Vom Flachdach zum Biodiversitätsdach

Dachsanierung des Clubhauses des Karlsruher Eislauf- und Tennisvereins

Über 50 Jahre hatte das Clubhausdach des Karlsruher Eislauf- und Tennisvereins e.V. seine Dienste getan. Mit der Zeit war das alte, frei bewitterte Bitumendach in die Jahre gekommen. Die rund 235 m² Dachfläche wurden saniert und erhielten eine besonders artenreiche Dachbegrünung.

Der Karlsruher Eislauf- und Tennisverein e.V. (KETV) hat eine lange Tradition. Seine Ursprünge reichen bis in das Jahr 1911 zurück. Der Verein genießt sein idyllisch gelegenes Domizil am Flüsschen Alb im Stadtpark von Karlsruhe. Dort verfügt der KETV über ein Areal mit zehn Freiluft- und zwei Hallentennisplätzen sowie dem Clubhaus-Gebäude samt gepflegter Gartenterrasse. Mit insgesamt 110 Sitzplätzen im Inneren des Restaurants und 70 Sitzplätzen auf der Terrasse ist das Clubhaus das Herzstück des sozialen Miteinanders im Verein und auch für die Öffentlichkeit zugänglich.

Biodiversitäts-Gründach sorgt für Artenreichtum

Das bereits um 1950 erbaute, einstöckige Gebäude des Clubhauses hat eine halbseitig runde Form und zieht mit seiner bodentiefen Fensterfront entlang der Rundung die Blicke auf sich. Optisch weniger attraktiv war das 235 m² große, frei bewitterte Flachdach des Clubhauses. Dafür beherbergte es auf 14 m² Dachfläche einige Solarthermie-Module, die warmes Wasser lieferten. Diese Module sollten nach der Dachsanierung wieder ihren Platz auf der begrünten Dachfläche erhalten. Das stand nach der ersten Abstimmung des KETV-Vorstands Wolfgang Senn mit dem Dachbegrünungshersteller Zinco aus Nürtingen schnell fest.

Dachbegruenung Solaranlage KETV Karlsruhe Auf einer kleinen Fläche des Daches wurde eine Solarthermieanlage aufgestellt, die bereits vor der Sanierung auf dem Dach war
Foto: Hohenschläger / Zinco

Auf einer kleinen Fläche des Daches wurde eine Solarthermieanlage aufgestellt, die bereits vor der Sanierung auf dem Dach war
Foto: Hohenschläger / Zinco

Statt einer klassischen Extensivbegrünung sollte ein Biodiversitäts-Gründach auf dem Clubhaus entstehen, um größtmöglichen Artenreichtum zu schaffen. Für die Begrünung konnte der Sportverein Zuschüsse bei der Stadt Karlsruhe und dem badischen Sportbund beantragen. Neben einer schönen Optik bietet die Dachbegrünung weitere Vorteile: eine Verlängerung der Lebensdauer des Dachaufbaus durch den Schutz der Bausubstanz, zusätzliche Wärmedämmung, Schallschutz, die Bindung von Feinstaub und Schadstoffen sowie Regenwasserrückhalt.

Nutzung des bestehenden Daches

Ein Biodiversitäts-Gründach bringt zwar etwas mehr Gewicht mit sich als andere Gründächer. Das Dach des Clubhauses war aber – das zeigte eine statische Prüfung vorab – für dieses zusätzliche Gewicht ausgelegt. Aufgrund des vorgefundenen Zustandes des Altdaches musste dieses nicht zurückgebaut werden, sondern konnte als Grundlage für den neuen Aufbau dienen. Nach dem Abbau der Solarthermie-Module erhielt das 0°-Dach als erstes eine Zusatzdämmung, um künftig Heizkosten zu sparen.

Gedämmt wurde das Bestandsdach von der Firma Bauschutz GmbH & Co KG aus Malsch mit einer PIR-Gefälledämmung. Darüber wurde eine wurzelfeste Kunststoffdachabdichtungsbahn aus flexiblen Polyolefinen (FPO/TPO, „Polyfin 3018“) mit mittiger Glasvlieseinlage verlegt. Die nachfolgende Dachbegrünung wirkt dabei wie eine zusätzliche Dämmung, das bedeutet weniger Heizbedarf im Winter und einen Kühleffekt im Sommer.

Planung und fachgerechte Ausführung

Für die Erstellung des Biodiversitätsdachs beauftragte der Karlsruher Eislauf- und Tennisverein den Garten- und Landschaftsbaubetrieb Hohenschläger aus Mühlacker. Dieser ist seit mehr als 30 Jahren Partnerbetrieb von Zinco und Spezialist für begrünte Dachlandschaften. Die Gartenbauer übernahmen nicht nur die fachgerechte Ausführung, sondern auch die gestalterische Planung des Biodiversitätsdaches inklusive der Pflanzenauswahl. Bei der Gestaltung versuchten sie, die geschwungene Form des Daches aufzugreifen.

Drän- und Wasserspeicherelemente

Im Frühjahr 2021 begann die Erstellung des Gründachs auf Basis der wurzelfesten Dachabdichtungsbahnen. Zunächst wurde die Schutz- und Speichermatte „SSM 45“ aus Polyester/Propylen verlegt. Darauf folgte das Drän- und Wasserspeicherelement „Floradrain FD 25“ als Kernstück des Systemaufbaus. In seinen oberseitigen Mulden speichert es Regenwasser, Überschusswasser führt es auf der Unterseite den Dachabläufen zu.

Draen und Wasserspeicherelemente Floradrain FD 25 Über den Kunststoffabdichtungsbahnen des Daches wurden Speicherschutzmatten verlegt, darüber die Drän- und Wasserspeicherelemente „Floradrain FD 25“ und die Solarbasisplatten „SB 200“ (im Vordergrund)
Foto: KETV Karlsruhe

Über den Kunststoffabdichtungsbahnen des Daches wurden Speicherschutzmatten verlegt, darüber die Drän- und Wasserspeicherelemente „Floradrain FD 25“ und die Solarbasisplatten „SB 200“ (im Vordergrund)
Foto: KETV Karlsruhe

Zur Abdeckung der Dränschicht folgte das „Systemfilter SF“-Vlies. Es verhindert, dass kleine Teile aus der darüber liegenden Substratschicht in das Wasserspeicherelement eindringen.

Futterpflanzen für Insekten und Vögel

Nun ging es an die Aufbringung des Substrats per Kran und die Modellierung der Dachlandschaft. Der Gestaltungsplan sah unterschiedliche Pflanzbereiche mit Substrathöhen von 10 bis 30 cm vor. Die hügeligen Bereiche des Gründachs, in denen das Substrat „Lavendelheide“ mit höherem Humus-Anteil aufgebracht wurde, lassen mehr Pflanzenvielfalt auf dem Dach zu.

Bei der Auswahl der Pflanzen für ein Biodiversitätsdach orientiert man sich grundsätzlich an ihrer Bedeutung als Futterpflanzen für Insekten und Vögel. So brachte die Firma Hohenschläger im Bereich der „Anhügelungen“, also der höheren Substratschichten, mehr als ein Dutzend verschiedene Pflanzenarten in Form von Kleinballenpflanzen aus. In flacheren Bereichen des Gründachs kam das eher mineralische Substrat „Systemerde Steinrosenflur“ in einer Schütthöhe von 10 cm zum Einsatz. Hier säte man die Samenmischung „Bienenweide“ von Zinco aus. Darin sind über 35 nektarreiche und zeitversetzt blühende Pflanzenarten enthalten. Ihre Blütezeit beginnt im März und reicht bis in den späten Herbst.

Gruendach KETV Karlsruhe Luftaufnahme Das Gründach wurde im Frühjahr 2021 auf dem Dach des Clubhauses erstellt – das Bild zeigt das Dach nach dem Anlegen, kurz vor der Wuchsperiode
Foto: Hohenschläger / Zinco

Das Gründach wurde im Frühjahr 2021 auf dem Dach des Clubhauses erstellt – das Bild zeigt das Dach nach dem Anlegen, kurz vor der Wuchsperiode
Foto: Hohenschläger / Zinco

Zur dauerhaften Etablierung der Pflanzen ist der Wasser-Lufthaushalt entscheidend, den die Funktionsschichten des Zinco-Systemaufbaus unterstützen. Für die gewählte Bepflanzung ist der natürliche Niederschlag ausreichend und keine Zusatzbewässerung nötig. Da das Frühjahr bereits sehr viel Regen mit sich brachte, war für genügend Wasser in der Anwachsphase gesorgt.

Nistplätze und Rückzugsbereiche

Eine breite Palette an Biodiversitäts-Modulen ergänzt die Dachbepflanzung, damit Insekten, Schmetterlinge und Vögel nicht nur Futter auf dem Dach finden, sondern auch artgerechte Nistplätze und Rückzugsbereiche. Daher wurden laut Gestaltungsplan mehrere vegetationsfreie Flächen mit Sandlinsen, Grobkiesbeeten, Steinanhäufungen und Totholz realisiert.

Totholz wird von Moosen, Flechten, Pilzen, Käfern und anderen Insekten als Lebensraum genutzt Totholz wird auf dem Gründach von Moosen, Flechten, Pilzen, Käfern und anderen Insekten als Lebensraum genutzt und daher auch als „Biotop-Holz“ bezeichnet
Foto: Hohenschläger / Zinco

Totholz wird auf dem Gründach von Moosen, Flechten, Pilzen, Käfern und anderen Insekten als Lebensraum genutzt und daher auch als „Biotop-Holz“ bezeichnet
Foto: Hohenschläger / Zinco
Abgestorbene Äste werden von Moosen, Flechten, Pilzen, Käfern und anderen Insekten als Lebensraum genutzt. Zu einem Biodiversitätsdach gehören zudem kleine Wasserflächen, die als Vogel- und Insektentränken dienen. Zu guter Letzt sind zwei Insektenhotels als Nisthilfen installiert.

Auflastgehaltene Absturzsicherung

In den neuen Gründachachaufbau ließen sich bautechnisch gut die Absturzsicherung und die vormalige Solarthermieanlage integrieren. Zur Absturzsicherung wurden fünf „Fallnet SR“-Elemente mit festem Einzelanschlagpunkt auf dem Dach verteilt. Diese zusammensteckbaren Rasterelemente aus Kunststoff werden auf der Dränschicht positioniert und später von der Substratauflast lagesicher gehalten.Sichtbar davon sind heute nur noch die Anschlagpunkte aus Edelstahl, an denen sich später der Dachgärtner oder Dachdecker mit seiner persönlichen Schutzausrüstung gegen Absturz (PSAgA) anschlagen kann.

8_Fallnet_SR_Grundplatte_20210224_120841_.jpg Die Anschlageinrichtungen „Fallnet SR“ werden später ebenfalls von der Substratauflast gehalten
Foto: Hohenschläger / Zinco

Die Anschlageinrichtungen „Fallnet SR“ werden später ebenfalls von der Substratauflast gehalten
Foto: Hohenschläger / Zinco
Die Mitarbeiter der Hohenschläger GmbH nutzen die Anschlagpunkte beispielsweise, wenn sie Begehungen des Gründachs durchführen. Der Garten- und Landschaftsbaubetrieb hat einen Pflegeauftrag für das Biodiversitäts-Gründach des Clubhauses erhalten. Dadurch führen die Dachgärtner zwei bis drei Pflegegänge pro Jahr auf dem Dach aus, dabei wird unter anderem unerwünschter Bewuchs entfernt. Für den Zugang zum Dach für Wartungs- und Pflegearbeiten werden Leitern genutzt.

Solarbasisplatten_SB200 Solargrundrahmen SGR 20210224_163613_.jpg Die Solarbasisplatten werden mit den Solargrundrahmen „SGR“ bestückt. Die Basisplatten werden später von der Substratauflast an Ort und Stelle gehalten

Foto: Hohenschläger / Zinco

Die Solarbasisplatten werden mit den Solargrundrahmen „SGR“ bestückt. Die Basisplatten werden später von der Substratauflast an Ort und Stelle gehalten
Foto: Hohenschläger / Zinco
Ebenfalls nach dem Auflastprinzip sind die Aufständerungen für die Solaranlage verankert. Auf einer Fläche von 14 m² kamen sieben Solarbasisplatten „SB 200“ zum Einsatz. Auf jeder Platte wurde vor Ort ein Solargrundrahmen „SGR“ verschraubt. Diese Grundrahmen sind untereinander mit Windverbänden stabilisiert und tragen die Solarthermie-Module. Diese auflastgehaltene Bauweise erübrigt Dachdurchdringungen.

Kleines Gruendach mit Insektenhotel und Totholz Auf der Mülltonnnen-Garage des Vereins entstand ebenfalls ein kleines Biodiversitätsgründach mit Insektenhotel und Totholz
Foto: Hohenschläger / Zinco

Auf der Mülltonnnen-Garage des Vereins entstand ebenfalls ein kleines Biodiversitätsgründach mit Insektenhotel und Totholz
Foto: Hohenschläger / Zinco
Neben dem Gründach auf dem Clubhausgebäude hat der KETV noch ein zweites Biodiversitätsdach vorzuweisen: Das nur 14 m² große Dach einer Müllhäuschen-Garage wurde ebenfalls begrünt. Auch auf dieser Kleindachfläche finden sich Substrat, eine artenreiche Bepflanzung nebst Totholz und ein Insektenhotel. Das Projekt in Karlsruhe beweist, dass in Sachen Biodiversität jeder Quadratmeter Dachbegrünung zählt.

Autorin

Dipl.-Wirt.-Ing. (FH) Sandra Schöll arbeitet in der Presseabteilung der Zinco GmbH in Nürtingen.

Was sind Biodiversitätsmodule?

Um die Artenvielfalt auf Gründächern zu steigern, werden Biodiversitätsmodule eingesetzt. Dazu gehören unter anderem Substratanhäufungen, Totholz, Sandlinsen und Kiesbeete als Mikrohabitate, Steinanhäufungen als Rückzugsbereiche, Insektenhotels und Wasserflächen als Vogel- und Insektentränken.

Bautafel (Auswahl)

 

Projekt Biodiversitäts-Gründach für das Clubhaus des Karlsruher Eislauf- und Tennisvereins e.V. (KETV)

Dachfläche etwa 235 m²

Dämmung und Dachabdichtung Firma Bauschutz GmbH & Co KG, Malsch, Landkreis Karlsruhe, https://bauschutz.de

Dachbegrünung (Planung und Ausführung) Hohenschläger GmbH, Garten- und Landschaftsbau, Mühlacker, www.hohenschlaeger.de

Begrünungsaufbau Biodiversitäts-Gründach mit „Floradrain FD 25“-Drän- und Wassserspeicherelementen, Zinco GmbH, Nürtingen, www.zinco.de

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