Mehrfamilienhaus in Massivholzbauweise

Neubauprojekt in Thüringen: Witterungsschutz in der Bauphase und Bahnen mit Feuchtesensorik für die spätere Nutzung

Bei einem Neubauprojekt in Thüringen in Holzbauweise spielt der Schutz des Holzes vor der Witterung und Feuchteschäden in der Bau- und Nutzungsphase eine große Rolle. Eingesetzt werden Witterungsschutzbahnen sowie ein neues Feuchtesensoriksystem, das frühzeitig vor Wasserschäden warnt.

In Ilmenau (Thüringen) errichtet die örtliche Wohnungsbaugesellschaft IWG derzeit ein viergeschossiges Mehrparteienhaus in Holzbauweise, das nach seiner Fertigstellung Platz für 29 Wohneinheiten bieten soll. In der frühen Planungsphase wurde noch ein Betonbau diskutiert, doch die IWG entschied sich bewusst für die Holzbauweise – aus Nachhaltigkeitsgründen sowie aufgrund der positiven Effekte dieser Bauweise auf die Behaglichkeit und das Wohnraumklima in Innenräumen. Als Pilotvorhaben für den Bau eines CO2-neutralen Mehrfamilienhauses wird das Projekt durch das Land Thüringen gefördert. Dadurch können Mietpreise von etwa 10 bis 12 €/m² realisiert werden, was bezahlbaren Wohnraum ermöglichen soll.

Der Neubau in Ilmenau wird durch das Land Thüringen gefördert. Dadurch können Mietpreise von etwa 10 bis 12 €/m² realisiert werden, was bezahlbaren Wohnraum ermöglicht
Abb.: IWG Ilmenau

Der Neubau in Ilmenau wird durch das Land Thüringen gefördert. Dadurch können Mietpreise von etwa 10 bis 12 €/m² realisiert werden, was bezahlbaren Wohnraum ermöglicht
Abb.: IWG Ilmenau

Mit dem Neubauprojekt in Ilmenau errichtet die IWG nach eigenen Angaben das erste Mehrfamilienhaus Thüringens mit vier Geschossen in Massivholzbauweise. Die Wände werden als „Massivholzmauern“ in 30 cm Dicke erstellt, die Decken und aussteifenden Elemente des Gebäudes aus Brettsperrholz gefertigt. Durch das große Volumen und die Geschosszahl des Neubaus ergeben sich jedoch relativ lange Bauzeiten über mehrere Monate, in denen die Holzbauteile der Witterung und Regenschauern ausgesetzt sind.

Mögliche Schäden durch Feuchtigkeit

Exemplarische_Abbildung_Wasserschaden.jpg Wasserflecken auf Sichtholzoberflächen hinterlassen nach dem Trocknen oft unschöne Verfärbungen, die nur mit viel Aufwand entfernt werden können (exemplarische Abbildung eines anderen Bauprojekts)
Foto: Pro Clima

Wasserflecken auf Sichtholzoberflächen hinterlassen nach dem Trocknen oft unschöne Verfärbungen, die nur mit viel Aufwand entfernt werden können (exemplarische Abbildung eines anderen Bauprojekts)
Foto: Pro Clima
Werden die Wand- und Deckenelemente aus Holz in der Bauphase ungeschützt der Witterung ausgesetzt und nehmen Feuchtigkeit auf, kann das verschiedene Probleme verursachen: So hinterlassen Wasserflecken auf Sichtholzoberflächen nach dem Trocknen oft unschöne Verfärbungen, die nur mit ­großem Aufwand entfernt werden können. Zusätzlich quellen Holz und Holzwerkstoffe durch Feuchtigkeit auf, wodurch Spannungen, Verformungen, Risse oder sogar Beschädigungen angrenzender Bauteile entstehen können.

Ein Rechenbeispiel verdeutlicht das: Bei Brettsperrholzplatten beträgt das Quell- und Schwindmaß in Plattenebene etwa 0,02 Prozent je Prozent der Holzfeuchteänderung. Eine Feuchtezunahme von 10 Prozent führt bei einer 10 m langen BSP-Platte beispielsweise zu einer Längenänderung von rund 2 cm. Dieser Wert kann sich durch benachbarte Platten noch steigern. In der Praxis kam es bereits vor, dass feucht gewordene Brettsperrholzplatten gegen Fahrstuhlschächte drückten und diese zu verschieben drohten. Zudem bildet ein zu hoher Holzfeuchtegehalt eine ideale Grundlage für Schimmel und holzzerstörende Pilze, welche die Gesundheit beeinträchtigen oder die Tragfähigkeit des Materials stark reduzieren können.

Regelwerke fordern frühzeitigen und ­systematischen Holzschutz

Regelwerke wie die DIN 68800-2 („Holzschutz, Teil 2: Vorbeugende bauliche Maßnahmen im Hochbau“) fordern, dass durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen ist, dass sich der Feuchtegehalt von Holz und Holzwerkstoffen nicht unzuträglich verändert. Während der Bauphase müssen Holzwerkstoffe vor Niederschlägen geschützt werden. Solche grundsätzlichen baulichen Maßnahmen sind bereits in der Planung und Ausschreibung zu berücksichtigen. Ein effektiver Schutz darf nicht erst während der Bauausführung entstehen – ein Witterungsschutzkonzept ist daher unerlässlich.

Forschungsinitiative und Merkblatt zum ­Feuchtemanagement

Das durch den Bund geförderte Forschungsprojekt „Holz-QS“ entwickelt Schutzkonzepte und Monitoringsysteme zum Schutz der Holzkonstruktion vor unzuträglicher Feuchte während der Fertigungs-, Bau- und Nutzungsphase. In diesem Rahmen wurde auch das technische Merkblatt „Feuchtemanagement: Witterungsschutz in der Bauphase“ des Informationsdiensts Holz im August 2024 veröffentlicht. Die frei verfügbare Publikation beschreibt mögliche Inhalte eines Witterungsschutzkonzepts sowie verschiedene Schutzmaßnahmen inklusive deren Vor- und Nachteilen (siehe unter www.informationsdienst-holz.de/publikationen). Dabei wird zwischen Bauwerksschutz (durch zusätzliche Schutzdächer) und Bauteilschutz durch Schutzschichten und konstruktive Maßnahmen unterschieden. Der Einsatz von Planen wird insbesondere bei großen Baustellen nicht empfohlen, da die Windsogsicherung problematisch und die Schutzwirkung oft unzureichend ist, da die Planen von Wasser unterlaufen werden können.

Selbstklebende Witterungsschutzbahnen

Selbstklebende und transparente Witterungsschutzbahnen schützen die Holzdecken in der Bauphase vor Feuchtigkeit
Foto: Pro Clima

Selbstklebende und transparente Witterungsschutzbahnen schützen die Holzdecken in der Bauphase vor Feuchtigkeit
Foto: Pro Clima
Schutzdächer bieten den bestmöglichen Witterungsschutz, sind jedoch kostenintensiv. Eine Alternative sind vollflächig selbstklebende Witterungsschutzbahnen. Durch deren großflächige Verklebung wird ein Unterlaufen der Bahnen durch Wasser verhindert und  die Windsogsicherung gewährleistet. Selbstklebende Witterungsschutzbahnen gelten als robuster und rutschhemmender als einfache Planen, was auch die Arbeitssicherheit erhöht. Bei dem Neubauprojekt in Ilmenau brachte das Holzbauunternehmen Herrmann Massivholzhaus GmbH eine transparente, selbstklebende Witterungsschutzbahn von Pro Clima auf den CLT-Deckenelementen auf. Durch die Transparenz der Bahnen bleiben Markierungen und Verbindungsmittel weiterhin sichtbar. Anschlüsse an aufgehende oder durchdringende Bauteile wurden fachgerecht ausgeführt und Ablaufmöglichkeiten für Wasser eingeplant. Auf diese Weise konnte der Witterungsschutz während der Bauphase sichergestellt werden.

Wasserschäden als Risikofaktor in der Nutzungsphase

Die Wohnungsbaugesellschaft IWG beschreitet mit dem Projekt in Ilmenau nicht nur im Holzbau in Thüringen neue Wege, sondern auch, was den Schutz des Gebäudes während der Nutzungsphase angeht. Leitungswasserschäden stellen eine der größten Schadensquellen im Gebäudebestand dar. Laut dem Gesamtverband der Versicherer belief sich der Schadensaufwand für solche Schäden im Jahr 2024 auf knapp 5 Mrd. Euro – damit gelten sie mit rund 56 ­Prozent als der ­schwerwiegendste Schadenstyp. In den vergangenen zehn Jahren hat sich die Schadenssumme für diese Kategorie mehr als verdoppelt.

Neues System zur frühzeitigen Schadenserkennung

Um Risiken zu minimieren und Schäden bereits in einem frühen Stadium zu erkennen, wurde bei dem Projekt in Ilmenau ein neues Feuchtesensorik-System von Pro Clima in allen Feuchträumen (Bäder, Küchen, Hausanschlussräume) installiert. Es handelt sich dabei um Witterungsschutzbahnen, die durch eine Feuchtesensorik ergänzt werden. In regelmäßigen Abständen sind dazu elektrisch leitfähige Streifen auf den Bahnen aufgebracht. Große Flächen lassen sich mit diesen Bahnen schnell und einfach abdecken. Kleine oder schwer zugängliche Sensorik-Flächen können mit separaten Leiterstreifen auf Klebeband versehen werden.

Die Schutzbahnen „Solitex Adhero Sensis“ mit streifenförmiger Feuchtesensorik bieten Sicherheit vor Leitungswasserschäden während der Nutzungsphase
Foto: Pro Clima

Die Schutzbahnen „Solitex Adhero Sensis“ mit streifenförmiger Feuchtesensorik bieten Sicherheit vor Leitungswasserschäden während der Nutzungsphase
Foto: Pro Clima

Bei Wasserschäden wird Alarm ausgelöst

Durch eine alternierende (abwechselnde) Verschaltung der Leiterstreifen mit dazu quer verlaufenden Leitungen entstehen zwei halbe Stromkreise mit sehr hohem Widerstand. Bei einer Havarie – beispielsweise verursacht durch einen Rohrbruch oder eine überlaufende Waschmaschine – schließt das Wasser den Stromkreis, der Widerstand sinkt und die Messeinrichtung löst Alarm aus. Während ein Alarm auch direkt in der Nutzungseinheit möglich wäre, entschied man sich in Ilmenau für eine zentrale Erfassung im Hauskontrollraum. So erhält die Wohnungsgesellschaft IWG nutzerunabhängig eine Meldung und kann sofort reagieren.

So funktioniert das Feuchtesensorik-System: Elektrisch leitfähige Streifen ergeben zwei halbe Stromkreise, eindringendes Wasser schließt den Kontakt, die Messeinrichtung schlägt Alarm
Quelle: Pro Clima

So funktioniert das Feuchtesensorik-System: Elektrisch leitfähige Streifen ergeben zwei halbe Stromkreise, eindringendes Wasser schließt den Kontakt, die Messeinrichtung schlägt Alarm
Quelle: Pro Clima

Zu den Vorteilen des Systems zählen eine einfache Montage sowie die Möglichkeit einer engmaschigen Überwachung großer Flächen. Der Hersteller Pro Clima unterstützte bei der Planung, Festlegung der Verlegerichtung und Positionierung der Anschlüsse des Systems auf der Baustelle. Zudem erfolgte eine ­ausführliche Einweisung der Handwerker vor Ort. Nach der gemeinsamen Installation des Systems in einem Raum konnten die Handwerker die restlichen Räume eigenständig mit dem Feuchtesensorik-System ausstatten.

Fazit

Bei der Errichtung des ersten Mehrfamilienhauses in Thüringen in Massivholzbauweise wurde der Holzschutz von der Wohnungsbaugesellschaft IWG von Beginn an in die Planung integriert. Selbstklebende Witterungsschutzbahnen sorgen für einen wirtschaftlichen Schutz der Holzbauteile während der Bauphase. Durch den Einsatz von Schutzbahnen mit zusätzlicher Feuchtesensorik in den Innenräumen wird zudem die Sicherheit vor Leitungswasserschäden während der Nutzungsphase sichergestellt – zum Vorteil der Eigentümerin und der künftigen Mieter des Gebäudes.

Autor

Dipl.-Ing. (FH) Stefan Hückstädt ist Sachverständiger für hygrothermische Bauphysik, Zimmerer und Teil des Technikerteams von Pro Clima in Schwetzingen.

Bautafel (Auswahl)

Projekt „Wohnen am Königsgarten“ in Ilmenau, Neubau mit vier Geschossen in Holzbauweise

Gesamtwohnfläche etwa 2700 m²

Bauweise Massivholzbau mit Wänden aus „Massivholz-Mauern“ (30 cm Dicke), Decken und aussteifende Elemente aus Brettsperrholz

Verbautes Holz 1360 m³, regional aus dem Illmenauer Stadtwald

Bauherr IWG - Ilmenauer Wohnungs- und Gebäudegesellschaft mbH, www.iwg-ilmenau.de

Architektur Erfurt und Partner GmbH - Architekten und Ingenieurgruppe, Erfurt, www.erfurt-partner.de

Holzbau Herrmann Massivholzhaus GmbH, Geisa, www.herrmann-massivholzhaus.de

Witterungsschutz und Feuchtesensorik pro clima, Schwetzingen, https://de.proclima.com

Bauzeit April 2024 bis voraussichtlich Herbst 2026

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