Die Energie steckt im Haus       

Die Wohnwelt auf der Erde unterliegt einem großen Wandel. Immer mehr Menschen werden laut Prognosen in Städten wohnen. Das ist einerseits ein großes Problem, andererseits aber eine große Chance, denn das Baugewerbe muss neue Konzepte umsetzen. Im Teil 1 der Serie geht es um das Zukunfsgebäude als Energielieferant.

Erstmals im Jahre 2009 lebten mehr Menschen in Städten als auf dem Land. Die Vereinten Nationen gehen davon aus, dass bis zum Jahre 2050 rund 75 Prozent der bis dahin 9,3 Mrd. Menschen in Städten wohnen werden.

Dieser Trend gilt laut Prognosen in ähnlichem Maße auch für Deutschland, wo der Anteil der Gesamtbevölkerung die im urbanen Umfeld wohnt von 73,9 Prozent im Jahre 2011 auf 76,3 Prozent im Jahre 2025 und 81,8 Prozent im Jahre 2050 ansteigen soll. Hinzu kommt in Deutschland durch den demografischen Wandel eine rapide Alterung der Gesellschaft. 2030 werden 29 Prozent, 2060 dann 34 Prozent aller Einwohner Deutschlands über 65 Jahre alt sein. Diese gesellschaftlichen Vorgänge haben zwangsläufig erhebliche Auswirkungen auf die Ausrichtung der Bauwirtschaft und die Immobilienbranche. Vor allem dann, wenn man zu Grunde legt, dass mindestens zehn Millionen Wohnungen nicht dem gewünschten zukünftigen Wohnstandard entsprechen und davon eine Million Wohnungen wirtschaftlich nicht sanierungsfähig sind und damit durch Neubauten ersetzt werden müssen.

Gebäude nicht mehr nur zum Wohnen

Gebäude werden, neben deren primären Zwecken, wie Wohnen, Verwalten oder Verkaufen in Zukunft sogenannte sekundäre Aufgaben übernehmen: zum Beispiel Energieerzeugung, Schadstoff-Umwandlung, Nahrungsmittelproduktion oder sogar Dienstleistungsfunktion (Gesundheitsüberwachung).

Auch die Dach- und Holzbaubranche kann darin, neben der energetischen Sanierung, ein weiteres innovatives Betätigungsfeld finden – vorausgesetzt es besteht eine Offenheit, neue Wege zu gehen.

Das Haus als Energieerzeuger

Die Bundesrepublik hat sich im Rahmen ihrer europäischen Verpflichtung zum Ziel gesetzt, bis zum Jahre 2020 mindestens 20 Prozent der Endenergie und im Jahre 2050 80 Prozent des Bruttostromverbrauches durch die Verwendung Erneuerbarer Energien zu decken. Gebäude, besonders auch solche in der Stadt, müssen deshalb einen erheblichen Beitrag leisten, um diese Ziele auch zu erreichen. Stadtgebäude verfügen aber häufig über zu wenig Dachflächen, so dass künftig – neben den Markteingeführten Dach-Energiesammlern (Solarthermie- und Photovoltaiksysteme) – zusätzlich Wand beziehungsweise Fassadenflächen zur Energieerzeugung herangezogen werden müssen. Aus der hochwärme-gedämmten Passivfassade wird so ein Plus-Energie-Bauteil.

Im nachfolgenden werden einige neue Ansätze vorgestellt, die in Kombination mit werksvorgefertigten holzbasierten Fertigteilen einen hohen Mehrwert für Bauherren und Immobilienbesitzer bieten können.

Transparenter Solarthermischer Kollektor (TSTC)

Grundsätzlich eignet sich diese Technik sehr gut, um in die Fassade integriert zu werden. Die senkrechte Ausrichtung des Kollektors erzeugt im Sommer weniger Energie, im Winter jedoch werden, auf Grund des flachen Einstrahlwinkels der Sonne, sehr hohe Erträge erzielt, die zu Heizzwecken herangezogen werden können. Aufgrund der Anordnung der Lamellen kann man durch die Scheiben hindurchschauen.

Der Kollektor kann entweder in einer sogenannten „Zweite-Haut-Fassade“ mit vorkonditionierter Luft integriert werden oder in einer luftdichten Dreifachverglasung. Eine weitere Variante, dieses System einzusetzen, ist auch die Integration in einen feststehenden Sonnenschutz.

Vakuumröhren-Luftkollektor

Im Unterschied zu auf den marktbefindlichen Flachabsorbern werden bei den Vakuumröhrenabsorbern Systemtemperaturen von bis zu 230 Grad Celsius erreicht, so dass diese nicht nur zur Energiesammlung genutzt sondern direkt zur aktiven Heizfläche werden. Die Kollektoren können horizontal und vertikal, fassadenintegriert oder hinterlüftet montiert werden.

PVShade Fassade

Bei der PVShade oder auch BIPV-Komponente (Building Integrated Photovoltaic) genannten Fassade handelt es sich um eine teiltransparente Anwendung von Photovoltaik(PV)-Elementen. Auf diese Weise können Fenster oder Ganzglasfassaden für den Nutzer mindestens teilweise „durchschaubar“ bleiben und damit auch dort Verwendung finden, wo sich bisherige geschlossene PV-Elemente verbieten. Andererseits wirken die Fotovoltaikstreifen als Teilverschattung und reduzieren damit den Lichteinfall.

Kleinwindanlagen

Kleinwindanlagen sind nach § 50 in Verbindung mit Anhang 1 der LBO (LBO Baden-Württemberg) bis zu einer Höhe von 10 m Nabenhöhe verfahrensfrei. Aber auch wenn das Bauvorhaben verfahrensfrei ist, müssen verschiedene Rechtsvorschriften eingehalten werden.

Lohnend können solche Systeme werden, wenn an dem Standort (Höhe des Gebäudes) gute Windverhältnisse zu erwarten sind. Kleinwindkraftanlagen werden sowohl mit vertikaler als auch mit horizontaler Achse angeboten. Häufig jedoch scheitert die Installation einer solchen Anlage an den bezogen auf die installierte Spitzenleistung relativ hohen Investitionskosten.

Energiespeicherung

Mit Erreichung der so genannten Netzparität, das heißt dem Absinken der Herstellkosten für elektrischen Strom unter die regulären Verbraucherpreise, lohnt es sich, diesen zu speichern und später dem Eigenverbrauch zuzuführen.

Die derzeit auf dem Markt befindlichen Batterieanlagen generieren jedoch noch Kosten von cirka 1,-€/Kwh und haben damit die relevante Markteintrittsschwelle noch nicht erreicht. Der derzeitige Einsatz wird deshalb in der Aufladung von Batteriesystemen in mobilen Einheiten (Zweirädern oder Kraftfahrzeugen) gesehen und substituiert damit den teuren Kraftstoff.

Für höhere Gebäude könnte auch die Methode des Pumpspeicherkraftwerkes angewandt werden. Allerdings wird dafür Platz (also auch Lasten) auf dem Dach beziehungsweise im Basisgeschoß des Gebäudes benötigt. Entsprechende erprobte Anwendungen sind dem Autor nicht bekannt.

Schwungräder als Energiespeicher

Diese eigenen sich aufgrund der sehr kurzen Zugriffszeit und hohen Zyklenanzahl als Kurzzeitspeicher. Allerdings ist die Energiespeicherdichte bezogen auf die eingesetzten Speichermasse nur halb so hoch wie bei Lithium-Ionen-Batterien.

Wasserstoff als Speichermedium – Power-to-Gas

Der überschüssige elektrische Strom (zum Beispiel durch eine PV-Anlage) wird durch die Elektrolyse von Wasser zur späteren Verwendung als Brennstoff umgewandelt. Die Energierückführung geschieht in einer Gasturbine (Blockheizkraftwerk), besser jedoch in der Brennstoffzelle. Die sogenannte Power-to-Gas-Technik ist derzeit in der Entwicklungsphase, die erzielbaren technischen Wirkungsgrade erlauben zur Zeit jedoch noch keine „Allerweltsnutzung“ im Bauwesen.

Im zweiten Teil des Beitrages befasst sich der Autor mit der Möglichkeit, Häuser in die Schadstoff-Reduzierung (Schall, Luftverschmutzung) miteinzubeziehen. Zudem geht er der Möglichkeit nach, in der Stadt, im oder am Gebäude zu Gärtnern.

Autor

Dipl. Ingenieur (FH) Holztechnik Gerhard Lutz ist Ressortleiter und Wissenschaftlicher Berater im Kompetenzzentrum für Holzbau & Ausbau in Biberach und vertritt als Vertr. Professor der Hochschule Biberach in der Fakultät Projektmanagement/Bauingenieurwesen den schlüsselfertigen Ingenieurhochbau.

Quellen

Zukunftsorientierte Lösungsansätze für verdichteten Wohnungsbau

Bachelorthesis Daniel Schank, 2014, Hochschule Biberach/Riß; bei Vertr. Prof. Dipl. Ing. Gerhard Lutz.

Gebäude werden in Zukunft auch Schadstoffe umwandeln und Energie oder gar Nahrungsmittel erzeugen

x

Thematisch passende Artikel:

Ausgabe 03/2015

Stadt der Zukunft: sauber und essbar

Die rasch fortschreitende Urbanisierung fördert im Siedlungsraum der Städte diverse Umweltproblematiken, die zum Teil massive Auswirkungen auf die Gesundheit der Bewohner haben. Neben Industrie- und...

mehr
Ausgabe 01/2015

Liebe Leserin, lieber Leser,

auf der BAU in München war „die Zukunft des Bauens“ angekündigt und wir von der Redaktion unserer Zeitschriften bauhandwerk und dach+holzbau waren sehr gespannt, was uns erwarten würde. Ob „die...

mehr