Ein neuer Kirchturm für das Kloster Buchhagen

Der Traum ihrer Zimmermannswalz erfüllte sich für die reisenden Zimmerergesellen Aaron Bauer und Enno Stegmann mit der Planung und Errichtung eines Kirchturms für das Kloster Buchhagen. Wir stellen den Neubau des Kirchturms vor – in einem Bericht in zwei Teilen.

Arbeiten an einem Kirchturm zu verrichten, ist wohl der heimliche Traum manch eines Zimmermanns. Meist finden solche Arbeiten heutzutage in Form von Sanierungen dieser eindrucksvollen Bauwerke der Zimmermannskunst statt, denn Kirchenneubauten sind in unserer aufgeklärten Zeit sehr selten geworden. Allgemein könnte man sagen, dass unsere heutige Bauweise aus verschiedenen Gründen sehr auf das Nötigste beschränkt wird. Zu oft gilt der Leitspruch „quadratisch, praktisch, gut“. Darunter leiden auch wir junge Handwerksgesellen, die oft mehr zu Fließbandarbeitern oder Monteuren ausgebildet werden. Um etwas dagegen zu tun, sind wir beide auf Wanderschaft gegangen und wurden dafür hoch belohnt. 

Aber von Anfang an: Kennengelernt haben wir uns im November 2023, rund um die Feierlichkeiten des 70-jährigen Jubiläums des Verbands der europäischen Gesellenzünfte (CCEG) in Paris. Enno Stegmann reiste in Begleitung eines rechtschaffenen fremden Maurers zu, dieser hatte im Sommer 2023 bei Bodenwerder im Weserbergland an einem Kirchenneubau mitgearbeitet. Bei dem Treffen ließ der Maurer verlauten, dass die Mauerarbeiten an der Kirche gewiss bis zum Sommer oder Herbst 2024 fertig wären und die Mönche gerne noch vor dem Winter wenigstens die ­Balkenlage des Hauptschiffes, wenn nicht gar den Turmhelm des Kirchendaches errichtet hätten. Fehlen würden aber noch die Zimmerleute – natürlich beschlossen wir, dieser Geschichte gemeinsam auf den Grund zu gehen, notierten die Adresse und reisten im Januar 2024 zum Deutschen Orthodoxen Dreifaltigkeitskloster in Buchhagen bei Bodenwerder.

Das Kloster wurde 1990 von Altvater Johannes gegründet. Zurzeit leben vier Mönche auf dem Anwesen, die neben Gottesdiensten, Gebeten und den alltäglichen Arbeiten an der Vervollständigung des Klosters arbeiten. In den vergangenen 35 Jahren ist dort eine recht eindrucksvolle Anlage entstanden. Tatsächlich hatten die Mönche schon von Anfang an immer wieder mit Wandergesellen zu tun. So wurde der Dachstuhl des Haupthauses des Klosters in den 90er-Jahren von rechtschaffenen fremden Zimmerergesellen gezimmert und gerichtet. Nach unserer Ankunft am Kloster in Buchhagen erhielten wir Einblicke in die Pläne der Kirche. Schnell wurde uns klar, dass sich hier aus handwerklicher Sicht eine wahre Goldgrube auftat, da die Mönche sich für eine traditionelle Bauweise aussprachen und uns wohl sehr große Handlungsfreiheit zuweisen würden. Also stand für uns fest, dass wir bei diesem Projekt nicht „nein“ sagen konnten.

Der Neubau des Turms für die Kirche umfasste viele einzelne Abschnitte:

  • Planung, Abbund und Aufrichten der Balkenlage über dem Hauptschiff, damit der Vierlingsturm gemauert werden konnte (Traufhöhe bei 8 m).
  • Planung, Abbund und Aufrichten der Apsis, die im Innenraum über eine Halbkuppel verfügte, also eine stehende Konstruktion unmöglich machte (Traufhöhe bei 6 m).
  • Planung, Abbund und Aufrichten der Turmzwickel (Übergang von Vier- auf Achteck, Traufe bei 15 m).
  • Planung, Abbund und Aufrichten des Turmhelms mit 60°-Neigung, ebenfalls als liegende Konstruktion, da auch der Vierlingsturm über eine Kuppel verfügt, die etwa 2 m über die Traufe hinausragt (Traufhöhe bei 20 m)

Wir haben uns also von den Mönchen die Architekturpläne geben lassen und machten bei unserer Abreise aus, dass wir uns nach dem F.V.D.-Reisenden-/ Himmelfahrtstreffen 2024 wieder im Kloster einfinden würden, jeder mit Werkzeug, Abbund-Plänen und einem Modell des Turmhelms.

Modell mit profilierten Gesimsbalken und Binderwerk

Ein Kirchturm für das Kloster Buchhagen - Modelle Die Präsentationsmodelle für den Kirchendachstuhl von Aaron Bauer (rechts) und Enno Stegmann (links)
Foto: Privat

Die Präsentationsmodelle für den Kirchendachstuhl von Aaron Bauer (rechts) und Enno Stegmann (links)
Foto: Privat
Nach unseren jeweiligen Treffen sahen wir uns im Kloster in Buchhagen wieder, jeder mit seiner Zimmereiausstattung. Nun präsentierten wir den Mönchen unsere Entwürfe. Wie sich herausstellte, ergänzten wir uns gut. Wir hatten den gleichen Ansatz verfolgt, die Kuppel über eine mit Andreaskreuzen ausgesteifte Binderkonstruktion zu überhöhen und darauf einen Deckenbalkenkranz mit Mittelpfetten zu verlegen. Schnell stellte sich heraus, dass das Modell und die Pläne von Aaron den höheren Anspruch boten, da das Modell mit profilierten Gesimsbalken und traditionellem Binderwerk ausgestattet war, während Enno eine eher moderne Konstruktionsmethode verfolgte.Die Baubesprechung dauerte einige Stunden und verlangte von uns beiden einiges an rednerischem Können und Fachkenntnis ab, da die Mönche zu allen Detaillösungen Fragen und Einwände hatten. Auch aufgrund der bereits existierenden CAD-Pläne der restlichen Bauabschnitte entschieden wir, Aarons Pläne Realität werden zu lassen, da es uns unter anderem das Konstruieren eines Reißbodens (Schnürboden) ersparen würde.

Abbund der Deckenbalkenlage

In einem dreiwöchigen Kraftakt bereiteten wir nun die Deckenbalkenlage vor. Abgebunden haben wir auf dem Kiesplatz vor der Eingangspforte des Klosters. Das Kloster verfügt über einen etwa 4 m hohen Mobilkran mit einem 4 m langen Ausleger, der beim Umwälzen der vielen Hölzer sehr behilflich war. Das Werkzeug lagerte während der Arbeitsphasen in einem großen Zelt, was sich noch rächen sollte, da das Weserbergland leider eine sehr regenreiche Region ist und wir uns in einem Dauerkampf gegen die Feuchtigkeit und damit auch gegen den Rost befanden. Wir hatten während der gesamten Abbundarbeiten oft sehr wechselhaftes Wetter.

Ein Kirchturm für das Kloster Buchhagen - Abbund der Deckenbalkenlage Enno Stegmann und Aaron Bauer beim Abbund der Deckenbalkenlage für den Kirchturm
Foto: Privat

Enno Stegmann und Aaron Bauer beim Abbund der Deckenbalkenlage für den Kirchturm
Foto: Privat
Eine Holz- und Eisenliste fertigten wir vorab an. Als Bauholz verwendeten wir scharfkantige, gehobelte Lärche eines lokalen Sägewerks. Da wir mit Vollholz arbeiteten, mussten alle Bauteile mit Bundseite angerissen werden und beim Auflegen der Hölzer achteten wir stets auf Wuchsrichtung und Jahresringe des Holzes. Alle Holznägel fertigten wir aus Eiche und behandelten sie vor dem Eintreiben mit Bienenwachs. Alle Bauteile wurden von uns nach traditionellem Vorbild gezeichnet. Die Deckenbalkenlage sollte – genau wie alle anderen ausgeführten Projektschritte – einen profilierten Gesims-Balken erhalten. So verfügte die Stirnseite über einen nicht unkompliziert abzubindenden Zapfen. Weiter bereiteten wir an den Deckenbalken den Fußpunkt des Sparrendachs des Hauptschiffes vor. Dafür wählten wir einen Fersenversatz mit Zapfen. Auch in der Schwelle haben wir nach altem Vorbild eine 30 mm tiefe Aussparung erstellt. Eine weitere Schwierigkeit, die wir überwinden mussten, war die etwa 40 mm breite, von der Außenmauer 120 mm abgesetzte und im Innenraum sichtbare Zierfase (abgeschränkte Kante), die wir nach einigen Überlegungen mithilfe einer Nutfräse anbrachten.

Abenteuerliches Aufrichten ohne großen Kran

Nach etwa anderthalb Wochen Abbund ging es mit Hilfe von abenteuerlichen Konstruktionen am Schubkarrenaufzug ans Aufrichten. Es gab keinen großen Kran auf der Baustelle und alle Bauteile mussten mit hohem Kraftaufwand auf die entsprechenden Höhen gebracht werden. Für die Richtarbeiten an der Balkenlage sprang tatkräftig Johannes Harras (F.V.D.) ein. Gemeinsam stellten wir den ersten Bauabschnitt fertig und reisten in freudiger Erwartung des Monats August ab, um dann die weiteren Abbund-Arbeiten in Angriff zu nehmen, die schließlich auch Aarons Zeit auf der Walz als Abschluss krönen sollten.

Ein Kirchturm für das Kloster Buchhagen - Mauerarbeiten am Vierlingsturm Maurerarbei­ten am Vierlings­turm der Kirche
Fotos: Privat

Maurerarbei­ten am Vierlings­turm der Kirche
Fotos: Privat
Nachdem wir abgereist waren, verschalten die Mönche die Balkenlage, die Gerüstbauer stellten das Gerüst für den Vierlingsturm auf und die Maurerarbeiten begannen. Ende August 2024 wurden die Mönche durch den rechtschaffenen fremden Maurergesellen Fabian unterstützt, der alle schwierigen Maurerarbeiten übernahm, dazu gehörten die etwa 2,5 m hohen Fensterlaibungen aus Sandstein, diverse Rundbögen, vier Viertelkuppeln, der Ringanker und die zweischalige  Rundkuppel des Turms. Wir verfügen beide nicht über genügend Fachkenntnis über Maurerarbeiten, um darüber mehr zu schreiben. Nur eines können wir bezeugen: Das Mauerwerk der gesamten Kirche hatte Abweichungen von vielleicht 1 cm! 

In der nächsten Ausgabe der dach + holzbau (06.2025) erfahren Sie im zweiten Teil des Berichts von Aaron Bauer und Enno Stegmann mehr über die Arbeiten am Kirchturm bis hin zum Richtfest. Die Ausgabe 06.2025 der dach+holzbau erscheint am 18.9.2026.

Autoren

Enno Stegmann ist Zimmerer und Mitglied der Vereinigung der rechtschaffenen Zimmerer- und Schieferdeckergesellen (RFZ). Aaron Bauer ist Zimmerergeselle und Mitglied der Gesellenvereinigung „Freie Vogtländer Deutschlands“ (FVD).

Verband der Europäischen Gesellenzünfte (CCEG)

Dieser Bericht wurde erstmals im Magazin „Bulletin“ Nr. 88/2025 veröffentlicht. Das „Bulletin“ ist das Verbandsmagazin des CCEG (Confédération Com­pagnonnages Européens / Europäische Gesellenzünfte), einem Dachverband von neun europäischen Gesellenvereinigungen. Die Hauptziele des CCEG sind die Vernetzung und der Austausch der einzelnen Verbände und Vereinigungen untereinander (siehe online unter www.cceg.eu).

Das Verbandsmagazin „Bulletin“ erscheint zwei Mal pro Jahr und enthält in jeder Ausgabe Reiseberichte von Gesellen und Gesellinnen, die in Europa und weltweit auf die zünftige Wanderschaft gehen, Berichte aus den einzelnen Verbänden sowie Hinweise auf Fortbildungen und Seminare. Bestellt werden kann es online unter www.cceg.online .


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