehmen. Beplankt wurden die Laibungen der Spitzgiebel und alle Vorsatzschalen mit „Rigips Feuerschutzplatten RF“ in doppelter Lage.

Giebel- und Dachfenster

Für viel Licht im Inneren der Wohnungen sorgen teilweise raumhohe Giebelfenster. Außerdem sorgen große Fenster in den Dachschrägen, Oberlichter und Deckensegel mit integrierten LED-Lichtern für Helligkeit. Alle Innenflächen, insgesamt über 5200 m2, wurden mehrfach verspachtelt und nachgeschliffen. Auf die ebenen Oberflächen wurde dann der deckende Grund-, Zwischen- und Schlussanstrich mit weißer Dispersionsfarbe aufgetragen.

Preiswürdig

Mit der Aufstockung des Gründerzeithauses sicherte sich die Freyer Bauunternehmen GmbH den Sieg in der Kategorie Wohnbau bei der 10. Rigips Trophy 2015/2016, einem Trockenbauwettbewerb, den der Hersteller Saint-Gobain Rigips jährlich auslobt. Bereits bei der 9. Rigips Trophy waren die Trockenbauprofis aus dem brandenburgischen Müllrose mit einem Objekt aus der Gründerzeit-Epoche erfolgreich.

Nächste Aufstockung steht an

Die nächste Aufstockung ist bereits in Arbeit: An der Ecke Danziger Straße/Knaackstraße hat die Freyer Bauunternehmen GmbH ein Dachgeschoss abgetragen und baut ein neues Geschoss mit drei Metern Höhe. Die Wände der Aufstockung bestehen dabei aus Vollholzplatten und sind vorgefertigt, sogar die Fenster sind schon eingebaut. Hier erhält das aufgestockte Stockwerk aber ein schlichtes Flachdach.

Autorin

Karin Melder ist Projektmanagerin für Messen, Events und Promotion bei der Saint-Gobain Rigips GmbH in Düsseldorf.

Bautafel (Auswahl)

Projekt Aufstockung eines Gründerzeithauses, Ecke Pariser Straße/Sächsische Straße, 10707 Berlin-Wilmersdorf

Bauherr CMIB GmbH & Co Fünfte Verwaltungs KG, CH-6302 Zug

Planung Dipl. Architekt Peter Kaufmann, 10407 Berlin, www.kaufmann-architektur.de

Trockenbau + Holzbau Freyer Bauunternehmen GmbH, 15299 Müllrose, www.freyergmbh.de

Holzbau Klenk Holz AG, 15837 Baruth/Mark,

www.klenk-holz.de

Dachdecker Roland Goligowski, 15890 Schlaubetal, Bremsdorf

Produkte (Auswahl)

Dachdämmung Zelluloseeinblasdämmung, 24 cm, WLG 040, Isofloc Dämmstatt GmbH, Berlin,

www.isofloc.de

Dämmung Trennwände 2 x 80 mm „Isover Ultimate Trennwand-Platte 040“, Saint-Gobain Isover G+H AG, Ludwigshafen, www.isover.de

Trockenbauplatten „Rigips Feuerschutzplatten RF“, Saint-Gobain Rigips GmbH, Düsseldorf, www.rigips.de

Schiefer „Wario Rundbogen“, Format 250 x 250 mm, Gewinnstufe 11, Primero Schiefer GmbH, Wermelskirchen, www.primero-schiefer.de

Weitere Informationen zu den Unternehmen
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