Begrüntes Steildach für einen Holzrahmenbau

Dachbegrünungssystem für Steildächer mit unterschiedlichem Gefälle

Ein Steildach mit Begrünung ist technisch aufwändiger zu realisieren als ein begrüntes Flachdach, bietet aber die gleichen Vorteile. Um das Steildach eines Wohnhauses in Unlingen zu begrünen, nutzte man aufgrund der unterschiedlichen Dachneigungen zwei verschiedene Gründachsysteme.

Einen grünen „Hut“ sollte das Holzhaus in Unlingen  im Landkreis Biberach erhalten – das war der ausdrückliche Wunsch der Bauherrin, die damit der Natur zumindest einen Teil der versiegelten Fläche zurückgeben wollte. Das Satteldach mit 20° beziehungsweise 30° Dachneigung wurde mit zwei unterschiedlichen Gründachsystemen von Zinco begrünt – mit den dazugehörigen Maßnahmen zur Schubabtragung und zum Erosionsschutz.

Das Holzhaus wurde von der Onoxo home, einer Marke der Kerngesund Haus GmbH aus Jungingen, in Holzrahmenbauweise erstellt und außenseitig mit einer Holzfaserdämmung versehen. Für den Bau des KfW 55-Hauses hat das Holzbauunternehmen auch Altholz verwendet, so wurde unter dem Motto „re-use“ die Holzfassade aus gebrauchten Nut- und Federbrettern gestaltet.

Schnittstelle Dachabdichtung und Gründach

Die fachgerechte und wurzelfeste Abdichtung des Schrägdachs übernahm die W. Müller GmbH & Co. KG Bedachungen aus Weinstadt-Endersbach. Zu diesen  Arbeiten zählten auch der Einbau und das Eindichten der Grundplatten für die Schubhalter („Schubfix LF 600“) zur Schubabtragung auf dem Steildach. Mit einem Abstand von 60 cm wurden die Schubhalter auf jedem der Dachsparren an der Traufe montiert. Das Los-Festflanschsystem bildet, zusammen mit der bauseits seitlich vorhandenen Attika, den konstruktiven Rahmen für die Begrünung. Dabei wird die flache Grundplatte dieses Halterungssystems verschraubt und bituminös oder mittels Flüssigkunststoff eingedichtet. Der Schubhalter wird dann aufgesetzt und als Losflansch verschraubt. Danach wurde das passende Traufprofil in diese Konstruktion eingelegt, bevor mit dem Systemaufbau der Begrünung begonnen werden konnte. Die Anfrage bei Zinco für ein passendes Begrünungssystem für die Steildachflächen führte zu zwei unterschiedlichen Möglichkeiten für den Systemaufbau. Die Schubkraft der Dachseite mit 20° Neigung beträgt an der Traufe nach sechs Metern Länge etwa 560 kg/m. Bei 30° Dachneigung und einer Dachlänge von vier Metern liegt sie bei 550 kg/m. Diese Lasten können die Schubhalter an der Traufe ohne zusätzliche Schubschwellen in der Fläche abtragen.

Passend zu den vorhandenen Dachneigungen setzte man die Systeme „Begrüntes Schrägdach“ (rechts) auf der flacher geneigten und „Begrüntes Steildach“ (links) auf der steiler geneigten Dachfläche ein

Foto: Zinco

Passend zu den vorhandenen Dachneigungen setzte man die Systeme „Begrüntes Schrägdach“ (rechts) auf der flacher geneigten und „Begrüntes Steildach“ (links) auf der steiler geneigten Dachfläche ein
Foto: Zinco

Dränelemente, Substrat und Vegetationsmatten

Auf der flacheren und größeren Dachhälfte mit 20° Neigung kam der Systemaufbau „Begrüntes Schrägdach“ mit „Floraset FS 75“ von Zinco zum Einsatz. Dieses beidseitig verwendbare Dränelement wird für den Einsatz auf dem Schrägdach mit der Noppenseite nach oben verlegt. Die Becherstruktur ist damit in der Lage, das Substrat auf Schrägdächern bis 25° Dachneigung zu verzahnen. Die Dränageelemente sind, sofern sie richtig eingebaut und damit vor UV-Strahlung geschützt sind, widerstandsfähig und dauerhaft formstabil. Damit setzen sie laut Hersteller auch keine Mikrokunststoff-Fasern frei oder geben diese an den Boden beziehungsweise das Substrat ab. Unter den Dränelementen liegt die Bewässerungs- und Schutzmatte „BSM 64“. Diese speichert, zusätzlich zur Systemerde, Regenwasser.

Die Systemerde „Lavendelheide-Leicht“ wird in Big Bags geliefert
Foto: Zinco / Petra Reidel

Die Systemerde „Lavendelheide-Leicht“ wird in Big Bags geliefert
Foto: Zinco / Petra Reidel

Die für das Steildach verwendete Erde („Lavendelheide-Leicht“) kam direkt aus Big Bags, die per Kran über dem Dach eingehoben wurden, auf die Polystyrol-Hartschaum-Elemente. Per Schaufel und Rechen ließ sich das Substrat gleichmäßig auf der Dachfläche verteilen. Das dauert pro Big Bag mit 1 m³ Fassungsvolumen etwa fünf bis zehn Minuten. „Die aufgebrachte Substrathöhe beträgt bei so einem Dachaufbau im Mittel rund 11 cm und bietet den eingesetzten Vegetationsmatten über Jahrzehnte eine ideale, ihren Ansprüchen angepasste Wachstumsgrundlage“, erklärt Sophie Lößner, B.Eng. (FH) Landschaftsarchitektur, die in der Zinco-Anwendungstechnik arbeitet.

Nach dem Auslaufen aus dem Big Bag wird das Substrat per Schaufel und Rechen verteilt


Foto: Zinco / Petra Reidel

Nach dem Auslaufen aus dem Big Bag wird das Substrat per Schaufel und Rechen verteilt

Foto: Zinco / Petra Reidel

Über dem Substrat wurden die Vegetationsmatten „Sedumteppich“ verlegt. Die mit vier bis acht unterschiedlichen Sedum-Arten bewachsenen, vorkultivierten Vegetationsmatten bestehen aus einem Erosionsschutzgewebe, das aus Kokosfasern sowie einem beidseitig versteppten Kunststoffnetz hergestellt ist. Die Breite der Matten beträgt einen Meter, in der Länge können sie variabel mit zwei oder vier Metern bestellt werden. Die Vegetationsmatten werden aufgerollt und auf Paletten gestapelt geliefert. Bei dem Bauvorhaben in Unlingen wurden die Vegetationsmatten per Autokran auf das Dach gehoben. Dort wurden die Rollen zügig abgeladen und entlang des Firsts verteilt. Die obersten Matten sind mit Kabelbindern gesichert und auch die daran anschließenden Rollen entsprechend befestigt. Dies zahlte sich bereits wenige Tage nach der Fertigstellung des Gründachs aus, als sich ein Gewitter mit extremem Starkregen über die frisch begrünte Dachfläche ergoss. Die Vegetationsmatten hielten wie geplant alles an Ort und Stelle.

  Nach dem Abladen werden die Vegetationsmatten zuerst am First entlang verlegt
Foto: Zinco / Petra Reidel

Nach dem Abladen werden die Vegetationsmatten zuerst am First entlang verlegt
Foto: Zinco / Petra Reidel

Begrünung für die steiler geneigte Dachseite

Für die steilere Dachseite mit 43 m² Fläche und einer Neigung von 30° kam der Systemaufbau „Begrüntes Steildach“ mit „Georaster-Elementen“ zum Einsatz. Diese Elemente bestehen zu fast 100 Prozent aus recyceltem Kunststoff. Zur Schubabtragung verfügen sie über verstärkte Mittelstege und werden an den Stößen miteinander verklippt. Wie Bienenwaben angeordnet, bietet dieses System dadurch selbst bei steilen Dächern (standardmäßig bis zu 35° Neigung) eine hohe Stabilität und viel durchwurzelbaren Raum. So konnte die steilere Dachhälfte ebenfalls ohne Schubschwellen begrünt werden.

Das auf dem Steildach verlegte „Georaster“ schließt unten mit dem Traufprofil ab. Gehalten wird das Ganze durch Schubhalter auf den Dachsparren
Foto: Zinco / Petra Reidel

Das auf dem Steildach verlegte „Georaster“ schließt unten mit dem Traufprofil ab. Gehalten wird das Ganze durch Schubhalter auf den Dachsparren
Foto: Zinco / Petra Reidel

Unter den „Georaster“-Elementen wurde die Wasserspeichermatte „WSM 150“ verlegt. Diese kann viel Feuchtigkeit aufnehmen und über die Kapillarkräfte des Substrats wieder an die Pflanzen abgeben. „Mit diesen Begrünungssystemen ist es sogar möglich, in die Jahre gekommene, klassische Satteldächer zu restaurieren und für ein besseres Kleinklima in den Städten zu sorgen“, erklärt Lößner. Natürlich gilt es hier vorab die Statik zu prüfen, einen entsprechenden Unterbau mit Aufkantung aufzubringen und die Schneelast nicht außer Acht zu lassen. Solche Maßnahmen könnten in Zukunft nicht nur die Artenvielfalt im urbanen Raum steigern, sondern auch sommerliche Hitzeperioden abmildern, da sich Gründächer unwesentlich aufheizen sowie durch Verdunstung kühlen. Die Zinco-Anwendungstechnik steht dabei für Anfragen aus dem Dachdeckerhandwerk beratend und mit Ausschreibungsunterlagen, Erfahrungswerten sowie konkreten Berechnungen zur Seite.

 

Bewässerung manuell oder automatisch

Bei begrünten Schräg- und Steildächern empfiehlt Sophie Lößner grundsätzlich eine Bewässerung von Hand, mittels Regner oder über ein automatisches Bewässerungssystem mit Tropfschläuchen. Denn die Möglichkeiten zur Wasserspeicherung sind bei Steildachbegrünungssystemen eingeschränkt, anders als bei Flachdächern. Die Systemaufbauten, die auf dem Dach des Hauses in Unlingen eingesetzt wurden,  können bei Bedarf mit einer automatischen Bewässerung ausgestattet werden. Das sorgt für ein optisch ansprechendes Erscheinungsbild selbst in extremen Trockenzeiten.

Die verklippten „Georaster“-Elemente enthalten nach der Verlegung an den Stößen einen Spalt von 2 cm, durch den der Tropfschlauch („100-L1“ von Zinco) geführt werden kann. Das sorgt letztendlich zu einem passenden Schlauchabstand auf der Dachfläche. Beim Aufbau mit „Floraset FS 75“ werden die Tropfschläuche direkt auf den Dränelementen installiert. Unterflurbewässerungen sorgen dafür, dass die Pflanzung das Substrat schneller und tiefer durchwurzelt, was einen besseren Erosionsschutz bewirkt. Ein Bewässerungssystem kann mit Grundwasser gespeist werden oder idealerweise mit Grauwasser, das zum Beispiel aus einer Zisterne stammt. Der Trinkwasserschutz sowie die Steuerung der Bewässerung sind bauseits vorzusehen.

 

Abschluss an der Traufe

Das Traufprofil ist mit einem anthrazitfarbenen Blech verblendet, der Kontrollschacht unauffällig in der Ecke platziert
Foto: Zinco / Petra Reidel
Das Traufprofil ist mit einem anthrazitfarbenen Blech verblendet, der Kontrollschacht unauffällig in der Ecke platziert
Foto: Zinco / Petra Reidel

Die Schubhalter am unteren Ende der Begrünung halten das Traufprofil („TRP 140“). Dieses gibt das überschüssige Wasser durch seine Schlitzlochung an die Dachrinne ab, die das Wasser direkt der Zisterne zuführt. Wer diese sehr technisch anmutende Optik der Schubhalter kaschieren möchte, die häufig durch Moos unschön wird, greift zu einem Abdeckblech, das Zinco in Edelstahl oder Aluminium anbietet und das lediglich in das Winkelprofil eingehängt wird. Die Bauherrin des Wohnhauses in Unlingen hat sich für eine individuelle Lösung aus pulverbeschichtetem, anthrazitfarbenem Blech entschieden.

Autorin

Dipl.-Ing. agr. Petra Reidel betreibt das „blätterwerk redaktionsbüro“ in Unlingen. Zu den Kunden der Redakteurin und Autorin gehören Verlage, Verbände und Fachzeitschriften.

Systeme zur Steildachbegrünung 

Durch die Begrünung von Steildächern kann die Biodiversität erhöht und der Abfluss von Regenwasser vermindert werden. Allerdings sei die Begrünung und Pflege von Steildächern aufwändiger im Vergleich zu Flachdächern, erklärt Zinco-Geschäftsführer Dieter Schenk. „Bis zu einer Dachneigung von 10°, was etwa 18 Prozent entspricht, können die ‚normalen‘ Flachdach-Begrünungssysteme eingesetzt werden. Übersteigt die Dachneigung 10°, sind höhere Schubkräfte, Erosionsschutz, Wasserrückhalt und -abfluss, Pflanzenauswahl und Sonnenexposition bei Nord-Süd-Lage zu berücksichtigen.“

Wasserrückhalt entlastet Kanalsystem

Grundsätzlich hat jede Dachform ihre Vorteile und vor allem ihre Reize. Ökologisch sowie wirtschaftlich sind 0-Grad-Dächer am interessantesten. Hier ist der verzögerte Wasserabfluss ins Kanalsystem ein großer Vorteil. Mit speziellen „Retentions-Spacerelementen“ kann der Wasserrückhalt auf dem Dach zusätzlich optimiert werden. Zudem sind auf Flachdächern alle Begrünungsvarianten bis hin zur Intensivbegrünung in all ihren Facetten möglich. So wird das Dach zur nutzbaren Freifläche.

Wartung und Pflege

Zwei bis vier Kontrollgänge pro Jahr werden für Schrägdachbegrünungen empfohlen. „Bei Extensivbegrünungen, die nur aus Sedum-Arten bestehen, so wie auf diesem Dach, ist es einfach, den Fremdbewuchs aus Beikräutern oder auflaufenden Baumsamen zu erkennen und zu entfernen“, sagt Sophie Lößner von der Zinco-Anwendungstechnik.

In der Entwicklungspflege ist eine Bodendeckung von 90 Prozent zu erreichen, was sich über zwei Jahre erstrecken kann. Satteldächer mit geringerer Dach-neigung können auch mit günstigeren Flachballenpflanzen begrünt werden. Gedüngt wird bei Bedarf durch eine Erhaltungsdüngung alle zwei bis drei Jahre in den Monaten März bis April mit einem umhülltem Langzeitdünger. Durch diese Düngung kann der Moosbewuchs eingeschränkt werden.

Bautafel (Auswahl)

Projekt Holzrahmenbau mit Steildachbegrünung in Unlingen (Landkreis Biberach)

Baujahr 2021

Dachfläche etwa 110 m²

Dachabdichtungsarbeiten W. Müller GmbH & Co. KG Bedachungen, Weinstadt-Endersbach

Dachbegrünung Zinco-Systemaufbauten: „Begrüntes Schrägdach“ mit „Floraset FS 75“ und „Begrüntes Steildach“ mit „Georaster“-Elementen, Zinco GmbH, Nürtingen, www.zinco.de

Holzbau Onoxo Homes, Kerngesund Haus GmbH, Jungingen, www.onoxo-homes.de

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