Fachkongress für Absturzsicherheit 2022

Arbeitssicherheit bei der Sanierung des Gasometers Oberhausen stand im Fokus

Zum Fachkongress für Absturzsicherheit am 29. und 30. November kamen 120 Teilnehmer in die Veltins-Arena nach Gelsenkirchen. Die Sanierung des Gasometers in Oberhausen war einer der Schwerpunkte des Kongresses. Außerdem ging es um Absturzunfälle und deren gerichtliche Bewertung. Produkte und Services zur Absturzsicherheit zeigte eine begleitende Fachausstellung.

Mit 117,5 m Höhe und 68 m Durchmesser ist der Gasometer in Oberhausen ein beeindruckendes Industriedenkmal. Seit 1994 wird der ehemalige Gasspeicher als Ausstellungs- und Veranstaltungsort genutzt. Die Außenhülle des Gasometers besteht aus Doppel-T-Stahlträgern, dazwischen sind Blechwände befestigt. Das Dach besteht aus 24 stählernen Fachwerkträgern. An zahlreichen Stellen zeigten sich jedoch mit der Zeit Korrosionsschäden am Gasometer, daher entschied sich der Bauherr für eine denkmalgerechte Komplettsanierung. Das Ziel: Die Hülle und das Tragwerk des ehemaligen Gasspeichers sollten die nächsten 30 Jahre vor weiteren Schäden bewahrt werden.

Industriekletterer demontieren tonnenschwere Treppen

Mit der Planung der Sanierung war das Büro Lindner Lohse Architekten BDA aus Dortmund beauftragt. David Auerbach, geschäftsführender Partner des Architekturbüros, stellte auf dem Fachkongress in Gelsenkirchen das Sanierungskonzept vor. Um die Außenhülle des Gasometers zu sanieren, mussten zunächst Anbauteile wie Treppen und Ausbläser demontiert werden – diese Arbeit übernahmen Industriekletterer der Firma Höhenhandwerk aus Essen. Inhaber Peter Peilert stellte auf dem Kongress die Montagearbeiten in schwindelerregender Höhe an der Außenhülle des Gasometers vor. Sein Betrieb war mit Industriekletterern bei jedem Wetter vor Ort, um die bis zu 1,5 t schweren Treppen und Gasausbläser zu demontieren und später wieder an der Gebäudehülle zu befestigen.

30 000 m² Fassadengerüst mit Schutzplanen verhüllt

Nach der Demontage der Anbauteile wurde das Bauwerk vollständig eingerüstet. Dafür nutzten die Gerüstbauer ein 30 000 m² umfassendes Fassadengerüst von Peri. Zum Teil waren bis zu 50 Gerüstbauer für die Montage vor Ort. Das Gerüst verhüllte man anschließend mit weißen Planen, um das Verwehen von Rost und Farbresten beim Abstrahlen der Außenhülle zu verhindern.

Die alten Farbschichten der Außenhülle des Gasometers strahlte die Spezialfirma Rodopi mit Feststrahltechnik und unter Unterdruck ab. Dabei fielen rund 3500 t Strahlschutt an, die abgesaugt und entsorgt werden mussten. Nach Entfernen der alten Schichten erhielt der Gasometer einen neuen Anstrich, bestehend aus einer Grundierungs- und Zwischenschicht aus 2K-Epoxidharz-Zinkstaub und zwei Deckschichten aus 2K-Polyurethanharz. Der Farbton für die abschließende Schicht wurde in enger Abstimmung mit dem Denkmalschutz abgestimmt – die Wahl fiel auf einen braunen Grundton mit oxydrötlicher Einfärbung, versetzt mit Eisenglimmer für den Korrosionsschutz. Auf dem geneigten Dach des Gasometers wurden die einzelnen Farbschichten mithilfe von Spezialrobotern entfernt, die mit einem Hochdruck-Wasserstrahlverfahren arbeiten.

Arbeitsplattform auf 110 m Höhe

Im Inneren des Gasometers wurden die 24 Fachwerkträger des Daches manuell entrostet – die Handwerker arbeiteten dabei von einer speziellen Arbeitsplattform aus in 110 m Höhe. Im September 2021 wurden die Sanierungsarbeiten abgeschlossen. „Wir sind stolz, dass es bei der Sanierung des Gasometers keine schweren Absturzunfälle gegeben hat“, sagt David Auerbach, „die einzige Verletzung bei der Sanierung war ein kleiner Unfall, als sich ein Handwerker mit der Kreissäge in den Finger geschnitten hat.“

Die Teilnehmenden des Fachkongresses für Absturzsicherheit konnten sich bei einer Exkursion am zweiten Kongresstag (30.11.) ein Bild von dem sanierten Gasometer machen. Dabei ging es für die Teilnehmenden sogar mit dem Aufzug auf das Dach des Gasometers in 117,5 m Höhe.

Typische Absturzunfälle und deren Folgen

Neben der Sanierung des Gasometers gab es auf dem Fachkongress weitere Vorträge zum Thema Absturzsicherheit: Prof. Dr.-Ing. Marco Einhaus von der BG Bau stellte Absturz-Unfallanalysen und daraus abgeleitete Regelwerksanpassungen vor. Er betonte, dass es vor allem für kleine Handwerksbetriebe schwierig sei, alle Vorschriften zur Arbeits- und Absturzsicherheit zu kennen. Umso wichtiger seien unabhängige Informationen, welche die BG Bau beispielsweise über ihre Website anbiete. Marco Einhaus verwies auf die „Bausteine“ der BG Bau, Sicherheitshinweise zu Arbeiten auf Baustellen in komprimierter Form und in 18 Sprachen. Außerdem bietet die BG Bau ein E-Learning zur Fachkunde Absturzprävention an – das vom eigenen PC aus durchgeführt werden kann (siehe hier)

Dr. Florian Schrammel, Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht, informierte in seinem Vortrag über das Thema Absturzsicherheit und Betreiberverantwortung. Aktuelle Rechtsfälle zu Absturzunfällen und deren gerichtliche Bewertung stellte Manuela Reibold-Rolinger vor. Die Fachanwältin für Bau- und Architektenrecht sensibilisierte die Teilnehmenden für Haftungsfragen und sorgte für lebendige Diskussionen.

Absturzsicherheit in der Praxis

Abschließend ging es um das Thema Absturzsicherheit in der Praxis bei Hochhausbaustellen, vorgestellt von Dipl.-Ing. Björn Kaas. Er ist Sicherheitsingenieur und Leiter der Arbeitssicherheit beim Bauunternehmen Porr GmbH & Co. KG. In kurzen Blitzlichtvorträgen stellten Kevin Schmidt, Produktmanager von ABS Safety und Jörg Kilian, Gebietsverkaufsleiter Dortmund/Düsseldorf der Wilhelm Layher GmbH & Co. KG ihre Produkte und Lösungen zur Absturzsicherung vor. ABS Safety bietet mit dem „ABS Lock Book“ eine Online-Anwendung zur Planung, Montage und Dokumentation von Sicherungssystemen auf dem Dach. Mit „Lock Book Draw“ lassen sich maßstabsgetreue Dach-Skizzen anhand von Vorlagen erstellen. Dabei können auch Drohnenfotos als Vorlage genutzt werden. Per Mausklick lassen sich Seilsicherungssysteme oder Anschlageinrichtungen einfach einplanen. Sogar Gefälledämmungen können mit dem kostenfreien Online-Tool geplant werden. Die Webanwendung „Lock Book Docu“ ermöglicht die Montagedokumentation und Wartung von Anschlageinrichtungen per Tablet oder Smartphone. Beide Anwendungen sind nach einmaliger Online-Registrierung kostenfrei nutzbar, mehr Informationen dazu unter https://info.lock-book.com/.

Layher bietet mit dem „AGS“-Fassadengerüst ein System in modularer Bauweise für den kollektiven Arbeitsschutz. Die leichten Geländer des Gerüsts werden werkzeuglos und über einen roten Sicherheitsbügel an den Stielen befestigt. Die Geländer werden von der unteren Gerüstebene aus gesicherter Position an den Stielen befestigt und dann nach oben geschwenkt. Die Montagerichtung spielt dabei keine Rolle. Mehr zum Fassadengerüstsystem von Layher erfahren Sie hier.

Ausrichter, Partner und Förderer des Kongresses

Der 6. Deutsche Fachkongress für Absturzsicherheit wurde ausgerichtet vom Bauverlag, der Redaktion dach+holzbau und der Redaktion des this-Magazins und unterstützt von der BG Bau sowie von zahlreichen Industriepartnern. Die Partner und Förderer des Fachkongress für Absturzsicherheit 2022 sind:

Wilhelm Layher GmbH & Co. KG, ABS Safety GmbH, Grün GmbH, Innotech Arbeitsschutz GmbH, Tinez Workwear und die Peri Vertrieb Deutschland GmbH & Co. KG. Die Partner und Förderer des Kongresses zeigten in einer begleitenden Fachausstellung in der Veltins-Arena ihre Produkte und Services zur Absturzsicherheit.

Der nächste Fachkongress für Absturzsicherheit ist für den Herbst 2023. Weitere Informationen finden Sie unter www.kongress-absturzsicherheit.de. Dort finden Sie auch ausgewählte Vorträge des diesjährigen Fachkongresses zum Download (siehe hier).

(Redaktion dach+holzbau/Stephan Thomas)

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