Wohnraumgewinnung durch Aufstockung

Ehemaliges Katasteramt in Ahrweiler ausgebaut und modernisiert

Im rheinland-pfälzischen Ahrweiler wurde das ehemalige Katasteramt der Gemeinde zum Teil rückgebaut, entkernt, ausgebaut und modernisiert. Durch die Aufstockung um zwei Geschosse als Mansarddach in Holzelementbauweise kann das Gebäude nun als Büro- und Wohnraum genutzt werden.

Das alte Vermessungs- und Katasteramt in Ahrweiler, das im Jahr 1961 errichtet worden war, wurde im Zuge der Einführung einer neuen, zentralisierten Orga­nisationsstruktur des Landes im Sommer 2013 aus Kostengründen geschlossen. Nach einer Phase des Leerstands hat ein privater Projektentwickler die Immobilie übernommen, umfänglich um-, ausgebaut und modernisiert. Die zentrale Lage in unmittelbarer Nachbarschaft zum Finanzamt Ahrweiler bedingte einen behutsamen Umgang mit der alten, das Stadtbild prägenden Bausubstanz, die noch weitgehend intakt war. Als Beispiel seien die für die Vulkaneifel typischen Basalteinfassungen der Fenster aufgeführt, die es zu erhalten galt.

Großräumige Umgestaltung

Der mineralische Altbestand wurde in Teilen entkernt und saniert. So erneuerten die Handwerker im Zuge der Renovierungsarbeiten die kompletten Instal­lationsleitungen sowie die Estriche im Erd- und ­Obergeschoss, die man zudem mit einer zeitgemäßen Mineralfaser-Trittschall- und Wärmedämmung ausstattete. Das alte Treppenhaus hingegen, das in Form und Stil nach oben fortgeführt wurde, konnte ebenso erhalten bleiben wie die Bodenplatte, die gemauerten Außenwände, Teile der Innenwände und die Geschossdecken. Aufgrund unterschiedlicher Nutzungsansprüche ist aus dem kleinräumigen Katasteramt im Erdgeschoss auf rund 280 m² ein moderner Bürokomplex mit großzügigen Schulungs- und Besprechungsräumen entstanden, der heute von der IHK Koblenz genutzt wird. Zudem separiert ein eigener Geschäftseingang den ebenerdigen Büro- von den obenliegenden Wohntrakten. Auch im 1. OG mussten die Zuschnitte der alten Amtsstuben auf die neuen Erfordernisse der zwei nach Süden hin ausgerichteten Wohnungen mit jeweils drei Zimmern, 104 m² beziehungsweise 97 m² groß, sowie auf eine vorderseitige Zweizimmerwohnung mit etwa 69 m² Wohnfläche, verändert werden. Zusätzlich wurde das Gebäude um sechs Meter nach hinten verlängert: Keller, EG und 1. OG bestandsgemäß mittels Stahlbeton- beziehungsweise Ziegelbauweise, darüber, ebenso wie das aufgestockte 2. OG mit drei Wohnungen (2 x 84 m²/ 66 m²) und das Dachgeschoss als Penthouse mit 170 m² Wohnfläche, in vorgefertigter Holzelementbauweise.

Die Verlängerung dient dem gestuften Anbau von großzügigen Terrassen der rückwärtigen Wohnungen, während die vorderen Einheiten an der Straßenseite Balkone aus Stahl-Fertigelementen erhalten haben, die an die Fassade montiert wurden.

Steiler Mansardknick mit 69 Grad Neigung

Mit der Aufstockung um zwei Geschosse verfügt das alte Katasteramt nun über vier Geschosse und ist dadurch in die Gebäudeklasse 4 gerückt. Dies erforderte den Einbau eines Aufzugs, dessen Schacht, unmittelbar am alten Treppenhaus platziert, ebenso wie die Wände desselben, gemauert wurde. Das zweite und dritte Obergeschoss sind als aufgestocktes Mansarddach mit vorderseitigem Walm und rückwärtigem Giebel ausgeführt. Die Entscheidung für diese Lösung bedingte sich durch die Vorgaben der Bauzulassungsbehörde, die im Kontext des vorhandenen Baubestands des zentrumsnahen Viertels ein Flachdach ausschloss. Zudem hat das Mansarddach, obschon aufgrund der aufwendigeren Konstruktion teurer, bauspezifische Vorteile. Kennzeichnend und stilistisch prägend ist der Mansardknick, der das Dach in zwei Flächen mit unterschiedlichen Neigungen unterteilt. Während der obere Bereich mit 14 Grad Neigung eher flach ist, fällt der untere Teil mit 69 Grad Neigung sehr steil, beinahe senkrecht nach unten ab. Dadurch verringern sich die Dachschrägen, während die Seiten weitaus höher ausfallen, was einen signifikanten Gewinn an Wohnraum im Dachgeschoss zur Folge hat. Das Mansarddach wird, wie auch in diesem Fall beim Katasteramt, oftmals als Sparrendach mit Zwischendämmung erstellt. Dabei setzen die Zimmerer gemeinhin die Pfetten oder Kehlbalken auf der Höhe des Grates ein. Im vorliegenden Beispiel bildet jedoch die Holzbeton-Verbunddecke des 2. OG in einem Arbeitsschritt die stützende Kehlbalkenlage ab, was Material und Arbeitskosten eingespart hat.

Mischnutzung sichert Fortbestand

Inklusive der 18 Flachdachgauben, die in das 2. OG und das DG integriert wurden, sowie des erhöhten Arbeitsaufwands für die Eindeckung, hat das Mansarddach gut 40 Prozent mehr gekostet als ein normales Satteldach. Allerdings wurde durch die Erhöhung der Wohnfläche und die Steigerung der Wohnqualität (schrägenfreie Räume) die Attraktivität durch die Mansardlösung für die Käufer der Eigentumswohnungen gesteigert. Unter diesen Gesichtspunkten hat sich die Nachverdichtung für alle Beteiligten gelohnt: Der Altbestand hat eine dauerhafte Folgenutzung erhalten, die mit zusätzlich geschaffenem Wohnraum einhergeht, ohne dabei weitere Flächen versiegelt zu haben. Last but not least verfügt die Eigentümergemeinschaft über eine Dachform, die sich über Jahrhunderte hinweg vor allem durch die Dauerhaftigkeit der Ziegeleindeckung bewährt hat, die umso länger hält, je steiler das Dach ist. Dabei gestaltet sich der Aufbau des Mansard-Steildaches wie folgt: Unter der Dachziegeleindeckung mit der Konter- und Traglattung, die zugleich als Hinterlüftungsebene dient, befindet sich eine diffusionsoffene Unterspannbahn, die die mineralisch gedämmte, 28 cm tiefe Sparrenlage abschließt. Darauf folgen an den Stößen miteinander verklebte OSB-Platten von 15 mm, die die Konstruktion aussteifen und zugleich als Dampfsperre fungieren. Den Abschluss bildet eine feuerfeste Gipskartonplatte von ebenfalls 15 mm.

Giebel aus Brettsperrholz

Die vertikale Giebelwand wurde aufgrund der Aufnahme hoher Horizontallasten in Brettsperrholzbauweise realisiert, deren Kern aus drei Lamellen von zusammen 8 cm Dicke besteht. Gemäß der zu erreichenden Brandschutzklasse F60-B wurden sie innenseitig mit doppelten Gipsfaserplatten von 18 mm und 15 mm K260 beplankt. Nach außen folgt eine mineralische Dämmung von 20 cm Dicke, abgeschlossen von einer Putzträgerplatte für den 10 mm dicken Außenputz.

Ebenso wie die Außen-, so bestehen auch die Innenwände, die als wandartiger Träger fungieren, aus massivem Brettsperrholz. Der symmetrische Wandaufbau wird von einer doppelten BSP-Ebene von je 10 cm gebildet, in der Mitte getrennt von einer 2 cm dicken Mineralfaserdämmung, die gemeinsam den Erfordernissen des gemessenen Schalldämmwertes von > 55 dB (Dezibel) Rechnung tragen. Den beiderseitigen Abschluss bilden zwei Lagen Gipsfaserplatten von 18 mm und 15 mm Dicke. Sie verhelfen der Konstruktion durch die K260-Kapselung zum Erreichen der vorgegebenen Brandschutzklasse F60-B. Die weiteren, tragenden Innenwände des zweiten Obergeschosses sind als Holzrahmenbauwände ausgeführt.

Schubkervenverbindung verbessert Verbund

Als Geschossdecke über dem 2. OG wurde eine Holzbeton-Verbunddecke (HBV) montiert. Auf eine 8 cm dicke, vorgefertigte Decklage aus liegendem Brettschichtholz, unterseitig mit einer gedoppelten Gipskartonplatte von 2 x 12,5 mm bekleidet, wurde auf der Baustelle eine Schicht von 12 cm Überbeton gegossen, der vergleichsweise rasch abbindet und schon nach rund vier Tagen weite Teile seiner Endfestigkeit erreichte. In die Betonschicht bettete man zudem die Leitungen der Elektroinstallation. Darauf folgt eine Trittschalldämmung aus Mineralfasermatten von 30 mm, die von einem 7 cm dicken Estrich mit darin integrierter Fußbodenheizung und einem Parkettboden abgeschlossen wird. Die HBV-Decke, die unter anderem auf den BSP-Wänden, den Holzrahmenbauwänden sowie der Steildachkonstruktion (69 Grad) aufliegt, wurde mit Holzbauschrauben befestigt. Zudem verbessern vom Ingenieurbüro Pirmin Jung mitentwickelte Schubkerven – in die Oberseite der BSP-Elemente eingefräste Ausschnitte, die in einem Arbeitsschritt beim Betonieren der Verbunddecken mit vergossen wurden – den Verbund zwischen Holz und Beton bei gleichzeitig signifikant erhöhter Steifigkeit.


Horizontallasten in Schwelle abgeleitet

Der Drempel des Bestandsbaus auf dem 1. OG, ein eingespannter Stahlbetonbetonriegel von rund 80 cm Höhe, musste für die Aufstockung geschnitten werden. Um den Druck der nach außen schiebenden Konstruktion auf die schräg sitzenden Sparren abfangen zu können, hat man Letztere mit einer Furnierschichtholz-Lasche angeschlossen. Von dort werden die hohen Horizontallasten in eine Schubknagge übertragen, um letztlich über eine aufgedübelte Schwelle, ebenfalls aus Furnierschichtholz, abgeleitet zu werden. Der Einsatz von „Kerto“-Furnierschichtholz (Metsä Wood) bedingt sich durch dessen materialspezifische Qualitäten: Es besteht aus mehreren, 3 mm dünnen Nadelholz-Schälfunieren, die mit versetzten Stößen verklebt werden, und dadurch so gut wie keine Schwindverformungen wie Verdrehungen oder Risse ausbilden. Zudem sortiert man im Fertigungsprozess die natürlichen Fehlstellen des Holzes weitgehend aus, und verteilt die übrigen auf großflächige Platten. Bedingt durch den mehrschichtigen Aufbau hat es sehr hohe Zug-, Biege- und Druckfestigkeiten, ist also außerordentlich fest und formstabil.

Die Gebäudeaussteifung der Aufstockung wird mittels des Überbetons der HBV–Decke sowie über die Holzrahmenbau- und BSP-Wände und den mineralischen Aufzugschacht realisiert. Der vertikale Lastabtrag erfolgt über die Randunterzüge in die Sparren, die wiederum die Kräfte in den Drempel weiterleiten, von wo sie über die mineralischen Geschosse in die Fundamente abgeleitet werden. Darüber hinaus erfolgt der lineare Lastabtrag über die HBV–Decke, die als horizontale Scheibe fungiert, und die BSP-Wände in die Geschosse des Altbestands.

Die Versorgung des Mischkomplexes trägt ein erdgasbetriebenes Micro-Blockheizkraftwerk mit einer Leistung von 6 kW, das den Bedarf an Heizenergie und Warmwasser sicherstellt. Die Verteilung der Wärme erfolgt systemintegriert über einen Pufferspeicher von 400 l, über den die Fußbodenheizung mit einer Vorlauftemperatur von etwa 35 °Cangefahren wird. Nur die Büros haben einzeln steuerbare Heizkörper. Der produzierte Strom wird gegen Rückvergütung ins öffentliche Netz eingespeist und  der Eigentümergemeinschaft gutgeschrieben.

Autor

Marc Wilhelm Lennartz ist unabhängiger Fachjournalist, Referent & Buchautor und lebt in Polch-Ruitsch in der Eifel (www.mwl-sapere-aude.com).

Das Gebäude ist mit der Aufstockung in die

Gebäudeklasse 4 gerutscht

Bautafel (Auswahl)

Bauherrschaft HMF GmbH – Häuser mit Flair, 53474 Bad Neuenahr-Ahrweiler, www.hmf-ahrweiler.de

Architektur & Planung Bauwerkstadt Architekten, 53113 Bonn, www.bauwerkstadt-bonn.de

Werkplanung + Montage (Holzbau)

Holzbau Bernads GmbH, 53426 Schalkenbach,

www.holzbau-bernads.de

Statik/Schallschutz/Wärmeschutznachweis

Pirmin Jung Ingenieure, 53489 Sinzig,

www.pirminjung.de

Brandschutzkonzept Ingenieurbüro für Bauwesen und baulichen Brandschutz, 53227 Bonn,

www.brandschutz-holzapfel.com

Baudaten (Auswahl)

Bürofläche EG 282 m²

Wohnfläche 1.+ 2. OG/DG 674 m² (davon aufgestockt: 404 m²)

Flächennutzung 7 Wohnungen, 4 Stockwerke

Bauzeit 01/2016 bis 02/2017

Baukosten 2,8 Mio. Euro (inkl. Erwerbskosten)

Jahresprimärenergiebedarf Q“p 52,1 kWh/m²a (zulässiger Jahresprimärenergiebedarf 61,8 kWh/m²a)

Transmissionswärmeverlust H“T: 0,434 kWh/m²a (max. zulässiger Transmissionswärmeverlust (ENEV): 0,450 kWh/m²a)

Endenergiebedarf 66,8 kWh/m²a

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