Strohballenhaus nach KfW-40-Standard

Nach dem Lebenszyklus zurück in die Natur: Der Strohballenhausbau ist ressourcenneutral und dämmt gut

Ökologisch, wohngesund und ressourcenschonend: Strohballenhäuser sind zwar immer noch Exoten in der Baulandschaft. Mit seiner guten Energiebilanz nimmt der Dämmstoff Stroh aber eine Vorreiterrolle ein. Aus diesem Grund entschied sich der Bauherr eines Einfamilienhauses für ein Strohballenhaus mit Holztragwerk.

Ein Kran setzt die ersten Wände für das Strohballenhaus in Engelswies auf die Bodenplatte. Der Blick zum Himmel verrät zunächst, dass es ein schöner Tag werden wird. „Nachmittags sind zwar Gewitter vorhergesagt, aber es könnte sein, dass wir das Dach noch draufbringen“, sagt Vorarbeiter Klaus Leberer von der Dreher Bau GmbH & Co. KG, die in Vilsingen im Landkreis Sigmaringen ansässig ist. In den letzten Wochen wurden die Elemente für das Strohballenhaus in der Abbundhalle vorgefertigt. Die Holzrahmenwände, 36 cm breit, wurden dann in Eigenleistung von Bauherr Kai Klotzbach mit Strohballen gefüllt. „Das war eine richtige Familienaktion“, sagt er und sei nicht schwierig gewesen. Die Holzrahmenkonstruktion wurde so gefertigt, dass immer zwei Strohballen nebeneinander in ein Gefach passen. „Einzig das Ausfachen der Lücken, in die kein ganzer Strohballen reinpasst, ist eine aufwändige Arbeit“, sagt Kai Klotzbach. Nicht nur hier war die Erfahrung des planenden Architekten Otto Merz gefragt. (Lesen Sie hier ein Interview mit Architekt Otto Merz über seine Erfahrungen mit der Strohballenbauweise) Die Strohballen wurden von der Bauherrenfamilie entsprechend der Vorgaben von Hand mit einer selbstgebauten Nadel und Sisal-Schnur durchstochen und kleiner gebunden.

Offenheit dank eigener Strohballenbauerfahrung

Frank Dreher, einer der Geschäftsführer bei Dreher Bau, war offen für die Möglichkeit dieser Eigenleistung. „Wir haben die Konstruktion geliefert, dann ist der Bauherr mit seinem Strohwagen gekommen und hat die Strohballen eingebaut“, sagt Dreher. Mit dem Bauunternehmen – das Kai Klotzbach selbst ausgesucht hatte – hat Architekt Merz eine gute Wahl getroffen und war auf Offenheit gestoßen: Nach seinem Studium vor 20 Jahren war Frank Dreher selbst in Rumänien bei einem Strohballenhausbau dabei und hat bleibende Erinnerungen daran: „Dort wurden die Strohballen mit der Pferdekutsche gebracht und eingebaut, ökologischer geht es kaum.“ Grundsätzlich sei dort viel mehr von Hand gemacht worden, es gab weniger Maschineneinsatz.

Der Aufenthalt in Rumänien war sozusagen der geistig-emotionale Einstieg in den Strohballenhausbau für Frank Dreher, 20 Jahre später nun auch für sein Unternehmen. „Es ist eine Möglichkeit, nachhaltig zu bauen und wir sind ja nicht die ersten. Stroh ist ein jahrhundertealter Baustoff“, sagt Dreher und nennt als Beispiel Lehm-Strohwickel in alten Fachwerkhäusern. 

Sägeraues Holz eingebaut

Ins Gesamtkonzept des nachhaltigen und ressourcenschonenden Bauens passt, dass beim Strohhaus in Engelswies auch sägeraue Hölzer statt Hobelware eingesetzt wurde. „Da, wo es Sinn macht, also die Maßhaltigkeit eine eher untergeordnete Rolle spielt, haben wir mit sägerauen Ständern gearbeitet, bei den Dachelementen jedoch mit KVH und Duoholz“, erklärt Frank Dreher. Beim Strohballenhaus in Rumänien gingen die Erbauer auch so vor, aus einem ähnlichen Grundgedanken heraus: Der Rohstoff Holz ist wertvoll, oftmals genügen kleinere Querschnitte. Und wo nicht gehobelt wird, fallen auch keine Späne, sprich: Energieeinsparung durch weniger Maschineneinsatz, gleichzeitig wird Holz gespart.

Aufrichten mit Regenunterbrechungen

Zurück nach Engelswies: Nach der Vorfertigung begann der erste Aufrichttag vielversprechend, dann, nachdem die ersten Wände gestellt und die Brettstapeldecke gesetzt waren, setzte allerdings Regen ein. „Ein kurzer Regen ist zwar kein Problem für die Wände, trotzdem war es besser, abzubrechen und abzuplanen“, sagt Frank Dreher mit Blick zum Himmel.

An den Außenwänden des Strohballenhauses werden 60 mm dicke Holzweichfaserplatten montiert und bilden den Abschluss nach außen, ohne Aussteifungsfunktion. Diese wird über die Holzstreben in der Wand geleistet. Auf der Innenseite der Außenwände (die mit Schalung und Innenputz später eine Gesamtdicke von knapp 60 cm haben) hält eine Lattung über den Ständern die Strohballen in der Holzrahmenkonstruktion. „Hier wird später ein fünf Zentimeter dicker Lehmputz im Spritzverfahren aufgetragen“, erklärt Architekt Otto Merz. Anders als bei den Innenwänden. Diese werden mit Lehmbauplatten verkleidet. Bei den Außenwänden ist es allerdings wichtig, dass der Lehm mit dem Stroh eine homogene Verbindung eingeht, „auch, um eventuelle Feuchtigkeit in den Wänden über die Kapillarwirkung an die Wandaußenseite zu transportieren“, erläutert Otto Merz. (Erfahren Sie mehr darüber, welche Rolle Lüftung und gute Witterung bei der Strohballenbauweise spielen im Interview mit Otto Merz). 

Das Stroh kommt vom Acker des Onkels

Die Regenpause von einigen Tagen auf der Baustelle nutzte Bauherr Kai Klotzbach, dessen Elternhaus nur einen Steinwurf entfernt liegt, um die Gefache der Bodenplatte mit Strohballen auszudämmen. Dies war, wie die gesamten Dämmarbeiten, eine Gemeinschaftsleistung, die er mit Freunden und der Familie ausführte. „Das Stroh für die Ballen kommt größtenteils vom Acker meines Onkels, der im gleichen Ort wohnt“, sagt Kai Klotzbach und zeigt vom Gerüst aus auf eine landwirtschaftliche Fläche in 300 m Entfernung. In der ländlichen Umgebung zwischen Schwäbischer Alb und Oberschwaben sind solche Beziehungen ganz normal und für ein solches Projekt natürlich Gold und gleichzeitig Geld wert. Dazu passt, dass die Strohballenpresse – es gibt nicht mehr so viele Kleinballenpressen – auch von einem Freund aus dem Ort kommt. „Als Gegenleistung habe ich ihm seine Baugrube mit dem Bagger ausgehoben“, sagt der gelernte Straßenbauer Kai Klotzbach.

Das Weizenstroh wurde im Vorjahr gepresst und gelagert. „Weizenstroh ist am Besten zum Verarbeiten“, sagt Kai Klotzbach und erklärt dies mit den langen Halmen, die notwendig sind, um gute Ballen zu bekommen. Gerstenstroh sei zu kurzfaserig, die Ballen werden dann instabiler.

KfW-40 Haus erfordert große Dämmdicken

Am zweiten Aufrichttag wurden die Giebelwände und das erste Obergeschoss gestellt. Auffällig ist, dass die Firstpfette etwa 70 cm unterhalb des eigentlichen Firstes liegt. „Hier zeigt sich das doppelte Dachpaket“, sagt Architekt Merz und erklärt, dass oberhalb der 38 cm dicken Dachelemente eine weitere Lage Strohballen zwischen Holzrahmen gelegt werden. „Wir haben auf ein KfW 40-Haus abgezielt“, sagt der Architekt, es ist das zweite Haus aus seiner Feder, das auf diesem Energielevel gebaut wurde. KfW-40 bedeutet aber auch, dass ein entsprechend dickes Dämmpaket auf dem Dach benötigt wurde, damit auch entsprechende lastabtragende Stützen und Querschnitte für die Sparren und Pfetten.

Für das Aufrichten der Dachelemente brauchte es dann zwei regenfreie Tage nacheinander. Zunächst wurden die sechs vorgefertigten und gedämmten Elemente mit dem Kran auf die Pfetten gesetzt und verschraubt. Danach befestigten die Zimmermänner für die zweite Lage Strohballen in Richtung der Sparren aufrechte Rahmenhölzer (Maß = 4 x 22 cm). Dazwischen liegende Koppelpfetten geben Stabilität und wurden mit Sparrenpfetten-Ankern an den Rahmenhölzern verbunden. In diese Gefache hinein wurden dann, in einer weiteren Gemeinschaftsleistung von sieben Mann, die Strohballen auf das Dach gebracht und eingebaut. Insgesamt sind in dem Haus rund 1200 Strohballen verbaut. Auf das zweite Strohballen-Paket folgte eine Holzschalung und die Unterkonstruktion für die Dacheindeckung. Die Südseite des zweigeschossigen Hauses wurde komplett mit einer PV-Anlage ausgestattet und am Rand mit Titanzinkblechen verkleidet. Die Nordseite des 27° geneigten Daches ist mit Dachsteinen eingedeckt („Braas Tegalit“).

Holzschalung in einem Stück bis zum Giebel

Die ökologische Gesamtbilanz – sehr wenig grauer Energieeintrag wegen des Strohanteils und möglichst sägerauen Hölzern, wenig Energieverbrauch im Betrieb – wird mit einer thermischen Solaranlage an der Südfassade und einer Indach-Photovoltaik-Anlage komplettiert. Mit der Solarthermie wird ein 3930 Liter-Pufferspeicher erwärmt. Im Winter und der Übergangszeit hilft ein Stückholzofen mit Wassertasche, um den Wasserspeicher zu erwärmen und die Wand- und Fußbodenheizungen mit Wärme zu versorgen.

„Meine Erwartungen an den Strohballenbau und an das Gesamtkonzept haben sich voll erfüllt“, sagt Kai Klotzbach zufrieden. Die Baustelle sei nach Plan gelaufen und durch den hohen Eigenleistungsanteil konnte er die Kosten senken. Im Spätsommer wurde die Fassade aus Douglasie montiert. Die wilde Deckung mit unterschiedlichen Breiten – über den Holzweichfaserplatten montiert – geht auf der Traufseite über zwei Geschosse, an der Giebelseite sogar über drei Geschosse ohne Stoß. Ende des Jahres möchte Kai Klotzbach mit seiner Familie einziehen.

Auch der Architekt ist zufrieden: „Man fühlt sich in so einem Haus einfach wohl“, antwortet Otto Merz auf die Frage, weshalb er Strohballenhäuser baue. „Ich habe es dabei auch oft mit einer entspannten Bauherrenschaft zu tun“, beschreibt er die Menschen, mit denen er seine Häuser baut (siehe Interview). Nach dem zwölften oder dreizehnten Haus, es sind inzwischen so viele, dass er es nicht mehr genau weiß, hat es sich inzwischen herumgesprochen, dass er im südlichen Baden-Württemberg als der ausgewiesene Fachmann beim Bauen mit Stroh gilt. „Den Kunden muss ich nun nicht mehr hinterherlaufen, die kommen zu mir“, sagt Otto Merz.

Autor

Rüdiger Sinn ist freier Journalist und Mitarbeiter der Redaktion dach+holzbau.

Bautafel (Auswahl)

Projekt Bau eines Strohballenhauses in KfW40-Standard in 72514 Inzigkofen-Engelswies (BW)

Holzbau Dreher Bau GmbH & Co. KG, 72514 Inzigkofen-Vilsingen, www.dreherbau.de

Architekt  Otto Merz, Architekturbüro, 78183 Hüfingen (Mundelfingen), , https://otto-merz.eu/

Gebäudetechnik Hartmann Energietechnik GmbH, 72108 Rottenburg-Oberndorf,

www.hartmann-energietechnik.de

Herstellerindex (Auswahl) 

Dachdeckung  Braas „Tegalit“, www.braas.de

PV-Anlage Indachanlage auf der Südseite des Hauses, Winkler Solar, A-6800 Feldkirch, www.winklersolar.com

Solarthermie Flachkollektor, Winkler Solar

Stückholzofen „Powall Sonne“, 27 kw davon 22 kw direkt ins wasserführende Heizsystem, Powall Energietechnik GmbH, 83627 Warngau, www.powall.de

Energiekonzept

Das KfW-40-Haus in Inzigkofen-Engelswies (Landkreis Sigmaringen) ist ein sogenanntes Sonnenhaus, das heißt, mehr als 50 Prozent der Heizenergie wird über Sonneneinstrahlung erzielt. Das Herzstück ist der 3930 Liter fassende Pufferspeicher. Dieser wird bivalent betrieben: zum einen über die Solarthermieanlage an der Südfassade, zum anderen über einen Kachelofen mit Wassertasche. Der Kachelofen strahlt in den Wohnbereich, die Wassertasche lädt den Pufferspeicher. Die Wärmeverteilung wird vervollständigt durch Flächenheizungen im Haus (Fußbodenheizung in den Bädern und Wandheizung in den Wohnräumen). Eine Photovoltaik-Indach-Anlage ist auf der Südseite des Hauses verlegt und ersetzt hier die Dachdeckung (Solarstromanlage mit 11,16 kWp Leistung).

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