Klosterkirche erhält ein neues Dach
Der Traum ihrer Zimmermannswalz erfüllte sich für die reisenden Zimmerergesellen Aaron Bauer und Enno Stegmann mit der Planung und Errichtung eines Kirchturmdaches für die neue Kirche des Klosters Buchhagen. Im zweiten Teil ihres Berichts geht es um den Abbund und das Aufrichten des Turmhelmes.
Im ersten Teil des Berichts (nachzulesen in der dach+holzbau 5/2025, siehe hier) berichteten Aaron Bauer und Enno Stegmann davon, wie sie die Mönche des Klosters in Buchhagen von ihrer Planung des Kirchturmdaches in Holzbauweise begeistern konnten. Nach dem Abbund der Deckenbalkenlage wurde der erste Bauabschnitt des Turmhelms aufgerichtet. Im zweiten Teil ihres Berichtes geht es um den Abbund und das Aufrichten des Turmdaches in Holzbauweise.
Anfang August 2024 war es so weit: Wir machten uns zunächst an den Abbund der Gesimsbalken, für die wir passgenaue Negativschablonen und einen Handhobel mit runder Sohle anfertigten. Nach dem Anreißen der Werkstücke stemmten wir erst die Zapfenlöcher auf der Rückseite aus, danach folgte der Längsaufschnitt der Zierseite mit der Handkreissäge. Weiter ging es mit der Kettensäge, um etwas näher an die gewünschte Rundung zu kommen. Um abschließend das genaue Profil zu erhalten, kam ein Winkelschleifer mit Schruppscheibe zum Einsatz. Um eine gehobelte Oberfläche zu erzielen, hobelten wir die Fläche der Rundung mit unserem selbst gebauten Handhobel nochmals an. Wichtig dabei: Die Sohle des Hobels muss einen geringeren Radius aufweisen als der Radius, den das Endergebnis tragen soll.
Apsis mit „Jambe de Force“
Statt eines zweiten Schwellenkranzes wurde für die Apsis ein „jambe de force“ (franz.: Kraftbein) vorgefertigt und eingebaut
Foto: Privat
Als nächstes nahmen wir uns die Apsis vor, die wir nach französischem Vorbild konstruierten: Da der Platz aufgrund der Halbkuppel der Apsis so beschränkt war, dass kein zweiter Schwellenkranz zur Ausbalancierung der Kräfte möglich war, setze Aaron ein „jambe de force“ (franz.: „Kraftbein“) ein, um ein stabiles Dreieck zu erhalten. Das Abbinden war langwierig, weil die Apsis neun ungleich geneigte Dachflächen aufwies und kein Bauteil gleich war.
Weiter ging es mit den Turmzwickeln, für die wir eine ziemlich einfache stehende Konstruktion verwendeten. Die Turmzwickel konnten wir aber zügig hinter uns lassen, da wir im Prinzip viermal denselben Bauabschnitt abbinden und entsprechende Holzpakete schnüren konnten. Bei den Fußpunkten der Apsis und den Turmzwickeln gingen wir auf Nummer sicher und verwendeten Tellerkopfschrauben zur Holzverbindung. Bei allen anderen Verbindungen suchten wir stets nach traditionellen Lösungen des Zimmererhandwerks.
Der Abbund des Turmes beginnt
Anfang September 2024 war es endlich so weit: Der von uns heiß ersehnte Abbund des Turms konnte endlich beginnen. Den Turm konnten wir tatsächlich weitestgehend traditionell konstruieren. Aaron hatte auf seiner Wanderschaft schon einige Kirchtürme ausführlich besichtigen können und leitete beim Kons-truieren viel von seinen Beobachtungen im Bestand ab. Der achteckige Turm nahm als liegender Stuhl mit verkantetem Schwellwerk und daraufliegendem Deckenbalkenkreuz Gestalt an. Auf jenem ruhte, ausgesteift durch vier Kopfbänder, der Kaiserstiel. An diese zentrale Holzsäule sollten sich die Gratsparren mit Senkelschnitt anschmiegen. Alle Holzverbindungen sollten nur mit Holznägeln oder konstruktionsbedingt zusammengehalten werden. Beim Richten setzten wir trotzdem die eine oder andere Sicherungsschraube.
Spannende Details sorgten für Herausforderungen
Um den Überblick bei über 200 Bauteilen nicht zu verlieren, arbeiteten wir uns von unten nach oben durch den Turm. Den Anfang bildete dabei der doppelte Schwellenkranz, weiter ging es mit den Gratsparrenstichen. Wenngleich kurz, waren dies doch die arbeitsintensivsten Bauteile, da viele Bearbeitungsschritte notwendig waren und wenig zusammen abgebunden werden konnte. Die Binder, Andreaskreuze und verkanteten Fuß- und Mittelpfetten waren als nächstes an der Reihe. Wir kamen hier in Anbetracht der Holzmenge gut voran, da es viele gleiche Bauteile gab und wieder viel als Paket zugerichtet werden konnte. Trotzdem: Immer wieder trafen wir auf spannende Details, die viele Überlegungen erforderten, um Lösungen zu finden. Weiter kümmerten wir uns um Kaiserstiel, Grat, Schifter und diverse Aufschieblinge.
Abgebundenes Binderkreuz, verbunden mit Holznägeln und traditionellen Holzverbindungen
Foto: Privat
Die Deckenbalkenlage sparten wir uns bis zum Schluss auf, da wir diese bereits auf dem Abbundplatz zusammenbauten. Wir entschieden, die Wechsel mit 15 mm Stirnversatz und Zapfen in die Bunddeckenbalken einzufügen, was erforderte, dass wir die Konstruktion beim Zusammenbau überspannten. Als nächstes machten wir uns daran, soweit möglich, Bauteilelemente auf dem Platz zusammenzuspannen, um die Holznägel vorzubohren. Bei dieser Gelegenheit zeichneten wir alles scharf. Bei so schöner Schanigelei* verging die Zeit wie im Flug und Anfang Oktober waren wir fertig mit den Abbundarbeiten.
Das Aufrichten des Turmhelms
Vor dem Richten nahmen wir uns die Zeit und bauten den Turmhelm auf dem Boden einmal zusammen. Dies bewährte sich insbesondere deswegen, weil wir Ungenauigkeiten im Abbund ausmerzen und uns über den Ablauf der Arbeiten nochmal gemeinsam einige Gedanken machen konnten. Pünktlich zum Richttermin traf auch unsere zünftig reisende Richtmannschaft ein, bestehend aus r. frd.** Alexander Hauspurg, F.V.D.** Philip Stückel, F.V.D. Maica Endrizzi, F.V.D. Josef Gahr und F.V.D. Johannes Harrass. Zu sechst waren wir guten Mutes – auch ohne Kran – pünktlich alles richten zu können. Trotz der harten Schanigelei* waren es sehr lustige und amüsante Tage auf dem Kloster. Am 25. Oktober 2024, Aarons 24. Geburtstag, war es dann endlich so weit: Wir waren mit den Richtarbeiten fertig. Gott sei Dank hatte sich niemand verletzt und wir wurden für die Richtwoche mit strahlend blauem Himmel und Sonnenschein beschenkt!
Bei der Arbeit wurde uns insgesamt sehr viel Vertrauen entgegengebracht und Freiraum eingeräumt, was in keiner Weise selbstverständlich ist. Einblicke in ein orthodoxes Kloster, die Lebensweise und das Gedankengut der Mönche zu erhalten, war für uns eine große Bereicherung. Wir haben nicht nur handwerklich, sondern auch persönlich von dem Aufenthalt profitiert und durften viele nette Menschen kennenlernen.
Das Dach des Kirchturms ist fertiggestellt und mit Kupfer verkleidet. Der neue Dachstuhl für den Altarraum und das Hauptschiff der Kirche sind bereits aufgerichtet
Foto: Kloster Buchhagen
Weiter danken wir den vielen Menschen, die dieses Projekt erst ermöglichten. Hier zu erwähnen sind alle, die durch logistische Unterstützung, den Transport von Werkzeugen oder Bereitstellen eines Fahrzeugs halfen, die Infrastruktur zum Bauplatz hin- und wegzubringen. Erwähnen müssen wir auch einen jungen Zimmermeister aus dem Nachbardorf, der uns immer zur Seite stand, sei es beim Plänedrucken oder bei der zur Verfügungstellung von Infrastruktur. Auch der Holzlieferant und der Säger sollen nicht unerwähnt bleiben: Die Lärche war von sehr guter Qualität, alle Hölzer wurden gemäß unserer Holzliste sortiert angeliefert. Nachträgliche Änderungen wurden sehr schnell ausgeführt. Wir waren sehr froh, so kompetente Partner gefunden zu haben. Natürlich gilt auch ein Dankeschön an unsere äußerst fixe Richtmannschaft fürs Zureisen und Mitmachen! Und zuletzt gilt unser Dank natürlich Abt Johannes vom Kloster Buchhagen, der uns zwei jungen Handwerkern sehr viel Vertrauen entgegengebracht hat. Es war fantastisch, einen so großen Handlungsspielraum zu haben. Wir konnten Aarons Pläne ohne nachträgliche Änderungen in die Tat umsetzen und unsere Vorschläge, wie beispielsweise die Gesimsbalken, wurden mit Begeisterung angenommen. Durch all diese Umstände war es möglich, einen Traum zu verwirklichen, von dem wir nie geglaubt hätten, dass er je hätte wahr werden können!
Das Kirchturmdach ist fertiggestellt und mit Kupferblechen verkleidet (siehe rechts im Bild). Als nächstes wurden die Dachstühle über dem Hauptschiff, Altarraum und den Querschiffen der Kirche errichtet
Foto: Kloster Buchhagen
Enno Stegmann ist Zimmerer und Mitglied der Vereinigung der rechtschaffenen fremden Zimmerer- und Schieferdeckergesellen. Aaron Bauer ist Zimmerer und Mitglied der Gesellenvereinigung „Freie Vogtländer Deutschlands“ (FVD).
Anmerkungen
* Schanigelei, schanigeln (= Arbeit, arbeiten) ist ein Fachbegriff, der von Zimmerern und anderen Handwerksgesellinnen und -gesellen auf der Walz gebraucht wird.
** Im Zusammenhang mit der Walz, den traditionellen Wanderjahren der Handwerksgesellen, gibt es verschiedene Schächte und Gesellenvereinigungen. Zu den bekanntesten gehören die „rechtschaffenen fremden Zimmerer- und Schieferdeckergesellen (RFZ)“ und die „Freien Vogtländer Deutschlands (FVD)“.
Die Arbeiten an der neuen Kirche des Klosters Buchhagen werden fortgesetzt. Zur Zeit wird das neue Dach über dem Hauptschiff der Kirche eingedeckt. Mehr über den Baufortschritt erfahren Sie im Online-Bautagebuch des Klosters unter: www.kirchenbau.org.
Verband der europäischen Gesellenzünfte
Dieser Bericht wurde erstmals im Magazin „Bulletin“ (88/2025) veröffentlicht, dem Verbandsmagazin des C.C.E.G. (Confédération Compagnonnages Européens / Europäische Gesellenzünfte), einem Dachverband europäischer Gesellenvereinigungen. Zu dem Verband gehören fünf deutschsprachige, drei französischsprachige und eine skandinavische Gesellenvereinigung. Die Hauptziele des C.C.E.G. sind die Vernetzung und der Austausch der einzelnen Verbände und Vereinigungen untereinander (siehe auch online unter www.cceg.eu). Das Verbandsmagazin „Bulletin“ erscheint zwei Mal pro Jahr und enthält in jeder Ausgabe Reiseberichte von Gesellen und Gesellinnen, die in Europa und weltweit auf die zünftige Wanderschaft gehen, Berichte aus den einzelnen Verbänden sowie Hinweise auf Fortbildungen und Seminare. Bestellt werden kann es online unter: www.cceg.online .