Neues Holz-Beton-Verbunddeckensystem

Bei der Sanierung eines Wohnhauses im österreichischen Amstetten kamen industriell vorgefertigte, verklebte Holz-Beton-Verbunddecken zum Einsatz. Die Unternehmensgruppe Fischer und die Universität für Bodenkultur in Wien (BOKU) haben bei diesem Projekt erstmals ein gemeinsam entwickeltes, neues Verbunddeckensystem getestet.

Gemeinsam mit der Universität für Bodenkultur in Wien hat die Unternehmensgruppe Fischer ein neues Holz-Beton-Verbunddeckensystem entwickelt. Dabei kommt ein High-Tech-Klebstoff aus Epoxidharz von Fischer in Kombination mit einem neuen Herstellungsverfahren zum Einsatz, um Bauteile aus Holz und Beton miteinander zu Deckenelementen zu verkleben. Anders als bei mechanischen Verbindungsmitteln, die für Holz-Beton-Verbundelemente genutzt werden, lassen sich die verklebten Fugen zwischen dem Holz und den Betonelementen grundsätzlich wieder sauber trennen, eine Zerkleinerung der Betonplatte ist dabei nicht nötig. Geklebte Verbundelemente ermöglichen zudem die separate Fertigung der Holz- und Betonelemente und somit einen geringeren Feuchteeintrag ins Holz sowie eine höhere Flexibilität des Fertigungs- sowie Lagerungsprozesses bis zur vollständigen Aushärtung der Betonelemente.

Ein HBV-Deckenelement: Unterschiedliche Dicken der Holzbalken aus der Bemessung. Variables, flexibles System. Aussparungen in der Decke für die Technische Gebäude Ausstattung (TGA) Ein vorgefertigtes Holz-Beton-Verbunddeckenelement mit Holzbalken in unterschiedlichen Dicken und Aussparungen für die technische Gebäudeausrüstung (TGA) wird eingehoben
Foto: Fischer

Ein vorgefertigtes Holz-Beton-Verbunddeckenelement mit Holzbalken in unterschiedlichen Dicken und Aussparungen für die technische Gebäudeausrüstung (TGA) wird eingehoben
Foto: Fischer
Der Forschungspartner für das neue Holz-Beton-Verbunddeckensystem ist Univ. Prof. Dipl.-Ing. Dr. techn. Benjamin Kromoser, der von 2018 bis 2022 eine Fischer-Stiftungsprofessur für „Biobasiertes Konstruieren“ an der Universität für Bodenkultur in Wien (BOKU) innehatte. Seit 2022 ist er an der BOKU Professor für ressourceneffizienten Hochbau und Leiter des neu gegründeten Instituts für Hochbau, Holzbau und kreislaufgerechtes Bauen (IHB). Um die industriell vorgefertigten und geklebten Holz-Beton-Verbunddecken (HBV) zu realisieren, stellte Prof. Kromoser als Bauherr seine eigene Liegenschaft in Amstetten (Niederösterreich) zur Verfügung. 

Forschung in die Praxis transferieren

„Mit dem Ziel, das nachhaltige, ressourcenschonende und recyclingfähige Bauen voranzubringen, transferiere ich meine Forschung in die Praxis und experimentiere auch bei meinem privaten Sanierungsvorhaben mit bauteilaktivierten, geklebten HBV-Decken sowie weiteren innovativen Ansätzen“, sagt Prof. Kromoser und ergänzt: „Die Lernkurve und die Möglichkeit, erprobte Forschungskonzepte auf Jahre hin hautnah zu beobachten und zu dokumentieren, ist fantastisch.“

Einheben der HBV-Deckenelemente mit dem Kran. Die Elemente werden auf die Randbalken und hier in die dafür vorgesehenen Aussparungen eingehoben Die Holz-Beton-Verbunddecke wird per Kran auf die Randbalken des Bestandsgebäudes und in die dafür vorgesehenen Aussparungen eingehoben
Foto: Fischer

Die Holz-Beton-Verbunddecke wird per Kran auf die Randbalken des Bestandsgebäudes und in die dafür vorgesehenen Aussparungen eingehoben
Foto: Fischer
Das 94 Jahre alte, zu sanierende Haus mit 10,5 m x 12 m Grundfläche umfasst vier Geschosse mit insgesamt etwa 280 m² Nutzfläche, auf die sich drei Büros, drei Badezimmer und sieben Wohnräume verteilen. Den Gebäudebestand mit 48 cm dicken Außenmauern zu erhalten, statt abzureißen, war dabei für die Ökobilanz des Bauwerks über dessen Lebenszyklus hinweg das beste Vorgehen. Dabei wird das Gebäude mit neuartigen Materialien und Systemen für die nächsten 100 Jahre nutzbar gemacht.

Hohe Tragfähigkeit und geringe Bauhöhe

„Gerade im mehrgeschossigen Wohnbau ist das gute Verhältnis der Steifigkeit, Bauhöhe und Nachhaltigkeit der geklebten Holz-Beton-Verbunddecken als Bauweise für die Zukunft attraktiv“, erklärt Prof. Kromoser. „Holz sorgt dabei für die Zug- und Beton für die Druckfestigkeit. Durch den Klebeverbund dieser Materialien in der Fuge wird eine hohe Tragfähigkeit und eine verbesserte Steifigkeit und damit geringere Durchbiegungen des gesamten Elements im Vergleich zu punktuellen Befestigungen erzielt.“ HBV-Decken ermöglichen durch ihre Materialkombination eine geringere Bauhöhe und schlankere Bauweise als reine Holzkonstruktionen. Zudem kann der Einsatz von Beton reduziert werden, was zu einer geringeren CO2-Bilanz als bei reinen Betondecken führt. Stattdessen wird mehr Holz verbaut, ein nachwachsender Rohstoff mit positiven Auswirkungen auf die Ökobilanz. Durch den neuen Klebeverbund der Holz-Beton-Verbund-decken gestalte sich zusätzlich der Herstellungsprozess effizienter, ergänzt Prof. Kromoser. Die Vorfertigung und Standardisierung der Prozesse sorge für eine verlässliche Ausführungsqualität und Beständigkeit. 

Einbringen der HBV-Elemente an einer kniffligen Stelle. Angepasstes Element mit Aussparungen für den Schornstein Einbringen eines Holz-Beton-Verbunddeckenelements an einer kniffligen Stelle. Das vorgefertigte Deckenelement verfügt über Aussparungen für den Schornstein
Foto: Fischer

Einbringen eines Holz-Beton-Verbunddeckenelements an einer kniffligen Stelle. Das vorgefertigte Deckenelement verfügt über Aussparungen für den Schornstein
Foto: Fischer

Die Holz-Beton-Verbunddecken für die Sanierung des Wohnhauses in Amstetten wurden werksseitig  vollständig vorgefertigt und auf die Baustelle transportiert, wo sie im ersten Quartal 2024 prototypisch eingebaut wurden. Produziert hatte sie die MMK Holz-Beton-Fertigteile GmbH in ihrem Stammwerk in Wöllersdorf. In zwei Geschossen des Hauses in Amstetten verbauten die damit beauftragten Zimmerer vom Lagerhaus Meistercenter Zwettl (Niederösterreich) vorgefertigte Holz-Beton-Verbund-Balkendecken auf rund 150 m² Fläche. Die hierbei eingesetzten Deckenelemente bieten eine hohe Tragfähigkeit sowie Materialersparnisse durch einen strukturoptimierten Holzeinsatz. Die Decken wurden mit einer werksseitig installierten Bauteilaktivierung zum Kühlen und Heizen der Räume ausgestattet. Auf 45 m² verbauten die Zimmerer zudem in einer Garage des Hauses eine Flachdecke aus einer durchgehenden Beton- und Brettsperrholzplatte. Diese Konstruktion verleiht der Decke eine hohe Formstabilität sowie Tragfähigkeit in alle Richtungen und ist von Vorteil, wenn geringe Bauhöhen erwünscht sind. Unterschiedliche Montageverfahren kamen dabei zum Einsatz, wobei die Zimmerer die Decken zum einen in der Bestandswand verankerten und zum anderen wie im Neubau auf den Mauerkranz auflegten. Das Endergebnis kann sich sehen lassen und leistet einen wichtigen Beitrag für den Transfer der Forschung in die Baupraxis.

Autorin

Katharina Siegel-Rieck ist als Pressereferentin der Fischer ­Befestigungssysteme und Fischer Electronic Solutions bei der Fischerwerke GmbH & Co. KG in Waldachtal tätig.

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