Kommunale Wohnanlage in Holzbauweise

Sechs Wohnhäuser mit insgesamt 88 Wohneinheiten reihen sich in Utting auf dem ehemaligen Schmucker-Gelände aneinander. Die Siedlung ist eines der größten kommunalen Holzbauprojekte in Bayern. Gebaut wurden die Häuser in Holzständer- und Massivholzbauweise mit hohem Vorfertigungsgrad.

Aus der Vogelperspektive betrachtet, wirkt die kommunale Wohnanlage auf dem ehemaligen Schmucker-Areal in Utting am Ammersee wie eine Perlenkette von Ost nach West aufgereihter Gebäude. Eine Gliederung der Einzelhäuser in sechs Gruppen, zwischen denen Freiflächen Durchblicke ermöglichen, sowie eine Dachlandschaft aus unterschiedlich ausgerichteten Pultdächern lockern die Struktur auf.

Die Tiefgarageneinfahrt und die Ausfahrt für alle Bewohner befinden sich an der Landsberger und der Schondorfer Straße. Die Besucherparkplätze sind am Rand des Geländes angeordnet, sodass das eigentliche Grundstück, bis auf vier Parkplätze für den Gemeinschaftsbereich, völlig autofrei ist. Stattdessen lädt das Areal zum Spazierengehen oder Radfahren entlang der Häuser ein.

Gemeinde schafft Wohnraum für Bürger

Die Gemeinde Utting hat mit ihrem Kommunalunternehmen den Neubau der sechs Häuser als geförderten Wohnungsbau realisiert. Der 5000-Einwohner-Ort hatte den Grund vor einigen Jahren erworben, um dort bezahlbaren Wohnraum für mittlere und niedrige Einkommen zu schaffen. Bei der Vergabe nach einem Punktesystem sollten insbesondere Personen berücksichtigt werden, die bereits in Utting wohnen oder arbeiten, so dass eine gemischte Mieterschaft angesprochen wurde. „Ziel war es, Uttinger Bürgern Wohnraum zur Verfügung zu stellen, die sonst aufgrund der stark gestiegenen Mieten weggezogen wären. Das betrifft beispielsweise Erzieher und Erzieherinnen, junge Familien oder Alleinstehende“, erklärt Thomas Behrendt, technischer Vorstand des Kommunalunternehmens Utting am Ammersee AöR. Der auf dieser Basis ausgelobte Architektenwettbewerb im Jahr 2017 wurde darauf ausgelegt, das Bauvorhaben sowohl in Massiv- als auch in Holzbauweise realisieren zu können. Als Gewinner des Wettbewerbs gingen WWA Architekten aus München hervor. Diverse Fördergelder machten es möglich, den Siegerentwurf zusammen mit der Zimmerei Höfle in der um rund zehn Prozent teureren Holzbauweise zu realisieren.

Nutzungskonzept

Die gesamte Siedlung umfasst 88 Wohneinheiten, die sich auf sechs Mehrfamilienhäuser der Gebäudeklasse 3 verteilen. Es gibt Apartments mit rund 35 m² Wohnfläche, Zwei-Zimmer-Wohnungen mit rund 45 bis 60 m² und Drei-Zimmer-Wohnungen mit 70 bis 80 m² Wohnfläche. Auch Vier-Zimmer-Wohnungen mit 90 bis 100 m² Wohnfläche und Fünf-Zimmer-Wohnungen mit rund 110 m² Wohnfläche finden sich in der Anlage. Die größeren Wohnungen sind im Erdgeschoss, die kleineren in den Obergeschossen untergebracht. Zwei der Wohneinheiten sind rollstuhlgerecht. Für die Vereine des Ortes und die Bewohner wurde ein Gemeinschaftsraum mit Küche eingebaut.

„Wir haben die zwei- und dreigeschossigen Häuser versetzt angeordnet und so optisch als Einzelbaukörper gestaltet“, sagt Architekt Gerold Heugenhauser von WWA Architekten. Zwischen die Baukörper geschobene Treppenhäuser ermöglichten es, die meisten Wohnungen als von Norden nach Süden durchgesteckte Einheiten zu konzipieren und jeweils von zwei Seiten zu belichten. Die seitlich gelegenen Wohnungen im Erdgeschoss sind sogar dreiseitig belichtet. Alle Häuser erhielten Pultdächer, die in unterschiedliche Richtungen geneigt sind.

Zeit, Material und Kosten gespart

Die sechs Wohnhäuser wurden in Holzbauweise errichtet. Nur die Tiefgarage, die Treppenhäuser und Aufzugsschächte der Wohnhäuser wurden aus Stahlbeton gebaut. Während der Bauarbeiten liefen die Beton- und Holzbauarbeiten parallel neben- und miteinander ab. Die Zimmerer fertigten zudem just in time. Während die Produktion der nächsten Bauteile noch lief, wurden die fertigen Elemente schon auf der Baustelle montiert. Dabei nutzte die Zimmerei Höfle ihren Fuhrpark mit Wechselbrücken, um das Material nach der Produktion sofort auf die Baustelle zu liefern und dort zu montieren. „Da die Baustelle sehr eng war, konnten wir vor Ort nichts lagern, alles musste sofort verarbeitet werden“, sagt Holger Höfle, Inhaber und Geschäftsführer der Zimmerei Höfle.

Einen großen Zeitvorteil brachte die werkseitige Vorfertigung der Holzwände mit sich. Die Tragkonstruktion der Außenwände wurde aus einem 24 cm KVH-Duo-Ständerwerk in Kombination mit einer Zellulosedämmung ausgeführt. Holzweichfaserplatten in 60 mm Dicke dienen als weitere Dämmschicht auf der Wandaußenseite. Außenseitig wurde eine diffusionsoffene, dreilagige Winddichtungsfolie auf der Holzfaserdämmung verlegt. Die sichtbare Außenhaut bilden sägeraue Nut- und Federschalungen in verschiedenen Breiten und Farben, die auf einer Konterlattung (60 mm) und Traglattung (30 mm) montiert wurden. Die Fassadenhölzer wurden werkseitig vorvergraut und montiert, so dass vor Ort keine Nacharbeiten erforderlich waren.

„Die Logistik macht 30 Prozent der Baustelle aus. Also haben wir versucht, diesen Teil zu optimieren und beim Trockenbau angesetzt“, sagt Holger Höfle. Alle ­Außenwände wurden raumseitig mit 15 mm Hartgipsplatten auf 15 mm OSB-Platten beplankt. „Hartgipsplatten deshalb, weil sie stoßfester und witterungsbeständiger sind als normale Bauplatten“, erklärt Holger Höfle, „da wir wegen des gewünschten schnellen Baufortschritts keine Rücksicht auf Regentage nehmen konnten, mussten wir das Material so witterungsbeständig wie möglich machen.“ Die luftdicht verklebten OSB-Platten auf den Wandelementen dienen auch als Dampfsperre. 

Wohnungstrennwände und Innenwände

Ursprünglich sollten die Innenwände der Wohnhäuser in Trockenbauweise errichtet werden, doch dieser Ansatz wurde zugunsten von Brettsperrholzwänden geändert. „Diese konnten wir als Auflager nutzen und so die Deckenspannweiten und in der Folge die Deckenstärken auf nur 16 cm verringern“, sagt Gerold Heugenhauser. Die Wohnungstrennwände und Innenwände wurden vom „KLH-CLT“-Lieferanten ABA Holz van Kempen geliefert. Sie wurden schon im Werk mit Hartgips- und Gipskartonplatten beplankt, um auf der Baustelle Zeit zu sparen.

Die Innenwände in Holzbauweise wurden werkseitig mit 12,5 mm stoß- und wasserfesten Hartgipsplatten beplankt, um einen zügigen Baufortschritt zu gewährleisten. Die Wohnungstrennwände sind, wie die Gebäudeabschlusswände, aus zwei spiegelbildlich aufgebauten Schichten konzipiert. Raumseitig beginnt der Aufbau mit 15 mm Hartgipsplatten auf 100 mm Brettsperrholzelementen, gefolgt von Gipsfaserplatten, 30 mm Steinwolle und 20 mm Luftschicht, die die beiden Wandhälften voneinander trennt. Alle Innenwände wurden tragend ausgeführt. Die Materialkombination aus Brettsperrholzwänden, Gipsfaserplatten und Steinwolldämmung machte es möglich, die Schall- und Brandschutzanforderungen für diese Gebäudeklasse zu erfüllen. Durch den hohen Vorfertigungsgrad konnten Trocknungsphasen entfallen und somit die Bauzeit verkürzt werden.

Die Decken der Wohnhäuser wurden mit 16 cm „KLH-CLT“-Massivholzplatten als Tragkonstruktion ausgeführt. Die Unterseiten wurde jeweils mit einer Sichtholzoberfläche ausgeführt. Der Bodenaufbau auf den Geschossdecken besteht aus einer 9 cm Splitt-Schüttung, in der die Haustechnikleitungen verlegt sind. Darüber folgen eine Trittschalldämmung, ein Heiz-estrich und abschließend Parkett. Die vom Hersteller ABA Holz maßgenau gefertigten Deckenplatten wurden vor Ort am Massivbau mit Winkeln abgehängt. Zwischen Beton und Winkeln wurden PUR-Elastomerlager eingelegt. Zwischen den Schrauben wurden „Gummiwascher“ eingesetzt, sodass die Decken entkoppelt aufgehängt werden konnten. Das Dach ist als Metalldach mit Aluminiumschindeln auf einer Trennlage und einer 24 mm Rauspundschalung ausgeführt. Der Aufbau setzt sich mit 60 mm Hinterlüftung, 60 mm Holzweichfaserplatten, 80 x 300 mm Sparren mit Zellulosedämmung, OSB-Platten und Hartgipsplatten als Beplankung von innen fort.

Zugunsten einer schnelleren Montage vor Ort wurde die Installationsverrohrung bereits im Werk in die Wände integriert, sodass auf eine gesonderte Installationsebene verzichtet werden konnte. Die Steckdosen wurden ausgefräst und die Wandelemente in der Vorfertigung mit luftdichten Leerdosen und Leerrohren für die spätere Elektroinstallation bestückt. Das verbesserte den Baufortschritt und die Baulogistik extrem, weil der Elektriker vor Ort die Leitungen sofort ziehen konnte und die Wände nicht erst ­verkleidet werden mussten. In der Werkshalle wurden außerdem schon die Fenster in die Außenwände in Holzständerbauweise eingebaut. Dazu nutzten die Zimmerer vorgefertigte Außenecken aus Gipsplatten, an welche die Fensterelemente von außen nur noch herangeschoben werden mussten. Sogar Fensterbänke, Dichtungsebenen, die Absturzsicherung in Form von Geländern und die Raffstores samt Führungsschienen wurden witterungsgeschützt in der Vorfertigung an den Außenwänden montiert.

Bilanz

Die gesamte Fertigungszeit pro Quadratmeter Außenwand betrug, inklusive Außenschalung, Fenster- und Raffstoremontage, der Verlegung der Elektro-Leerrohre und des Be- und Entladens der LKWs, lediglich zwölf Minuten. So konnte das Projekt im Handumdrehen realisiert werden. Auch in puncto Nachhaltigkeit hat es Vorbildcharakter. Insgesamt wurden 1735 m³ Holz verbaut, davon 12 000 m² „KLH-CLT“-Massivholzplatten für Wände und Decken, 1875 m³ Dämmstoff und 100 m³ Holzwerkstoffplatten (OSB). Damit konnten 1684 t CO2 eingespart werden. Die Baukosten blieben, dank Förderungen und einem Mix aus ­freihändiger und öffentlicher Vergabe, ebenfalls im Rahmen. Eine Holzpelletheizung mit Gas zur Spitzenlastabdeckung sorgt für eine nachhaltige Wärmeversorgung. Das Gesamtpaket mit einer Nettomiete von 11,50 Euro/m² lockte so viele Interessenten an, dass die Gemeinde jede Wohnung mehr als zweimal hätte vergeben können. Insgesamt meldeten sich 182 Bewerber für die 88 Wohnungen.

In der Gemeinde Utting ist somit ein Leuchtturmprojekt entstanden, auf das alle stolz sind: die Gemeinde, die Bewohner, der Freistaat Bayern und die Architekten und Zimmerer. Das Besondere dabei: In enger Abstimmung entstand ein Bauvorhaben, bei dem nicht nur der Nachhaltigkeitsgedanke gelebt wurde. Auch die Architektur der Anlage und der Wohnungsmix können sich sehen lassen. Dank der Beplankung der Holzelemente mit Hartgipsplatten im Werk und der Verlagerung der Rohinstallation in die Halle konnte zudem ein schneller Baufortschritt eingehalten werden.

Autorin

Christine Ryll ist freie Journalistin, Fachredakteurin und Inhaberin des Kommunikationsbüros rylltext in München.

Bautafel (Auswahl)

Projekt Neubau einer kommunalen Wohnanlage in Holz-Hybridbauweise auf dem Schmucker-Areal in Utting am Ammersee

Bauherr Kommunalunternehmen Utting am Ammersee AöR, Utting, www.kua-utting.de

Planung WWA Architekten, München, www.wwa-architekten.de

Tragwerksplanung IB Geiger² Beratende Ingenieure GmbH, Augsburg, www.ibg-augsburg.de

Holzbau Zimmerei Höfle GmbH, Thaining, www.zimmerei-hoefle.de

Vorfertigung Innenwandelemente „KLH-CLT“-Massivholzplatten, ABA Holz van Kempen GmbH, Adelsried, www.aba-holz.de

Fertigstellung der Gesamtanlage April 2023

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