Netzwerktreffen zur Absturzsicherheit
Nachbericht zum 8. Fachkongress für Absturzsicherheit 2024Über 130 Teilnehmerinnen und Teilnehmer besuchten den 8. Fachkongress für Absturzsicherheit vom 10.-11. Oktober 2024 in Dortmund. Neben der Planung und Montage von Absturzsicherungen auf Dächern mit Photovoltaikanlagen ging es auf dem Kongress um die Frage, wer bei Absturzunfällen haftet.
In der Energiehalle der DASA in Dortmund verfolgten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer die Vorträge des Fachkongresses für Absturzsicherheit
Foto: Stephan Thomas
Der Fachkongress für Absturzsicherheit fand dieses Jahr in der Energiehalle und der benachbarten Stahlhalle der DASA-Arbeitswelt-Ausstellung in Dortmund statt. Die DASA gibt auf einer Fläche von insgesamt 13 000 m² und in sechs Ausstellungsbereichen Einblicke in verschiedene Arbeitswelten. Der Ausstellungsbereich „Bauhandwerk“ zeigt beispielsweise, wie Lärm, Staub und Hitze zu Belastungen bei der Arbeit führen und wie man solche Gefährdungen und Unfälle auf der Baustelle vermeidet. Wie sich Absturzunfälle durch vorausschauende Planung und die Auswahl geeigneter, sicherer Systeme vermeiden lassen, war erneut zentrales Thema des Fachkongresses für Absturzsicherheit.
Neue Systeme zur Absturzsicherung
Wie digitale Tools die Planung von Absturzsicherungen auf Flachdächern vereinfachen können, zeigte Thomas Reykers von der Firma ABS Safety in seinem Vortrag
Foto: Stephan Thomas
Wie digitale Tools die Planung von Absturzsicherungen auf Flachdächern vereinfachen und dabei helfen können, gesetzliche Vorgaben einzuhalten, zeigte Thomas Reykers von ABS Safety in seinem Vortrag am ersten Kongresstag. Der Hersteller bietet mit dem „ABS Lock Book“ ein digitales Tool zur Flachdachplanung an und stellte auf dem Kongress eine Auswahl seiner Systeme, Produkte und digitalen Lösungen zur Absturzsicherung vor. Verschiedene Systeme zur Absturzsicherung für Flachdächer mit Photovoltaikanlagen stellte auch die Innotech Arbeitsschutz GmbH auf dem Kongress vor. Der Hersteller bietet ein großes Sortiment an Systemen zur Absturzsicherung bei der Montage und Wartung von PV-Anlagen an. Dazu gehören unter anderem Gerüstsysteme für den kollektiven Seitenschutz sowie verschiedene Seilsicherungs- und Schienensysteme.
Unachtsames Verhalten kann zu Absturzunfällen führen
In dem Impulsvortrag „Helden der Arbeitssicherheit“ wurde das Thema Arbeitssicherheit aus psychologischer Perspektive betrachtet. Der Vortrag wurde gemeinsam von Marcus Morlinghaus und Dr. Renate Mayer konzipiert und von Paul M. Brannt vom „Theater Interaktiv“ präsentiert
Foto: Erdal Top
Im Impulsvortrag am ersten Kongresstag wurde das Thema Arbeitssicherheit aus psychologischer Perspektive betrachtet. Der Vortrag wurde gemeinsam von Marcus Morlinghaus und Dr. Renate Mayer konzipiert und von Paul M. Brannt vom „Theater Interaktiv“ präsentiert. Dabei stellte der Referent dem Publikum die Frage: „Wie viele von Ihnen achten täglich darauf, Maßnahmen zur Arbeitssicherheit und Absturzsicherung umzusetzen, fahren aber auf der Autobahn häufig zu dicht auf oder fahren Fahrrad ohne Helm?“ Jeden Tag würden durschnittlich 70 Menschen bei Straßenverkehrsunfällen in Europa ums Leben kommen, erklärte Brannt. Laut aktuellen Zahlen des Statistischen Bundesamts kamen allein in Deutschland im Vorjahr insgesamt 2839 Menschen bei Verkehrsunfällen ums Leben – das sind fast acht Todesfälle pro Tag. Die Statistik zeigt, dass die Gefahr von Unfällen im Straßenverkehr hoch ist. Dieser Gefahr sei man sich aber häufig nicht bewusst, aus Gewohnheit, Routine oder Unachtsamkeit würden viele Menschen im Alltag nicht immer darauf achten, sich sicher zu verhalten, erklärte Brannt. Auf der Baustelle kann unachtsames, unsicheres Verhalten ebenfalls schnell zu Unfällen führen.
Zahl der tödlichen Arbeitsunfälle ist 2023 gestiegen
Prof. Dr.-Ing. Marco Einhaus, Leiter des Sachgebiets Hochbau in der Abteilung Prävention der BG Bau, hielt einen Auftaktvortrag am zweiten Kongresstag
Foto: Erdal Top
Insgesamt 96 153 Arbeitsunfälle verzeichnete die BG BAU 2023 auf Baustellen in Deutschland. Damit ist die Zahl der meldepflichtigen Arbeitsunfälle im Vergleich zum Vorjahr um mehr als drei Prozent zurückgegangen. Die Zahl der tödlichen Arbeitsunfälle ist jedoch leicht gestiegen: 76 Beschäftigte kamen 2023 bei Arbeitsunfällen auf Baustellen ums Leben – das sind zwei Menschen mehr als im Jahr davor. Absturzunfälle sowie herabfallende oder kippende Bauteile gelten dabei laut BG BAU als Hauptursachen für tödliche Arbeitsunfälle in der Bauwirtschaft. Prof. Dr.-Ing. Marco Einhaus, Leiter des Sachgebiets Hochbau in der Abteilung Prävention der BG Bau, erklärte in seinem Auftaktvortrag am zweiten Kongresstag, dass es bei Arbeiten auf Dächern besonders häufig zu Durchsturzunfällen komme, etwa durch ungesicherte Lichtkuppeln oder Dachöffnungen.
Absturzsicherheit im Dachdeckerhandwerk
Dirk Sindermann, Geschäftsführer von Bedachungen Sindermann aus Dortmund, berichtete auf dem Kongress von seinen Erfahrungen in der Planung und Montage von Absturzsicherungssystemen
Foto: Erdal Top
Wie sich Absturzunfälle auf Steil- und Flachdächern vermeiden lassen, darum ging es auf dem Fachkongress in einem Dialogvortrag, bei dem Dirk Sindermann, Geschäftsführer von Bedachungen Sindermann aus Dortmund, und Stephan Thomas, Chefredakteur des Magazins dach+holzbau, gemeinsam auf der Bühne standen. Dirk Sindermann erklärte, dass das Bewusstsein für die Wichtigkeit von Absturzsicherung im Dachdeckerhandwerk in den vergangenen Jahren gestiegen sei. In seinem eigenen Betrieb in Dortmund spiele das Thema Absturzsicherheit eine große Rolle. Neben Gerüsten, Dachrandgeländern und Seilsicherungssystemen für Arbeiten auf Flachdächern nutzen die Mitarbeitenden von Dirk Sindermann beispielsweise häufig Hubarbeitsbühnen statt Leitern für den Zugang zum Dach, was zu einer körperlichen Entlastung und weniger Unfallgefahren führe.
Wie man eine belastbare Gefährdungsbeurteilung zur Vermeidung von Absturzunfällen erstellt, zeigte der Sicherheitsingenieur und Jurist Donato Muro in seinem Vortrag. Jochen Mittenzwey, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht aus Berlin, verdeutlichte in seinem Vortrag anhand von realen Rechtsfällen, wer im Falle eines Absturzunfalls haftet und somit zur Verantwortung gezogen werden kann. Jost Organista, Geschäfts- und Ausbildungsleiter der PSAgA-Akademie NRW Ruhr, hielt zum Abschluss des Fachkongresses einen spannenden Vortrag zum Thema „Blitze – die unsichtbare Gefahr“. Dabei berichtete er nicht nur von einer eigenen Blitzschlagerfahrung in Australien, sondern zeigte auch, wie sich hier in Deutschland eine lokaldynamische Gefährdungsbeurteilung erstellen lässt.
Praxisübung der Höhenretter der Feuerwehr Dortmund in der Stahlhalle der DASA
Foto: Stephan Thomas
Neben den Fachvorträgen gab es auf dem Kongress auch einen Praxisteil: Nach einer theoretischen Einführung in das Thema Höhenrettung durch Hauptbrandmeister Tobias Stroth von der Feuerwehr Dortmund zeigten die Spezialisten der Höhenrettungsgruppe der Dortmunder Feuerwehr in der Stahlhalle der DASA eine Rettungsübung, die von den Zuschauerinnen und Zuschauern aufmerksam verfolgt wurde.
Austausch in der Fachausstellung
In der begleitenden Ausstellung zum Kongress konnten sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer über Systeme und Produkte zur Absturzsicherung informieren und mit Ausstellern ins Gespräch kommen
Foto: Erdal Top
Der Fachkongress für Absturzsicherheit wurde dieses Jahr erneut vom Bauverlag mit den Redaktionen dach+holzbau und THIS in Kooperation mit der BG BAU ausgerichtet. Die Ausstellung zum Fachkongress bot viele Möglichkeiten zum Austauschen und Netzwerken. In der Ausstellung präsentierten die Firmen ABS Safety, Grün GmbH, Innotech Arbeitsschutz GmbH, Wilhelm Layher GmbH & Co. KG und die Preising GmbH & Co. KG ihre Systeme und Produkte zur Absturzsicherheit und standen für Fragen bereit, ebenso wie Experten der BG BAU. Die Vorträge des diesjährigen Fachkongresses finden Sie in Kürze zum Download unter: www.kongress-absturzsicherheit.de.
Video-Rückblick zum Fachkongress für Absturzsicherheit
Einen kurzen Video-Rückblick zum Fachkongress für Absturzsicherheit im Oktober 2024 in Dortmund finden Sie auf unserem YouTube-Kanal:
AutorStephan Thomas ist Chefredakteur des Magazins dach+holzbau.