Denkmalgerecht saniert und neu eingedeckt

Dachsanierung für ehemaliges Rohgewebelager in Nordhorn - Neudeckung mit Biberschwanzziegeln

Das Dach eines ehemaligen Industriegebäudes in Nordhorn sollte saniert werden. Die vielfältig gestaltete Dachlandschaft mit unterschiedlichen Dachneigungen und zahlreichen Gauben barg einige Herausforderungen für die Dachdecker. Neu eingedeckt wurde das Dach mit Biberschwanzziegeln.

Nordhorn, die Stadt der Spindel und des Webstuhls, liegt im Südwesten Niedersachsens an der der Grenze zu den Niederlanden. Mit Beginn der Industrialisierung entwickelte sich in der Stadt eine große Textiltechnikindustrie. Das große Firmengelände der ehemaligen Nordhorner Spinnerei und Weberei Niehues & Dütting (N&D), prägte das Stadtbild bis in die Mitte der 1990er Jahre. Bis zu 6000 Mitarbeiter waren hier bis zum Konkurs (1994) der Firma beschäftigt. Auf dem 12 ha großen Gelände wurden in der Folge neue städtebauliche Strukturen und Nutzungen entwickelt. Zwei Leuchtturmprojekte mit besonderer Bedeutung als Denkmäler der Industriearchitektur konnten dabei einer neuen Nutzung zugeführt werden. So wurde der NINO-Hochbau, ein mächtiger und eindrucksvoller Gebäudekomplex aus der textilen Blütezeit Nordhorns, zu einem Kompetenzzentrum für die Region entwickelt. Für das 1921/22 erbaute Rohgewebelager wurde ebenfalls eine neue Nutzung gefunden. Das mächtige Backsteingebäude steht seit 2002 unter Denkmalschutz. Nach einer ersten Renovierung beheimatet es nun die Nordhorner Volkshochschule und Teile des Evangelischen Gymnasiums Nordhorn.

Den Auftrag für die Sanierung des Daches der heutigen Volkshochschule erhielt die Firma ten Wolde & Sohn Be­dachungs GmbH aus Nordhorn. Dachdecker- und Klempnermeister Michael ten Wolde führt das 1962 gegründete Unternehmen in zweiter Generation zusammen mit seiner Frau Gabriele. Ihr Sohn, Simon ten Wolde, ist ebenfalls Dachdeckermeister und wird den Betrieb einmal in dritter Generation weiterführen.

Mansardenwalmdach als Hauptdach

Das fünfgeschossige Backsteingebäude mit L-förmigen Grundriss hat ein Mansardenwalmdach als Hauptdach. Das Dach setzt sich außerdem aus zwei langgestreckten Hauptdächern über dem Mittelbau, einem Dachgraben und mehreren Walmdachflächen zusammen. Die zahlreichen Gauben sowie zwei lange Firstoberlichter erlauben die Belichtung und Nutzung der großen Dachgeschosse. Die vielfältig gestaltete Dachlandschaft mit Dachflächen in unterschiedlichen Neigungen war eine Herausforderung für die Dachdecker, die Sanierung des gesamten Daches dauerte insgesamt knapp 1,5 Jahre.

Nordhorn Volkshochschule Dach Biberschwanzziegel Das in den 1920er Jahren erbaute Rohgewebelager in Nordhorn steht seit 2002 unter Denkmalschutz. Das Dach des Gebäudes wurde saniert und mit Biberschwanzziegeln neu eingedeckt
Foto: Braas

Das in den 1920er Jahren erbaute Rohgewebelager in Nordhorn steht seit 2002 unter Denkmalschutz. Das Dach des Gebäudes wurde saniert und mit Biberschwanzziegeln neu eingedeckt
Foto: Braas

Obwohl das Dach des Gebäudes schon in Teilbereichen saniert war, kam es dennoch bei extremen Wetterlagen zu Wassereintritten in das Dachgeschoss. Die aus einfachem Drahtglas bestehenden Dachoberlichter waren undicht und entsprachen nicht mehr den heutigen Wärmeschutzstandards. Da die Wassereintritte lange nicht bemerkt wurden, kam es in der Folge auch zu Schäden am Dachtragwerk im Bereich der Sparren und Pfetten.

Nach der Prüfung der Standfestigkeit des Daches durch ein Statikbüro wurde ein Plan für die Sanierung entwickelt. Zahlreiche Bestandteile des Dachstuhls mussten erneuert und ersetzt werden. Die ursprüngliche Dacheindeckung aus Biberschwanzziegeln wies große Schäden auf. So hatten sich immer wieder einzelne Ziegel aus dem Verband gelöst und waren vom Dach gefallen – ein Sicherheitsrisiko für Passanten und die Nutzer des Gebäudes.

Rücksichtnahme auf brütende Mauersegler

In enger Abstimmung mit der Denkmalschutzbehörde der Stadt Nordhorn wurden die Sanierungsarbeiten durchgeführt. Zusätzliche Herausforderungen, vor allem an die Ablaufplanung, ergaben sich durch eine Brutkolonie von Mauerseglern an der Nord- und Ostseite des Gebäudes. Der Mauersegler ist nach dem Bundesnaturschutzgesetz eine besonders geschützte Vogelart. Erst nachdem die Jungvögel die Nester verlassen hatten, konnte die Sanierung an diesen Stellen weitergehen. Während der Brutzeit musste das Gerüst unterhalb der Nester enden, damit die Vögel die Nester ungehindert anfliegen und verlassen konnten.

Neue Unterdeckbahn auf Rauspundschalung

Nachdem die alten Dachziegel von Teilflächen des Daches abgeräumt waren, wurden die Sparren und Pfetten des Daches ertüchtigt und die Rauspundschalung, sofern erforderlich, erneuert. Als behelfsdeckende Maßnahme verlegten die Dachdecker auf der Schalung eine Unterdeckbahn („Divoroll Top RU“) als naht- und perforationsgesicherte Unterdeckung der Klasse 3 entsprechend dem Merkblatt des ZVDH. Dabei wurden die Nähte und Stöße der Unterdeckbahnen regensicher verklebt.

Dachsanierung_VHS_Nordhorn_Unterdeckbahn_BMI_Braas.jpg Die bestehende Rauspundschalung des Daches wurde zum Teil ausgebessert und erneuert. Anschließend wurden neue Unterdeckbahnen verlegt
Foto: Braas

Die bestehende Rauspundschalung des Daches wurde zum Teil ausgebessert und erneuert. Anschließend wurden neue Unterdeckbahnen verlegt
Foto: Braas
Mit der integrierten Doppelklebezone der Bahnen konnten die Längsüberlappungen regensicher, winddicht und insektensicher ausgeführt werden. Die Unterdeckbahn „Divoroll Top“ besteht aus einem vierlagigen Verbund aus Polyolefinfilm/­-gitter und einem Hochleistungs-Vlies und verfügt über einen sd-Wert ≤ 0,03 m. Das ermöglicht die Austrocknung der Konstruktion nach außen.

Nageldichtvlies unter Konterlatten

Konterlatten und Nageldichtlvlies befestigt Auf der Rückseite der Konterlatten befestigten die Dachdecker vorab rückseitig ein Nageldichtvlies. Das Vlies verhindert, dass nach der Montage der Konterlatten Wasser zu den Nagellöchern vordringt
Foto: Braas

Auf der Rückseite der Konterlatten befestigten die Dachdecker vorab rückseitig ein Nageldichtvlies. Das Vlies verhindert, dass nach der Montage der Konterlatten Wasser zu den Nagellöchern vordringt
Foto: Braas
Vor der Verlegung der Konterlatten montierten die Dachdecker Nageldichtvliese als Perforationssicherung an der Unterseite der Latten. Die Konterlattenstücke wurden dafür von den Dachdeckern in der Werkstatt vorgefertigt. Mit einem Schlagtacker wurde das Dichtvlies auf der Unterseite der Konterlatten befestigt. Für die wasserblockierende Eigenschaft sind die in das Vlies eingewebten Absorber entscheidend. Diese reagieren, sobald sie mit Wasser in Kontakt kommen, und können bis zum 300-fachen ihrer Größe aufquellen. Dadurch entsteht eine Blockade, die das Vordringen des Wassers zum Nagelloch verhindert.

Statischer Einzelnachweis mit Windlastberechnung

In Abstimmung mit der Denkmalpflege entschieden sich die Projektverantwortlichen für eine Eindeckung der etwa 2000 m2 großen Dachflächen mit dem Biberschwanzziegel „Opal Standard“ 18 x 38 mit Rundschnitt in der Farbe „Naturrot“ von BMI Braas.

Die Dachdecker verlegten ?Opal Standard?-Biberschwanzziegel auf der Traglattung des Daches Die Dachdecker verlegen die „Opal Standard“-Biberschwanzziegel auf der Traglattung des Daches
Foto: Braas

Die Dachdecker verlegen die „Opal Standard“-Biberschwanzziegel auf der Traglattung des Daches
Foto: Braas

Nach der Montage der Trag- und Konterlatten verlegten die Dachdecker die Biberschwanzziegel und verklammerten sie windsogsicher. Für das Gebäude mit einer Höhe von über 25 m musste ein statischer Einzelnachweis mit einer Windlastberechnung durchgeführt werden. Zur Befestigung der Dachziegel in Doppeldeckung im Ortgang-, Walm- und Traufbereich sowie am Mansardknick und einer Lattenstärke von 30x50 mm wurde ein Verhältnis von 1:2 mit der abgestimmten Sturmklammer vorgegeben. Jeder zweite Biber wurde diagonal versetzt verklammert. 

Vor der Verlegung der Dachziegel montierten die Dachdecker „Aero“-Traufelemente mit integriertem Traufgitter zur Lüftung und als flexible Absperrung gegen Vogeleinflug in das Dach. Die Traufreihe führten die Dachdecker mit Traufplatten aus. Durch die Überdeckung der nächsten Reihen ist sichergestellt, dass die jeweils dritte Deckschicht die erste Deckschicht um die geforderte Höhenüberdeckung überdeckt. Entsprechend wurden die Dachlattenabstände abgestimmt auf die jeweilige Dachneigung festgelegt. Um bei der Anarbeitung an Detailbereiche sowie an andere Dachflächen den geforderten Viertelverband nicht zu unterschreiten, wurden, abgestimmt auf die erforderliche Deckbreite, halbe Biber, Dreiviertel- und Fünfviertel-Biber eingesetzt.

Biberschwanzziegel_Opal_Standard_BMI_Braas.jpg Die Traufreihe wurde von den Dachdeckern mit rechteckigen Traufplatten ausgeführt, die unterhalb der Biberschwanzziegel angeordnet sind
Foto: Braas

Die Traufreihe wurde von den Dachdeckern mit rechteckigen Traufplatten ausgeführt, die unterhalb der Biberschwanzziegel angeordnet sind
Foto: Braas

Firste und Grate

An den 160 m langen Firsten kamen abgestimmte Firstelemente für die trockene Verlegung zum Einsatz. Vor der Verlegung der Firstziegel wurden die Firstlatten mit dem First- und Gratabdeckband „Figaroll Plus S“ abgedeckt. Das Band hat eine variable Breite von 21 bis 25 cm und ist besonders für die fachgerechte Abdeckung bei Biberdächern geeignet, da der Seitenstreifen nicht zu weit unter dem Firstziegel hervorschaut. Das Lüftungslabyrinth mit doppelseitigen Kanälen sorgt für eine hohe Lüftungsleistung an First und Grat. Die Seitenstreifen sind aus Metall gefertigt. Damit ist das „Figaroll Plus S“-Band unempfindlich gegen Verschmutzung und UV-beständig. Das Abdeckband ist mit einer Dehnreserve von 20 Prozent der Seitenstreifen auf die Anwendung bei Biberdächern ausgelegt. 

First mit Figaroll Plus S und Firstziegel HO Lattung Braas Für die First- und Gratbereiche nutzten die Dachdecker das Abdeckband „Figaroll Plus S“. Darüber kam der konische Firstziegel „HO“ mit Firstklammer und Schrauben auf einer Lattung zum Einsatz
Foto: Braas

Für die First- und Gratbereiche nutzten die Dachdecker das Abdeckband „Figaroll Plus S“. Darüber kam der konische Firstziegel „HO“ mit Firstklammer und Schrauben auf einer Lattung zum Einsatz
Foto: Braas

Als First- und Gratziegel kam der konische First „HO“ mit Firstklammer und Schraube auf einer Lattung zum Einsatz. Außerdem verlegten die Dachdecker ein Schneefangsystem mit Gitterstützen, die auf der Schneefangpfanne aufgesteckt wurden. Weitere Systembestandteile, beispielsweise Sanitärlüfter, Thermen- oder Antennendurchgänge, wurden materialgerecht aus Ton eingebaut.

Neue Nisthilfen für die Mauersegler

Nach der Ertüchtigung der Tragkonstruktion für die Firstoberlichter wurden mit dem Kran die neuen Oberlichter aufgesetzt. Montiert wurden modulare Oberlichter von Velux, die per Kran auf das Dach gehoben und einzeln eingebaut wurden. Der Anschluss an die Bedachung erfolgte mit Blei. Damit auch die Mauersegler am sanierten Gebäude wieder ein Zuhause finden können, wurden Nisthilfen installiert. Diese wurden unterhalb der Traufe so angeordnet, dass Krähenvögel sie nicht anfliegen können. Das sanierte Dach der Volkshochschule Nordhorn prägt das denkmalgeschützte Gebäude heute in besonderer Weise.

Unterhalb der Traufe wurden neue Nisthilfen für die Mauersegler eingerichtet Unterhalb der Traufe wurden neue Nisthilfen für die Mauersegler eingerichtet
Foto: Braas

Unterhalb der Traufe wurden neue Nisthilfen für die Mauersegler eingerichtet
Foto: Braas
 

Autor

Dipl.-Ing. Hanns-Christoph Zebe ist mit seiner Agentur Zebe PR auf die Kommunikation im Bauwesen spezialisiert. Er unterstützt den Hersteller BMI Braas in der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit.

Bautafel (Auswahl)

 

Bauherr Landkreis Grafschaft Bentheim

Planung / Ausschreibung Johannes Hensen Baukonzept, Veldhausen, www.hensen-baukonzept.de

Dachdecker ten Wolde & Sohn Bedachungs GmbH, Nordhorn, www.tenwolde.de 

Produkte (Auswahl)

Dachziegel „Opal Standard“, 18 x 38 Rundschnitt, Braas

Unterdeckbahnen „Divoroll Top RU“, Braas

First- und Gratabdeckband „Figaroll Plus S“, Braas, BMI Deutschland, www.bmigroup.com/de/braas

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