Aufstockung der Erich-Kästner-Schule in Darmstadt

Ein bestehendes Gebäude der Erich-Kästner-Grundschule in Darmstadt wurde um ein Geschoss in Holzbauweise aufgestockt. Obwohl es statisch notwendig war, sich am Grundriss des Erdgeschosses zu orientieren, entstand mit der Aufstockung ein zeitgemäßes Lernumfeld mit hohen Gestaltungs- und Aufenthaltsqualitäten.

Die Erich-Kästner-Grundschule in Darmstadt ist mit etwa 550 Schülerinnen und Schülern aus gut 40 Nationen eine besonders große, wachsende Grundschule, für die dringend Erweiterungsflächen geschaffen werden mussten. Langfristig soll die Schule nach dem Entwurf der Architekten dasch zürn + partner um eine Mensa und Flächen für Ganztagsangebote erweitert werden. Im Zuge dieser Erweiterung mussten kurzfristig Ersatzflächen für acht Klassen geschaffen werden. Hierzu lieferte das Büro prosa Architektur + Stadtplanung die Idee, ein eingeschossiges Schulgebäude aufzustocken. Das Gebäude umschließt zusammen mit einem weiteren Gebäude und der Sporthalle den großen Pausenbereich der Schule.

Bei der Aufstockung orientierten sich die Architekten am Grundriss des bestehenden Gebäudes. Dieses hat einen kreuzförmigen Grundriss mit einem Mittelflur. Der Flur war bislang nur punktuell über einzelne Oberlichter belichtet. Um die Lasten der Aufstockung optimal abtragen zu können, wurde auch im Obergeschoss mit einem mittigen Flur gearbeitet, der aber durch Aufweitungen und offene Lernflächen strukturiert ist. So wurden die Nebenräume mit ihren verglasten Trennwänden in das Zentrum gerückt und sorgen so für mehr Tageslicht im Flurbereich. Da der Mittelflur im Erdgeschoss nun nicht mehr von oben belichtet werden kann, wurde hier eine nichttragende Wand entfernt, sodass der Flur jetzt natürliches Licht von der Nordseite bekommt. Die Oberlichter im neuen Dach des Gebäudes sorgen für mehr Tageslicht, dienen aber auch der Querlüftung im Sommer sowie der Entrauchung.

Fundamente für Aufstockung verstärkt

Die Aufstockung musste möglichst schnell gehen und bei laufendem Betrieb erfolgen, weshalb eine Aufstockung in Holzbauweise nahelag. Der eingeschossige Bestandsbau wurde zunächst anhand von Bestandsunterlagen und vor-Ort-Kontrollen auf seine Tragfähigkeit geprüft. Nachdem klar war, dass das Gebäude einen Leichtbau würde tragen können, wurde die Idee einer Holz-Aufstockung weiterverfolgt. Dann stellte sich allerdings heraus, dass die vorhandenen Fundamente unterfangen, also verstärkt werden mussten. Dazu wurden an verschiedenen Stellen ringförmig jeweils 1,25 m breite Teile des Fundamentes aufgegraben und ergänzt. Das Verstärken der Fundamente war gerade abgeschlossen, als schon die ersten vorgefertigten Holzbauteile auf die Baustelle geliefert wurden.

Holzbalken als Basis für die Aufstockung

„Bei der Zwischendecken-Konstruktion brauchten wir eine gute, solide und zügig umsetzbare Lösung“, erklärt Architekt Gero Quasten, Partner des Büros prosa Architektur + Stadtplanung. Die erste Idee war, dass ein Stahlbeton-Ringbalken dem Verlauf der tragenden Wände des Erdgeschosses folgend die Basis für das neue Geschoss bilden sollte. Die Dachabdichtung sollte aufgeschnitten und neue Unterzüge einbetoniert werden. Zimmerer Heinrich Werner Ochs, dessen Betrieb sämtliche Holzbauarbeiten für die Aufstockung ausführte, plädierte allerdings dafür, an dieser Stelle keine Feuchtigkeit über Beton in das Gebäude einzubringen. Da auch der Prüfstatiker eine Lösung mit Holzträgern unterstützte, ging man wie folgt vor: Die alte Dachhaut wurde stellenweise eingeschnitten und die Dämmung herausgenommen. Neue Holzleimbau-Unterzüge wurden in die Dachöffnungen eingepasst und das Dach wieder abgedichtet. Die dann folgende hölzerne Tragkonstruktion besteht aus zwei Balkenlagen. Die unteren Balken wurden auf den eingepassten Unterzügen befestigt. Die oberen Balken wurden mit Spax-Schrauben mit der unteren Balkenlage verschraubt. Im Attikabereich ist der hölzerne Ringbalken auf die Attika gedübelt. Die direkt auf dem Dach verlegten Balken variieren je nach Lage in ihrer Höhe, um so die Höhenunterschiede durch das Gefälle des Bestandsdaches auszugleichen.

Ein Trägerrost aus Holz

Wesentliches statisch wirksames Element der Aufstockung ist ein so genannter Trägerrost, der auf dem Ringbalken aus Holz aufliegt. Die relativ eng liegenden Balken folgen den Auflagerpunkten, die durch das Erdgeschoss vorgegeben wurden und spannen in verschiedene Richtungen. Lediglich an einer Stelle wurden auf Grund des angepassten Grundrisses zwei Wände so verschoben, dass diese nicht über Wänden im Erdgeschoss stehen. Daher wurden die Deckenbalken in diesem Bereich mit einem höheren Querschnitt ausgeführt und über Außen- und Flurwände gespannt, sodass die darüber liegenden Wände getragen werden. „Der hölzerne Trägerrost hat hinreichend Abstand zur alten Dachebene, sodass genügend Platz zur Durchbiegung der Balken gegeben ist und eine ungewollte Lastübertragung auf die alte Konstruktion vermieden wird“, erklärt Tragwerksplaner Matthias Pfeifer vom Büro PfeiferInterplan. Zwischen den 42 cm hohen Rippen des Holzträgerrostes befindet sich eine 10 cm hohe Mineralwolldämmung. Der Dämstoff wurde auf Vliesbahnen verlegt, so kann er nicht in den Zwischenraum zum alten Dach fallen. Der Trägerrost wurde dann von oben mit OSB-Platten beplankt, darüber verschweißten die Handwerker kaltselbstklebende Bitumen-Dampfsperrbahnen. Auf die darüber liegende Trittschalldämmung plus Folie wurde ein 5,5 cm dicker Zementestrich aufgebracht, der abschließend mit einem Linoleum-Belag versehen wurde. Im Bereich zwischen dem Dach des Erdgeschosses und der Aufstockung wurden Lüftungsöffnungen vorgesehen, allerdings nur in geringer Größe. Vor Inbetriebnahme des Gebäudes führte man in dem Bereich zwischen altem Dach und aufgestocktem Geschoss zur Sicherheit Feuchtemessungen durch, die die Trockenheit des Aufbaus bestätigten.

Holzrahmenwände mit Lärchenholzschalung

Alle Außen- und Innenwände der Aufstockung sind Holzrahmenelemente, die im Werk von Holzbau Ochs vorgefertigt wurden. Insgesamt 42 Wände wurden produziert und auf der Baustelle aufgerichtet. Es handelt sich dabei um einen klassischen Außenwandaufbau mit einer inneren Gipskartonplatten-Beplankung. Das Ständerwerk wurde mit 160 mm Mineralwolle gedämmt. Zusätzlich sind die Holzrahmenwände von außen mit 60 mm Holzweichfaserplatten gedämmt. Darüber kommt die Unterkonstruktion für die äußere Lärchenholzschalung mit unterschiedlich breiten und tiefen Latten, die im wilden Verband montiert sind.

Die Fenster wurden erst vor Ort eingebaut, da diese sehr groß sind und ein Transport unverhältnismäßig teuer geworden wäre. Die Aufstockung kragt mit ihrer Fassade leicht über den Bestand aus, so dass es möglich ist, die Fassade im Erdgeschoss ähnlich wie die der Aufstockung zu dämmen und zu verkleiden, um damit eine flächenbündige Fassade zu erzeugen. Die Sanierung der Fassade im Erdgeschoss wurde 2020 durchgeführt

Dämmung und Begrünung

Für das Dach des aufgestockten Obergeschosses war zunächst ein Konstruktionssystem aus vorgefertigten Trägerelementen angedacht. Letztendlich fiel die Wahl aber auf eine vor Ort erstellte Balkendecke mit Polystyrol-Dämmung als Warmdachaufbau mit Dachbegrünung. Die Deckenbalken sind 28 cm hoch und 10 cm breit und haben eine Spannweite von 7,70 m.

In den Klassenräumen reduzieren schallabsorbierende Akustikdecken den Lärmpegel. Die Akustikdecken bestehen aus 19 mm dicken, geschlitzten Fichte/Tanne 3-Schichtplatten mit 19 mm Holzweichfaserdämmauflage. In den Fluren sind die Decken mit „Heradesign“-Holzwolle-Akustikplatten abgehängt.

Schlüssig bis zur Haustechnik

Die Schlüssigkeit, die die Einfachheit des Konzeptes in diesem Fall mit sich bringt, zeigt sich auch auf der technischen und organisatorischen Seite. So trug der weitgehende Verzicht auf Sonderlösungen dazu bei, den Bau in dem vorgegebenen, sehr engen zeitlichen Rahmen umsetzen zu können. Auch die Themen Barrierefreiheit, Brandschutz und Haustechnik ergaben sich schnell aus der Logik der inneren Struktur: Die Erschließung des neuen Geschosses erfolgt über zwei Außentreppen an den Stirnseiten des Gebäudes, wobei auf einer Seite zusätzlich ein Fahrstuhl die barrierefreie Erschließung aller Räume ermöglicht. Um den Brandschutz zu entlasten, wurden die Klassenräume an der Nordseite über Bypasstüren zu Clustern zusammengeschlossen. Da die Schüler und Schülerinnen über diese Verbindungstüren von einer Seite des Gebäudes auf die andere wechseln können, war es möglich, im Mittelflur auch Garderoben anzuordnen.

Die Verkehrsflächen dienen zudem als Verteilerzonen der Haustechnik, die problemlos an den Bestand angepasst werden konnte. Durch die Aufstockung und somit Überbauung des alten Daches ist der Gesamtenergiebedarf des Gebäudes zudem niedriger als vorher.

Autorin

Dipl.-Ing. Nina Greve hat Architektur in Braunschweig und Kassel studiert. Sie arbeitet als freie Autorin unter anderem für die Zeitschriften bauhandwerk und dach+holzbau und lebt in Lübeck (www.abteilung12.de).

Bautafel (Auswahl)

 

Projekt Aufstockung in Holzbauweise eines eingeschossigen Gebäudes der Erich-Kästner-Grundschule in Darmstadt

Bauzeit 2017-2018

Bauherr/Nutzer Magistrat (Stadtregierung) der Stadt Darmstadt, vertreten durch Immobilienmanagement Darmstadt (IDA)

Architekt prosa Architektur + Stadtplanung | Quasten Rauh PartGmbB, 64283 Darmstadt, www.prosa-online.com

Tragwerksplaner ProfessorPfeiferundPartner PartGmbB, 64283 Darmstadt, www.pfeifer-interplan.com

Holzbauarbeiten Holzbau Ochs GmbH, 55481 Kirchberg, www.ochs.eu

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