Fenster anspruchsvoll restaurieren

An einer Vielzahl historischer Gebäuden finden sich auch heute noch Originalfenster aus dem Errichtungszeitraum. Die Konstruktion und Details sind je nach Gebäude sehr vielfältig, und die Erhaltung dieser historischen Fenster ist eine Herausforderung für die Arbeit der Restauratoren und Handwerker.

Um 1900 kamen in Wohnhäusern hauptsächlich Flügelfenster und Klapp- oder Kippfenster zur Anwendung. Beim ersteren unterscheidet man nach der Anzahl der Flügel. Diese ist abhängig von der Größe der Fensteröffnung. Eine oft angewendete Art war das so genannte Kastenfenster. Dabei war das innere Fenster mit dem äußeren Fenster durch ein Zwischenfutter – den Kasten – miteinander verbunden. Das Klapp- oder Kippfenster ist meist der obere Teil eines Wohnzimmerfensters und lässt sich um seine horizontale Achse nach oben oder unten bewegen.  

Die Bestandteile des historischen Fensters 

Die beweglichen Teile wurden an einem Futterrahmen aufgehängt. Er besteht aus unteren und oberen Rahmenschenkeln sowie den seitlichen Rahmenstücken. Diese werden auch Höhenschenkel genannt. Die einzelnen Teile des Fensterfutters wurden durch Schlitzzapfen miteinander verbunden, verleimt und entsprechend profiliert. Die Befestigung des Futterrahmens erfolgte durch Steinschrauben oder Bankeisen. Bei größeren Fenstern baute man zusätzlich einen Kämpfer oder ein Losholz zwischen die seitlichen Rahmenstücke ein. Betrug die lichte Breite des Fensters mehr als 60 cm, wurde in der Mitte ein Setzholz oder Mittelpfosten eingebaut. Diese zapfte der Handwerker in den unteren und oberen Rahmen beziehungsweise den Kämpfer ein und verleimte die Bauteile miteinander.

Die Flügelfenster bestehen, je nach Teilung des Fensters, aus dem Fensterflügelrahmen, den Sprossen und der Verglasung. Der Rahmen setzt sich aus den beiden Seiten- oder Höhenschenkeln, dem Flügeloberschenkel und dem unteren Flügelrahmen zusammen. Letzterer wird auch Wasser- oder Wetterschenkel genannt und wurde oft aus Hartholz hergestellt. Er hat eine Wasserschräge und an der Unterseite eine Wassernase zur besseren Abführung des Regenwassers.

Bei nochmaliger Unterteilung der Glasfläche wurden Sprossen eingebaut. Die Sprossen sind schmale Leisten, die zumeist die gleiche Dicke wie der Fensterflügelrahmen haben und in diesen verzapft und verleimt sind.

Die Beschläge und Verschlussteile schließlich wurden sehr unterschiedlich ausgeführt. Als einfachsten Fensterverschluss baute man den so genannten gusseisernen Vorreiber an. Dieser wurde mit einer Schraube am Futterrahmen befestigt. Am Flügelholz wurde ein Streicheisen zum Schutz befestigt. Neben diesem einfachsten Verschlusssystem gab es noch weitere Schließmechanismen wie den Baskül- oder Treibriegelverschluss. Zur Verstärkung der Eckverbindungen wurden die Fensterflügel mit Winkel- oder Schieneisen versehen. Zum Aufhängen der Wohnhausfenster benutzte man so genannte Fisch-, Winkel- oder Aufsatzbänder.

  

Restaurierung Schritt für Schritt 

Die denkmalgerechte Restaurierung von historischen Fenstern erfordert ein hohes Maß an handwerklichem Können von traditionellen Techniken und ein großes Wissen über die damals verwendeten Materialien. Ziel der Restaurierung ist, möglichst viel Originalmaterial zu erhalten und nur die notwendigsten, geschädigten Teile zu erneuern.

Zu Beginn einer denkmalgerechten Restaurierung wird eine umfassende Dokumentation über den vorgefundenen Zustand der Fenster mit Fotos und Zeichnungen erstellt. Dabei werden auch die Maße, die Art der Beschläge, Profile der Rahmen sowie die verwendeten Holzarten festgehalten.

In der Werkstatt werden die einzelnen Farbanstriche Schicht für Schicht an einer Stelle des Fensterflügels entfernt. Dabei entsteht eine so genannte Farbtreppe, die für die Innen- und Außenseite angelegt wird. Im Anschluss legt ein Fachmann vom Denkmalsschutz den künftigen Farbton sowie die Farbzusammensetzung der Fensterflügel fest.

Nach dieser Abstimmung baut der Restaurator die Fensterflügel komplett auseinander. Zuerst entfernt er Beschläge und Holznägel und entnimmt dann vorsichtig die Glasscheiben aus dem Rahmen. Die Maße der verschiedenen Fensterflügel weisen zum Teil Differenzen auf. Deshalb werden die Einzelteile dokumentiert, damit die Bestandteile beim Zusammenbau wieder dem richtigen Fensterflügel zugeordnet werden können. Nun können die Farbschichten mit verschiedenen Verfahren entfernt werden. Eine sehr schonende Entfernung gelingt mit Infrarotstrahlung. Allerdings verbleiben dabei zum Teil Farbreste in den Holzvertiefungen.

 

Erneuerung geschädigter Bauteile 

Nun kann der Restaurator die Holzschäden an den Einzelbestandteilen der Fensterflügel gut erkennen und über die Art und den Umfang der Erneuerung entscheiden. Die geschädigten Holzteile werden partiell bis zum tragfähigen Bestandteil ausgesägt. Die Holzbestandteile, die ersetzt werden müssen, werden mit Altholz ergänzt, eingeleimt, wieder zusammengesetzt und verputzt. Fehlende oder defekte Glasscheiben müssen ergänzt und – bei Bleigaseinfassung – neu eingelötet werden. Dies ist oft sehr schwierig, wenn der Korrosionsprozess durch die lange Zeit, die das Blei der Witterung ausgesetzt war, weit fortgeschritten ist.

Anschließend ergänzt man eventuell fehlende Holznägel und verleimt diese. Die Holzrahmenteile werden dann mit Öl satt gestrichen und der Fensterflügel 14 Tage zum Trocknen gelagert. Nach dem Trockenprozess erhält das Holz seinen festgelegten endgültigen Anstrich. Beschläge, die nicht mehr aufgearbeitet werden können, müssen durch neugefertigte Teile ergänzt werden. Mit den geborgenen historischen Nägeln werden diese am Holzrahmen wieder befestigt.

 

Ergänzende Literatur zum Thema 

Weitere Informationen zur Restaurierung historischer Fenster finden sich in dem Fachbuch „Ausbau in Haus und Wohnung: Die Ausbauarbeiten“ von Friedrich Schrader (Reprint-Verlag-Leipzig). Diese Publikation ist online unter www.profil-buchhandlung.deerhältlich.







Autor


Dipl.-Ing. Lutz Reinboth ist Bauingenieur in Leipzig, Fachautor und freier Autor der Zeitschrift bauhandwerk.


Die denkmalgerechte Fensterrestaurierung erfordert ein hohes Maß an handwerklichem Können

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