Liebe Leserinnen, Liebe Leser,
als ich noch in der Schule war, machte ein Freund von mir ein Praktikum bei einem Dachdecker. Nach einem seiner ersten Tage trafen wir uns nachmittags, er erzählte von der Arbeit und zeigte mir seinen Unterarm – auf dem er eine lange Brandwunde hatte! Die Dachdecker hatten mit dem Gasbrenner „gespielt“ und ihm dabei die Wunde zugefügt. Früher ging es auf dem Bau eben rauer zu, könnte man sagen. Wer aber so mit seinen Praktikanten umgeht, muss sich nicht wundern, dass er keine Azubis bekommt. Inzwischen ist das 16 Jahre her. Ich habe seitdem viele Dachdecker kennen- gelernt, die gewissenhaft arbeiten und sich und andere nicht in Gefahr bringen. Bekannt ist auch, dass der Dachdeckerberuf für junge Leute Perspektiven bietet. Ob das Jugendliche auch so sehen? Vor zwei Jahren habe ich eine Nachwuchsaktion des Dachdeckerhandwerks an einer Haupt- und Realschule in Vlotho besucht (siehe Ausgabe 12/2016). Die Schüler durften dabei Schieferherzen schlagen, Bitumenbahnen verschweißen oder an einer Lötstation arbeiten. Ich wollte von den Schülern wissen, ob sie eine Ausbildung zum Dachdecker machen würden. Die Reaktionen waren verhalten: Nur einer der Schüler wollte später Dachdecker werden. Eine Schülerin sagte, sie wolle später in einem handwerklichen Beruf arbeiten. An eine Lehre als Dachdeckerin hatte sie dabei aber nicht gedacht.
Es ist dringend nötig, dass der Dachdeckerberuf bei jungen Leuten einen besseren Ruf bekommt. Ein Weg dafür sind Videos, die zeigen, dass der Dachdeckeralltag Spaß macht. Solche Videos zeigen die Dachdecker von Fritz Bedachungen (siehe Foto) auf ihrem YouTube-Kanal „Dach Pro“. Die Videos kommen an – fast 7000 Abonnenten und über 1 Mio. Aufrufe hat der Kanal, Tendenz steigend. Auf der DACH+HOLZ in Köln habe ich Selim Fritz und Florian Fugmann getroffen, die den Kanal betreiben. Wie sie die Dacharbeit und das Filmen unter einen Hut bekommen, erfahren Sie im Interview auf Seite 6.
Wie man es schafft, sich als Dachdecker- und Zimmereibetrieb bei jungen Leuten einen Namen zu machen, zeigt auch das ZEP-Team aus Bielefeld. Der Dachdecker- und Zimmerei-Betrieb existiert zwar erst seit vier Jahren, der Kalender von Geschäftsführer Eugen Penner ist aber voll. „Wir haben Spaß an unserer Arbeit und machen unseren Beruf mit Leidenschaft“, sagt er. Aber die Mitarbeiter des ZEP-Teams machen noch mehr: Sie gehen dorthin, wo Jugendliche in ihrer Freizeit sind, etwa zu BMX-Events in Bielefeld. So kommen Jugendliche in Kontakt mit dem Namen des Betriebs und erinnern sich vielleicht bei der Berufswahl daran, dass die Mitarbeiter vom ZEP-Team sympathisch und kompetent waren. Dazu kommt, dass die Arbeit mit Absturzsicherung für das ZEP-Team selbstverständlich ist. Ab Seite 40 in dieser Ausgabe lesen Sie, wie das Team die Schallläden eines Glockenturms in fast 50 m Höhe austauschte – gut gesichert und an nur einem Tag. Mit den Bildern von dieser Baustelle (eines davon sehen Sie auch auf dem Titel dieser Ausgabe) kann man junge Menschen für den Dachdecker- und Zimmererberuf begeistern. Handwerker, denen man den Spaß an ihrer Arbeit anmerkt, sind meiner Meinung nach die beste Nachwuchswerbung für ihren Beruf! Daher hoffe ich, dass Sie bei allem Alltagsstress auch dazu kommen, ihre Arbeit zu genießen und das auch ausstrahlen.
Ich wünsche Ihnen frohes Schaffen,