Unikat erhält neues Tragwerk

Austausch des Fichte-Brettschichtholz-Tragwerks des Haus Mayer-Kuckuk in Bad Honnef

Das Haus Mayer-Kuckuk ist ein ungewöhnlicher Wohnbau aus den 1960er Jahren. Die Witterung hatte dem ungeschützten Holztragwerk des Hauses über die Jahre zugesetzt – Balken und Stützen  mussten komplett ausgetauscht werden. Dabei musste man sorgfältig vorgehen, um die Tragfähigkeit nicht zu gefährden.

Das Haus Mayer-Kuckuk ist ein eigenwilliges Gebäude, das 1967 nach dem Entwurf des Architekten Wolfgang Döring in nur sechs Tagen auf einem Grundstück in Bad Honnef errichtet wurde. Bemerkenswert sind nicht nur das ungewöhnliche Äußere und die beispiellos kurze Bauzeit, in der die vorfabrizierten Elemente montiert wurden, sondern auch die geringen Baukosten in Höhe von 80 000 DM. Der nach seinem Bauherrn, dem Atomphysiker Theo Mayer-Kuckuk, benannte Bau stellt einen Prototyp dar und sollte eigentlich in Serienfertigung produziert werden, wozu es aber nie gekommen ist. Prof. Döring erinnert sich: „Wir hatten mehr als 200 Anfragen zur weiteren Produktion des Hauses. Leider führte keine zur Fabrikation.“

Industrieller Fachwerkbau auf dünnen Stahlstiften

Haus Mayer-Kuckuk blieb ein viel beachtetes Unikat. Als bedeutendes Beispiel für innovativen Wohnbau im 20. Jahrhundert gehörte es zu den am meisten dokumentierten Bauobjekten der Nachkriegsgeschichte. Unzählige Architekturstudenten pilgerten nach Bad Honnef, um das Gebäude zu besichtigen.

Die Idee: ein kostengünstiges Haus, in wenigen Wochen liefer- und aufbaubar und durch Module jederzeit erweiterbar. Das Besondere: seine Konstruktion. Das skulptural ausgebildete tragende Fichte-Brettschichtholz-Skelett demonstriert den Stand der Technik und der Gestaltung in der Architektur der 1960er-Jahre: Material plus Konstruktion liefern die Form. Die außen ablesbare Tragstruktur, ausgesteift mit sechseckigen Holzscheiben in der Querrichtung und Stahlverstrebungen in der Längsrichtung, gliedert das Gebäude auf augenfällige Art und Weise. In das Holzfachwerk eingehängt sind Platten, außen mit Faserzement-, innen mit Spanplatten verkleidet und mit Glaswolle gefüllt. Das Haus – eigentlich eine einfache zweigeschossige Box – ruht auf dünnen Stahlstiften, mit denen die Leimholzbalken im Betonfundament verankert sind.

Holztragwerk beschädigt und zerstört

Um seinen Fortbestand zu schützen, wurde Haus Mayer-Kuckuk im Jahr 2007 wegen der Einmaligkeit seiner Erscheinung und Konstruktionsweise in die Denkmalliste der Stadt Bad Honnef aufgenommen.

2008 erfolgten aufgrund erster Fäulnisschäden Untersuchungen des Bestandes und die Beantragung von Fördermitteln der Denkmalpflege. 2011 wurde die systematische Kartierung der sichtbaren Schäden veranlasst. Die Eigentümer suchten und fanden Hilfe beim Rheinischen Amt für Denkmalpflege und bei der Deutschen Stiftung Denkmalschutz. Viele Experten zerbrachen sich den Kopf darüber, wie eine Sanierung aussehen könnte, die das außenliegende Holz vor der Staunässe verschont, die dem Tragwerk zugesetzt hatte.

Im Jahr 2014 wurde der Architekt Christian Welter aus Siegen mit der Sanierung des Haus Mayer-Kuckuk beauftragt. Das Problem war die ursprüngliche Tragwerkskonstruktion mit ihren zuerst frei bewitterten und dann fehlerhaft dampf- und luftdicht verkleideten Kontaktflächen des Tragwerks mit den Aussteifungsplatten. Nach heutigem Kenntnisstand darf eine Brettschichtholz-Trägerkonstruktion nicht direkt der Bewitterung ausgesetzt sein. In enger Abstimmung mit dem Denkmalschutz kam es zur Abwägung unterschiedlicher Konstruktionen für den Ersatz der durch Pilzbefall beschädigten oder teilweise zerstörten Träger.

Tragwerk komplett ausgetauscht

Die Suche nach Sanierungsmöglichkeiten führte von der Ertüchtigung des außenliegenden Tragwerks zu dem Plan, das komplette Tragwerk des vorhandenen Gebäudes auszutauschen. Die hierfür zur Auswahl stehenden Alternativen zur heimischen Fichte – Kiefer, Lärche, Eiche, Accoya – waren aus finanziellen Gründen nicht realisierbar. Man entschied sich, das ursprüngliche Material der Tragkonstruktion Fichte-Brettschichtholz zu verwenden, allerdings mit dem höchstmöglichen lieferbaren Raumgewicht, und es mit dem mineralischen Anstrichsystem Keim „Lignosil“ zum Wetterschutz von Holz zu behandeln.

Witterungsschutz durch Anstrich

Ein Anstrich mit „Lignosil“ bildet keinen Film, sondern verbindet sich dauerhaft mit dem Untergrund, bietet Feuchteschutz, Witterungsbeständigkeit und ist UV-stabil und lichtecht, auch bei dunklen Farbtönen. Mit diesen Eigenschaften unterscheidet sich „Lignosil“ von auf Kunststoffen basierenden Holzschutz-Systemen. Mit ihrer filmbildenden und nicht dauerhaft UV-beständigen Schicht verlieren diese Beschichtungssysteme durch die Witterung ihre ursprünglichen Eigenschaften und müssen in kürzeren Abständen nachgearbeitet werden. Dadurch bauen sie mit der Zeit eine Schicht auf, die im Holz anstehende Feuchte immer schlechter abführen kann.

Baulicher Holzschutz

Zusätzlich zum diffusionsoffenen Holzschutz sollten die komplexen Knoten gegen Feuchtigkeit geschützt werden. Dazu wurden die Knotenplatten einseitig mit einer hinterlüfteten Zinkblechverwahrung ergänzt, die mit den Abdeckungen der Doppelzangen verbunden ist. Diese Abdeckungen wurden etagenweise mit Zinkblechprofilen versehen, die die Stützen ringförmig einfassen und vom Holz dauerelastisch getrennt sind. Dadurch ist der obere Anschluss der Knotenplatten geschützt und der Wasserfluss bei Niederschlag geschossweise unterbrochen und somit minimiert.

Um die Gestaltung auch aus der Sicht des Denkmalschutzes abzurunden, wurden die Zinkblechverwahrungen mit Keim „Soldalit“ gestrichen. Die gereinigten Fassadentafeln aus Asbestzementfasern behandelte man mit Keim „Algicid-Plus“ bevor sie mit der silikatischen Spezialbeschichtung Keim „Teknosil“ konservatorisch sicher beschichtet wurden. „Wir gehen davon aus, dass wir durch die Kombination der beschriebenen Maßnahmen eine Rekonstruktion geschaffen haben bei der wir nachhaltige Lösungen herausgearbeitet haben. Zur Sicherheit erfolgen regelmäßige Kontrollmessungen der Holzfeuchte“, erklärt Architekt Christian Welter.

Wände von Trägern getrennt

Die Sanierung war eine enorme Herausforderung für alle Beteiligten: Aufgrund der Verbindung von tragendem Skelettbau und raumbildendem Ausbau mussten beim Tausch des Ständerwerks die meisten Wände von den Trägern getrennt werden. So dauerte allein die Wiederherstellung des Innenraumes fünf Monate. „Anfangs wurde die Sanierungszeit auf drei Monate geschätzt, daraus geworden sind zehn Monate“, so die Eigentümer Andrea Köhler und Hartmut Witte. „Außerdem mussten wir unser Haus in dieser Zeit verlassen und bei Freunden wohnen. Aber dieses Bauwerk gibt es genau einmal auf der Welt. Und wir wollten es unbedingt im Original erhalten.“

Preis für Denkmalpflege

So viel Idealismus musste belohnt werden: Im Dezember 2016 wurde das Projekt mit dem Rheinisch-Westfälischen Preis für Denkmalpflege ausgezeichnet. Verliehen wird die Auszeichnung für die vorbildliche Sanierung eines Denkmals pünktlich zum 50. Geburtstag von Haus Mayer-Kuckuk im März 2017. „Es ist toll, dass sich Privatleute so vorbildlich für ihr Denkmal einsetzen. Diesen freiwilligen, zeit- und kraftaufwendigen Einsatz würdigen und fördern wir mit dem Staatspreis“, sagte Minister Michael Groschek anlässlich der Bekanntgabe der Preisträger.

Autorin

Dipl.-Ing. Susanne Mandl hat Architektur und Design studiert und arbeitet seit 1998 als freischaffende Fachjournalistin und Designerin.

Bautafel (Auswahl)

 

Architekt Wolfgang Döring (1967), Döring Dahmen Joeressen Architekten (heute), 40549 Düsseldorf, www.ddj.de

Architekt Sanierung: Christian Welter, projektplus gmbh, 57072 Siegen, www.projektplus.de

Fachliche Beratung und Unterstützung: LVR Rheinisches Amt für Denkmalpflege, Dr. Gundula Lang, www.denkmalpflege.lvr.de; Bezirksregierung Köln, Amt für Denkmalpflege, B. Naraghi, www.bezreg-koeln.nrw.de; Bauamt der Stadt Bad Honnef, Untere Denkmalbehörde, R. Hillen, www.bad-honnef.de; Deutsche Stiftung Denkmalschutz, H. Linge, www.denkmalschutz.de

Statik: Manfred Otterbach, 57572 Niederfischbach

Gutachter Holz: Bürogemeinschaft Sachverständigenbüro für Holzschutz Hans Joachim Rüpke, 30455 Hannover, www.holzfragen.de

Zimmerei: Rolf Kray Zimmerei, 57548 Kirchen (Sieg)

Malerarbeiten/Trockenbau: Malec Innenausbau, 53572 Unkel, www.malec-innenausbau.de

Klempnerarbeiten Heiner Loos, 57258 Freudenberg, www.heiner-loos.de

Holz- und Außenanstrich Keimfarben, 86420 Diedorf, www.keim.com

x

Thematisch passende Artikel:

Ausgabe 04/2021

Wildbrücke aus Holz

Grünbrücke bei Thyrow mit Holztragwerk aus Brettschichtholzbindern und Brettsperrholzplatten

70 Standjahre werden Brücken aus Betonschalen grundsätzlich zugebilligt, Holzbrücken lediglich 60. So muss eine Holzbrücke im wirtschaftlichen Vergleich entweder einen Baukostenvorteil oder eine...

mehr
Ausgabe 01/2018

Neuer Sensor misst Holzfeuchte

Ein zu hoher Feuchtegehalt verursacht in tragenden Holzbauteilen Schäden. Das Fraunhofer-Institut für Bauphysik und die Hochschule Rosenheim haben daher ein Messsystem entwickelt, das die Feuchte in...

mehr
Ausgabe 04/2019

Brettsperrholz-Produktionshalle mit Holztragwerk

Derix-Gruppe erweitert Produktion in Westerkappeln um ein neues Werk für "X-Lam"
 Produktionshalle f?r Brettsperrholzbauteile der Derix-Gruppe.jpg

Die Derix-Gruppe hat ihren Standort im münsterländischen Westerkappeln um eine Halle für die Produktion von Bauteilen aus Brettsperrholz („X-Lam“) erweitert. Mit dem Bau der neuen Halle reagiert...

mehr
Ausgabe 03/2013

DIN 68 800: Trockenes Holz statt ­Chemie

In der aktualisierten Normenreihe DIN 68?800 sind viele Konstruktionszeichnungen enthalten, die es zum Beispiel erlauben selbst eine Holzschwelle in der Gebrauchsklasse(GK)?0 einzuordnen. Auch in...

mehr
Ausgabe 01/2014

Baulichen Holzschutz bevorzugen

Der chemische Holzschutz steht zunehmend in der Kritik und wird normenrechtlich immer weiter eingeschränkt. Bei Dach- und Konterlattungen werden nach wie vor chemisch behandelte Hölzer verwendet –...

mehr