Um zwei Geschosse aufgestockt

Aufstockung von vier Mehrfamilienhäusern in Dresden um jeweils zwei Geschosse in Holzbauweise

Eine Wohnungsgenossenschaft in Dresden stockt derzeit Mehrfamilienhäuser um zusätzliche Stockwerke in Holzbauweise auf. Daraus ergeben sich besondere Brandschutzanforderungen. Erfüllt werden diese mit dem Einsatz von Gipsfaserplatten, Steinwolldämmung und Trockenestrichelementen.

Ursprünglich wollte die Wohnungsgenossenschaft Johannstadt (WGJ) in ihre vier Mietshäuser in der Blasewitzer Straße nur neue Aufzüge einbauen lassen. Im Rahmen der Planung entstand aber die Idee, die Häuser aufzustocken. Mehrere Architekturbüros wurden mit der Entwicklung geeigneter Konzepte beauftragt. Die Dresdner O+M Architekten GmbH setzte sich dabei mit ihrem Konzept für eine Aufstockung durch. Zwei von vier Häusern wurden bereits aufgestockt, bei zwei Häusern ist die Aufstockung noch im Gange.

Holzbauweise belastet Bestand nicht

Die Häuser wurden in der frühen Nachkriegszeit in massiver Bauweise mit Platten aus Ziegelsplitt-Beton gebaut. Sie haben dadurch nur eingeschränkte statische Reserven. Daher entschieden sich die Architekten für eine Aufstockung mit einer leichten Konstruktion aus vorgefertigten Holzrahmenwänden und Holzdecken. Nur die Wände und Decken der aufgestockten Treppenhäuser wurden aus Brandschutzgründen aus Poren­beton gebaut. Die Fassaden der aufgestockten Geschosse sind mit HPL-Platten versehen („High Pressure Laminate“ = Hochdruck-Schichtpressstoffplatten).

Während der Aufstockung bewohnt

Neben der Lösung statischer Probleme bietet die Holzbauweise weitere Vorteile: Die Aufstockung der bestehenden Gebäude konnte dadurch in relativ kurzer Bauzeit durchgeführt werden. Ein schneller Baufortschritt war hierbei nicht nur aus Kostengründen geboten: Die Gebäude blieben während der gesamten Aufstockung bewohnt. Die Mieter mussten sich für ein knappes Jahr mit den Nebeneffekten einer Großbaustelle arrangieren. Am Schlimmsten traf es die Bewohner der fünften Etage, die während der Demontage des alten Satteldachs tagsüber ihre Wohnungen verlassen mussten. Als Entschädigung reduzierte die Wohnungsgenossenschaft aber während der Bauarbeiten die Mieten.

Durch Aufstockung in die Gebäudeklasse 5

Die Entscheidung für eine Aufstockung führte dazu, dass die Häuser nach der Sächsischen Bauordnung der Gebäudeklasse 5 zuzuordnen sind. Diese Klasse umfasst Gebäude, bei denen die Fußbodenoberkante des höchstgelegenen Geschosses, in dem ein Aufenthalt möglich ist, mehr als 13 Meter über der Geländeoberfläche liegt. In dieser Gebäudeklasse sind nur Konstruktionen zulässig, bei denen tragende und aussteifende Wände und Stützen (entsprechend der DIN 4102-2 bzw. der EN 1363-1) feuerbeständig sind (F90-AB). Dabei müssen im Brandfall die Tragfähigkeit und der Raumabschluss von Bauteilen mindestens 90 Minuten lang gewährleistet sein. Für feuerbeständige Bauteile gilt, dass sie in den wesentlichen Teilen aus nichtbrennbaren Baustoffen (Baustoffklasse A) bestehen.

Holzbauweise ausgeschlossen – oder doch nicht?

Holzkonstruktionen sind damit in dieser Gebäudeklasse praktisch ausgeschlossen. Die sächsische Landesbauordnung sieht den mehrgeschossigen Holzbau zwar grundsätzlich vor, aber nur bis zur Gebäudeklasse 4. Die tragenden Bauteile müssen in dieser Gebäudeklasse hochfeuerhemmend ausgeführt werden. „Für Gebäude der Gebäudeklasse 5 jedoch existieren keine derartigen Vorschriften oder bauordnungsrechtlichen Vorgaben,“ heißt es von der RJP GmbH Ingenieurgemeinschaft für Bautechnik aus Dresden, die im vorliegenden Fall das Brandschutzkonzept erstellt hat. Ein Erhöhen der brandschutztechnischen Anforderungen an die Bauteile für eine Feuerwiderstandsdauer von 90 Minuten hätte aber zu sehr aufwändigen und unwirtschaftlichen Konstruktionen geführt, so die Ingenieurgemeinschaft. Das Konzept beinhaltet daher die Festlegung der Brandschutzanforderungen REI 90 K245 für die tragenden Holzkonstruktionen im ersten Dachgeschoss und REI 30 K230 im zweiten Dachgeschoss.

Kleine Zellen im Brandfall gut beherrschbar

Für zusätzliche Sicherheit sorgt auch, dass die Wohnungen untereinander durch Trennwände brandschutztechnisch unterteilt sind. Damit entstehen relativ kleine Zellen, die im Brandfall gut beherrschbar sind. Sowohl auf den Oberflächen als auch bei den Dämmstoffen in den Ständerwänden wurden nichtbrennbare Materialien verarbeitet. Zur Brandfrüherkennung erhielten alle Wohnungen Rauchwarnmelder. Das Risiko einer Brandübertragung über Installationen der Haustechnik wurde durch Vorwandinstallationen reduziert. Durch die massive Bauweise des Treppenhauses als Fluchtweg können außerdem die baurechtlichen Anforderungen an diesen Bereich eingehalten werden. Die Holzständerwände wurden brandschutztechnisch wirksam mit nichtbrennbaren Gipsfaserplatten von Fermacell beplankt. Alle Wände erhielten beidseitig in Abhängigkeit der Brandschutzanforderungen (Feuerwiderstand und Kapselkriterium) eine entweder ein- oder zweilagige Beplankung aus Gipsfaserplatten. Die Hohlräume wurden mit nicht brennbarer Steinwolle der WLG 035 gedämmt.

Im ersten Dachgeschoss wurden die Außenwände in Holzrahmenbauweise raumseitig mit einer Installationsebene (50 mm) sowie einer doppelten Lage aus 12,5 mm dicken Gipsfaserplatten geschlossen. Die hölzerne Wandkonstruktion ist beidseitig mit jeweils einer doppelten Lage aus 15 mm dicken Gipsfaser­platten beplankt. Raumseitig sind 50 mm Steinwolldämmstoff verlegt und zwischen den Ständern der Holzrahmenwände noch einmal der gleiche Dämmstoff in 160 mm Dicke. Den Abschluss an der Fassade bildet eine hinterlüftete Konstruktion (32 mm Unterkonstruktion/Luftschicht) aus vertikal verlegten HPL-Platten.

Die tragenden Innenwände und die Wohnungstrennwände im ersten Dachgeschoss sind beidseitig doppelt mit 15 mm Gipsfaserplatten beplankt. In den Wänden ist eine 100 mm dicke Steinwolldämmung verlegt. Bei den Wohnungstrennwänden kommen noch 30 mm Steinwolldämmung dazu, die auf Federschienen montiert sind. Damit erfüllen die Außenwände, die Innenwände und die Wohnungstrennwände im ersten Dachgeschoss die Brandschutzanforderung REI 90 K245.

Niedrigere Anforderungen im zweiten Dachgeschoss

Im zweiten Dachgeschoss waren die Brandschutzanforderungen niedriger, dementsprechend unterscheidet sich der Aufbau der Wände. Die Holzkonstruktion der Außenwände hat, wie im ersten Dachgeschoss, raumseitig eine doppelte Lage aus 12,5 mm dicken Gipsfaserplatten erhalten. Von außen sind die Holzrahmenwände mit einer einfachen Lage Gipsfaserplatten beplankt. Im Wandhohlraum ist eine Dämmung aus nichtbrennbarer Mineralwolle (WLG035) auf der Raumseite sowie eine Zwischenständerdämmung aus Steinwolle verlegt (WLG035, nicht brennbar). Den Abschluss bildet auf der Raumseite eine doppelte Lage aus 12,5 mm Gipsfaserplatten (Installationsebene mit Metallständer-Unterkonstruktion, ungedämmt, 50 mm) sowie auf der Fassadenseite eine hinterlüftete Konstruktion (44 mm Unterkonstruktion/Luftschicht) aus HPL-Platten in vertikaler Verlegung. Die Konstruktion erfüllt damit die festgelegten Anforderungen REI 30 K230.

Beidseitig doppelt beplankt

Die Brandschutzkapselung der Innenwände erfolgt im zweiten Dachgeschoss beidseitig mit 2 x 12,5 mm Gipsfaser-Platten bei einer Hohlraumdämmung aus 100 mm Steinwolle (REI 30 K230). Die Wohnungstrennwände sind hier doppelt mit Gipsfaserplatten beplankt und mit einer Zwischenständerdämmung aus 100 mm Steinwolle sowie 30 mm Steinwolle und Federschiene im Wandhohlraum gedämmt.

Bodenkonstruktionen

Neben Gipsfaserplatten für die Wandkonstruktionen wurden bei der Aufstockung auch die Trockenestrich-Elemente „2 E 32“ und „2 E 35“ von Fermacell verarbeitet. Über dem 4. Obergeschoss wurde nach dem Rückbau des Satteldachs eine massive, 200 mm dicke Decke erstellt. Auf der Decke wurde oberseitig eine Installationsebene mit gebundener Schüttung erstellt. Darauf wurden die Trockenestrichelemente verlegt. Die Konstruktion erreicht die Brandschutzanforderung F 90-AB.

Decke in Holzbauweise

Die Decke zum zweiten Dachgeschoss wurde komplett in Holzbauweise ausgeführt. Eine 220 mm hohe, hölzerne Tragkonstruktion mit einer Dämmung aus 220 mm Steinwolle WLG 040 bildet die Basis des Daches. Darauf ist eine 20 mm dicke, lastverteilende Holzwerkstoffplatte verlegt, auf der das Fermacell-Waben-Dämmsystem zum Einsatz kommt. Das System verbessert durch sein hohes Flächengewicht den Trittschallschutz von Holzbalkendecken. Der Bo­denaufbau wird nach oben abgeschlossen mit dem Trockenestrich-Element „2 E 35“, einer gebundenen Schüttung in der Installationsebene und dem Fermacell-Trockenestrichelement „2 E 32“. Zum da­runterliegenden Wohnraum wird die Brandschutz­kap­selung mit einer doppelten Lage Gipsfaserplatten erreicht. Die Konstruktion wird unterseitig mit einer einfachen Lage aus 12,5 mm Gipsplatten, die auf Direkt-Schwingabhängern montiert sind, sowie einer Dämmung aus Steinwolle geschlossen. Der gesamte Aufbau entspricht der Brandschutzanforderung REI 90 K245.

Alle Wohnungen vermietet

In Dresden gelang es der Wohnungsgenossenschaft Johannstadt (WGJ) durch die Aufstockung von bestehenden Mehrfamilienhäusern neuen Wohnraum zu schaffen. Aus statischen Gründen wurde die Aufstockung mit vorgefertigten Holzrahmenelementen ausgeführt. Mit Gipsfaserplatten, Steinwolldämmung und Trockenestrichelementen konnte ein von der sächsischen Bauordnung abweichendes Brandschutzkonzept realisiert werden. Die Aufstockung der Mehrfamilienhäuser wurde laut WGJ auf dem Wohnungsmarkt gut aufgenommen: Alle Wohnungen in den aufgestockten Dachgeschossen sind bereits vermietet. Eines der beiden Häuser konnte aus statischen Gründen nur um ein Geschoss aufgestockt werden. Die Aufstockung zweier Mehrfamilienhäuser in der Blasewitzer Straße läuft noch. Bis Oktober 2019 soll die Aufstockung aller Häuser aber abgeschlossen sein.


Autorin

Rita Jacobs führt ein PR-Büro mit Schwerpunkt Bau und Architektur in Düsseldorf, sie unterstützt die Firma Fermacell bei der Pressearbeit.

Bautafel (Auswahl)

 

Projekt Aufstockung von Mehrfamilienhäusern um zwei Geschosse in Holzbauweise in der Blasewitzer Straße, Dresden-Johannstadt

Bauherr Wohnungsgenossenschaft Johannstadt (WGJ) eG, 01307 Dresden, www.wgj.de

Architekten O+M Architekten GmbH, 01309 Dresden, www.ottoundmueller.de

Holzbau Holzbau Moser KG, 09634 Hirschfeld,

www.holzbau-moser.de

Brandschutzkonzept RJP GmbH Ingenieurgemeinschaft für Bautechnik, 01067 Dresden, www.rjp.de

 

Herstellerindex (Auswahl)

Gipsfaserplattten, Trockenestrichelemente, Schüttungen & Wabendämmsystem Fermacell GmbH, 47259 Duisburg, www.fermacell.de 

Weitere Informationen zu den Unternehmen
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