Schutz vor Lärm auf der Baustelle

Permanenter Krach auf Baustellen kann krank machen und zur Schwerhörigkeit führen. Wirksamer Schutz gegen Lärm ist jedoch machbar. Wir stellen verschiedene Hörschutz-Maßnahmen der BG Bau vor, die auf der Baustelle und im Betrieb umsetzbar sind.  

Lärm ist auf Baustellen allgegenwärtig, unabhängig vom jeweiligen Gewerk. Wie laut viele Baumaschinen und Elektrowerkzeuge eigentlich sind, fällt im täglichen Arbeitsstress aber kaum noch auf. „Problematisch wird es, wenn der Pegel dauerhaft zu hoch ist“, sagt Inga Bräuer, Präventionsberaterin bei der Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft (BG Bau). Denn dann kann Lärm krank machen.

Für Schallpegel ab 80 dB(A) gilt: Sind wir diesen zu häufig und zu lange ausgesetzt, hat das gesundheitliche Folgen für das Gehör. Da sich das Gehör selbst nicht heilen kann, seien die Schäden zudem irreversibel, betont Inga Bräuer. Doch nicht nur auf die Ohren wirkt sich Krach aus. Abhängig von der Dauer und der Intensität kann Lärm erhöhten Blutdruck, vermehrte Hormonausschüttung und einen Herzfrequenzanstieg auslösen. Das kann, muss aber nicht zum Herzinfarkt führen.

Lärmschwerhörigkeit ist die am häufigsten gemeldete Berufskrankheit

Zu viel Lärm kann Stress, Gereizheit, Angstgefühle, Nervosität und Schlafstörungen verursachen. Lärmschwerhörigkeit ist eine anerkannte Berufskrankheit. Daher ist es aus Sicht der BG Bau sehr wichtig, Handwerker und alle Baubeteiligten für das Thema Lärmschutz zu sensibilisieren. Denn die Zahlen sprechen für sich: 2021 war Lärmschwerhörigkeit mit 2882 Fällen die Berufskrankheit mit den meisten Verdachtsanzeigen in der Bauwirtschaft und den baunahen Dienstleistungen. 2022 war Lärmschwerhörigkeit erneut die am häufigsten der BG Bau gemeldete Berufskrankheit und es wurden noch mehr Verdachtsfälle als im Jahr davor gemeldet. Rund 18 Millionen Euro jährlich hat die BG Bau nach eigenen Angaben in den vergangenen fünf Jahren für Heilbehandlungen, Rehabilitation und Renten aufgrund dieser Berufskrankheit ausgegeben.

Das Balkendiagramm zeigt die Anzahl der Verdachtsfälle von Berufskrankheiten, die 2022 der BG Bau gemeldet wurden
Quelle: BG Bau

Das Balkendiagramm zeigt die Anzahl der Verdachtsfälle von Berufskrankheiten, die 2022 der BG Bau gemeldet wurden
Quelle: BG Bau

Was ist eigentlich Lärm?

Lärm ist jeder Schall, der zu einer Beeinträchtigung des Hörvermögens oder zu einer sonstigen Gefährdung von Sicherheit und Gesundheit führen kann. Das Maß für die Lautstärke ist der Schalldruckpegel (L) in Dezibel (dB). Der im Arbeitsschutz gebräuchlichste Wert ist die sogenannte Frequenzbewertung A. Mit dieser Einheit wird der Schalldruckpegel L angepasst an das menschliche Hörempfinden in dB(A) angegeben. Geräusche ab 65 dB(A) lösen Reaktionen wie Durchblutungsstörungen, Veränderung der Pulsfrequenz und Adrenalinausschüttung aus. Ab 80 dB(A) können auf Dauer Hörminderungen auftreten.

Handwerker an ihrem Arbeitsplatz vor Krach zu schützen, ist Aufgabe von Bauunternehmen und Handwerksbetrieben. Wie das im Einzelnen umzusetzen ist, regelt die Lärm- und Vibrationsarbeitsschutzverordnung (kurz: LärmVibrationsArbSchV). Im Idealfall wird Lärm durch den Einsatz technischer Maßnahmen bereits von Anfang an verhindert oder verringert, zum Beispiel durch leisere Maschinen oder lärmarme Arbeitsverfahren, die den Schallpegel deutlich senken. „Von der BG Bau gibt es Arbeitschutzprämien für solche Arbeitsgeräte“, sagt Inga Bräuer. 

Zimmerer_Adrien_Chenu_mit_Gehoerschutz.JPG Ab einem Schalldruckpegel von 85 db(A) gilt eine Pflicht zum Tragen eines Gehörschutzes. Auf dem Bild nutzt Schreinermeister Christoph Pahl einen Kapselgehörschutz bei der Arbeit mit der Akku-Handkreissäge
Foto: Rüdiger Sinn

Ab einem Schalldruckpegel von 85 db(A) gilt eine Pflicht zum Tragen eines Gehörschutzes. Auf dem Bild nutzt Schreinermeister Christoph Pahl einen Kapselgehörschutz bei der Arbeit mit der Akku-Handkreissäge
Foto: Rüdiger Sinn

Wenn diese Möglichkeiten ausgeschöpft oder technisch nicht umsetzbar sind, müssen organisatorische Schutzmaßnahmen greifen, wie etwa das Abtrennen lauter Arbeitsbereiche durch Schallschutzwände oder die zeitliche Begrenzung der Aufenthaltsdauer in einem lauten Baustellenbereich. „Aber das ist natürlich nicht überall einzurichten. Daher ist der persönliche Hörschutz wichtig“, betont die Präventionsberaterin.

Ab 85 dB(A) gilt die Pflicht zum Tragen eines Gehörschutzes

Der Gesetzgeber hat 80 dB(A) als untere Auslöseschwelle für Schutzmaßnahmen festgelegt. „Ab diesem Wert muss der Arbeitgeber dem Beschäftigten einen geeigneten, persönlichen Gehörschutz zur Verfügung stellen“, so Inga Bräuer. Eine Tragepflicht besteht ab einem Wert von 85 dB(A). Wichtig ist dabei, dass der Hörschutz praktikabel ist und bei der Arbeit gut funktioniert. Im Bereich Hörschutz gibt es verschiedene Möglichkeiten, wie Inga Bräuer erklärt:

kapselgehoerschuetzer-dienen-als-gehoerschutz-vor-extrem-lautem-laerm-beim-arbeiten-mit-maschinen.jpg Kapselgehörschützer sind geeignet, wenn häuiges Auf- und Absetzen erforderlich ist
Foto: H.ZWEI.S Werbeagentur / BG Bau

Kapselgehörschützer sind geeignet, wenn häuiges Auf- und Absetzen erforderlich ist
Foto: H.ZWEI.S Werbeagentur / BG Bau
Kapselgehörschutz: Ein Kapselgehörschutz ist geeignet, wenn häufiges Auf- und Absetzen erforderlich ist oder eine Neigung zu Gehörgangsentzündungen gegeben ist. Das Tragen von Brillen kann ein dichtes Anliegen der Kapseln am Ohr allerdings verhindern. Daher gibt es für Brillenträger andere, besser geeignete Möglichkeiten des Gehörschutzes.

gehoerschutzstoepsel-mit-buegel.jpg Gehörschutzstöpsel mit Bügel sind für Brillenträger besser geeignet als Kapselgehörschützer
Foto: H.ZWEI.S Werbeagentur / BG Bau

Gehörschutzstöpsel mit Bügel sind für Brillenträger besser geeignet als Kapselgehörschützer
Foto: H.ZWEI.S Werbeagentur / BG Bau
Bügelgehörschutz: Diese Art des Gehörschutzes, bei der Gehörschutzstöpsel an einem Bügel befestigt sind, ist für Brillenträger besser geeignet. Der Bügel wird einfach im Nacken getragen. Auch bei starker Schweißbildung unter den Kapselgehörschützern, bei engen Gehörgängen und einer Neigung zu Gehörgangsentzündungen oder einer starken Ohrschmalzbildung ist ein Bügelgehörschutz empfehlenswert.

Gehörschutzstöpsel: Diese Art des Gehörschutzes ist weit verbreitet: Gehörschutzstöpsel sind für Arbeitsplätze mit andauernder Lärmeinwirkung geeignet. Einmal-Stöpsel bestehen aus Schaumstoff und sollten mit sauberen Händen eingesetzt werden. Der Schaumstoff braucht 10 bis 15 Sekunden, um sich ans Ohr anzupassen. Hängt er heraus,  sitzt er nicht richtig. 

Otoplastiken: Diese werden von einem Hörgeräte­akustiker individuell angepasst. Sie bieten einen besonders sicheren Schutz vor Lärm. Weitere Vorteile sind ein hoher Tragekomfort, außerdem werden Umgebungsgeräusche besser wahrgenommen. Es bestehen weniger Probleme bei der Kommunikation mit anderen Mitarbeitern oder beim Telefonieren. Sinnvoll sind sie bei Arbeiten, bei denen ständig Gehörschutz getragen werden muss. Otoplastiken müssen alle drei Jahre überprüft werden, können aber durchaus länger halten. Für Otoplastiken zahlt die BG Bau eine Arbeitsschutzprämie. Pro Maßnahme sind es 50 Prozent der Anschaffungskosten, maximal 100 Euro.

otoplastiken.jpg Otoplastiken bieten besonders guten Schutz vor Lärm, werden von Hörgeräteakustikern individuell angepasst sowie von der BG Bau gefördert
Foto: H.ZWEI.S Werbeagentur / BG Bau

Otoplastiken bieten besonders guten Schutz vor Lärm, werden von Hörgeräteakustikern individuell angepasst sowie von der BG Bau gefördert
Foto: H.ZWEI.S Werbeagentur / BG Bau

Gesundheitliche Aufklärung sollte direkt beim Berufseinstieg greifen. Aus diesem Grund möchte die BG Bau insbesondere Auszubildende erreichen. „Mach‘ mal leise“ hieß daher das Motto für den „Tag gegen Lärm“ am 26. April 2023. Seit 1998 bündelt die Deutsche Gesellschaft für Akustik e. V. als Initiatorin des Tages die deutschlandweiten Aktivitäten der Partnerorganisationen. Rund um den „Tag gegen Lärm 2023“ veranstaltete die BG Bau bundesweit Aktionstage in vielen Ausbildungszentren der Bauwirtschaft. Lehrlinge erfuhren dabei, was Lärm ist und welche Folgen er haben kann. Weitere Informationen zum Schutz vor Lärm finden Sie unter www.bgbau.de.

Autorin

Michaela Podschun ist Redakteurin der Zeitschriften bauhandwerk und dach+holzbau.

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