Präzise Schräglage

Vorfertigung mit Holz: Familienzentrum Hippolytusgarten in Troisdorf von Atelier Brückner

Der Neubau des Familienzentrums Hippolytusgarten in Troisdorf beweist, dass kindgerechtes Bauen schräg, kantig und zugleich elegant sein darf. Die komplexe Geometrie des Bauwerks konnte durch die Adams Holzbau-Fertigbau GmbH präzise, wirtschaftlich und termingerecht fertigstellt werden.

Der Eingang zum Familienzentrum Hippolytusgarten in Troisdorf. In dem Kindergarten werden Kinder im Alter von null bis sechs Jahren betreut
Foto: Daniel Stauch

Der Eingang zum Familienzentrum Hippolytusgarten in Troisdorf. In dem Kindergarten werden Kinder im Alter von null bis sechs Jahren betreut
Foto: Daniel Stauch
Reduzierte Farben, runde Ecken, schräge Decken: Diese Beschreibung könnte auf ein Museum passen, es geht jedoch um den ambitionierten Entwurf des Stuttgarter Architekturbüros Atelier Brückner für das Familienzentrum Hippolytus­garten mit Kindergarten in Troisdorf. Mehrere Faktoren machten das Projekt sowohl in der Planung als auch in der Ausführung zu einer Herausforderung: Das Grundstück in Hanglage und der Lärm der benachbarten Bahntrasse für den Fernverkehr machten die Gestaltung dieses Ensembles aus dem 2019 fertiggestellten Kindergarten und dem Gemeindezentrum in Troisdorf besonders knifflig. Gemeinsam mit dem Erzbistum Köln als Bauherr ließ sich das Team um Projektleiter Jannis Renner aus dem Architekturbüro Atelier Brückner aber nicht beirren und begegnete den Herausforderungen mit einem reflektierten Konzept. Das Planungsteam entwickelte eine Gesamtform für das Gebäude, die das Maximum des Grundstücks und zugleich die Hanglage nutzt. Die Richtung Bahntrasse ausgerichtete, monolithisch anmutende Fassade mit Holzlamellenverkleidung dient als physischer Schallschutzwall. Die nach Norden ausgerichtete Seite des Gebäudes ist hingegen vollverglast und orientiert sich zum ge­schützten Innenhof.

Lamellenverkleidung aus Lärchenholz

Familienzentrum_Hippolyptusgarten_Troisdorf___Daniel_Stauch.jpg Der Neubau des Kindergartengebäudes in Troisdorf in der Dämmerung: Die Fassade ist ringsum mit Holzlamellen verkleidet
Foto: Daniel Stauch

Der Neubau des Kindergartengebäudes in Troisdorf in der Dämmerung: Die Fassade ist ringsum mit Holzlamellen verkleidet
Foto: Daniel Stauch
Tagsüber wirkt der Bau mit durchgehender Holzlamellenverkleidung aus Lärche auf einem Betonsockel geschlossen, während sich zur Dämmerung hin die Fenster hinter den Holzlamellen als schimmernde Rechtecke abzeichnen. „Dank der Fassade und des Höhenversprungs können die Kinder hinausschauen, aber es kann niemand hineinschauen“, erläutert Jannis Renner das Konzept.

Raum für Bewegung

Familienzentrum_Hippolyptusgarten_Troisdorf_Mehrzweckraum_Aussen_Kinder___Daniel_Stauch.jpg Am westlichen Ende mündet der Flur des Kindergartens in einem witterungsgeschützten Spielbereich. Durch die großen Fenster gelangt viel Tageslicht in das Gebäude
Foto: Daniel Stauch

Am westlichen Ende mündet der Flur des Kindergartens in einem witterungsgeschützten Spielbereich. Durch die großen Fenster gelangt viel Tageslicht in das Gebäude
Foto: Daniel Stauch
Den Eingang zum Familienzentrum bildet ein trichterförmiger Raum im Osten des Gebäudes. Die schräge Decke und der Übergang im Innenraum sollen laut Jannis Renner eine Schwelle zum geschützten Bereich des Kindergartens bilden. Der Flur, der sich ab dem Eingang im Osten über 70 m axial durch das Gebäude schlängelt, ist weit mehr als ein Durchgangsbereich. Er dient als witterungsgeschützte Bewegungsachse von 1,80 m bis 2,10 m Breite, die von den Kindern gerne zum Spielen und Toben genutzt wird und sämtliche Funktionen im Innenraum miteinander verbindet. Der Flur trennt außerdem die Umkleiden und Nebenräume im Süden von den Gruppenräumen im Norden. Im Zentrum weitet sich der Raum über die gesamte Gebäudebreite für einen Gemeinschaftsbereich auf, um am westlichen Ende des Baus in einem witterungsgeschützten Spielbereich zu münden.

Helligkeit im Innenraum und Schallschutz

Aufenthaltsräume mit Fenstern in Richtung Norden muten zunächst ungewöhnlich an. Doch die Ausrichtung hat einen großen Vorteil: Angesichts der zunehmenden Hitzewellen in Europa können große, vollverglaste Nordfassaden für die Belichtung des Innenraumes ohne nennenswertes Risiko einer Überhitzung durch Sonneneinstrahlung eingebaut werden. Für noch mehr Licht im Kern des Gebäudes dient eine geschickte Anordnung der Umkleiden in offener Bauweise mit Fensteröffnungen nach Süden. Bis zu 1,40 m hohe Lichtschächte mit Oberlichtern im Dach erhellen den Innenraum zusätzlich, dank der optischen Verbindung mit den Oberlichtern der Trennwände.

Familienzentrum_Hippolyptusgarten_Troisdorf_Umkleide___Daniel_Stauch.jpg Die Holzlamellen der Außenfassade werden als gestalterisches und akustisch wirksames Element im Innenraum fortgeführt
Foto: Daniel Stauch

Die Holzlamellen der Außenfassade werden als gestalterisches und akustisch wirksames Element im Innenraum fortgeführt
Foto: Daniel Stauch
Kinder machen gerne Krach. Und sie machen gerne Mittagsschlaf. Um beide Aktivitäten Tür an Tür zu ermöglichen, galten beim Familienzentrum Hippolytusgarten besonders hohe Anforderungen an den Schallschutz und eine angenehme Raumakustik. In die Fassadenöffnungen entlang der südlichen Flanke wurden Schallschutzverglasungen eingebaut. Die Geometrie der schräg zueinanderstehenden Flurwände und Decken bricht wiederum den Schall im Innenraum. Die Holzlamellen der Fassade werden als gestalterisches und akustisch wirksames Element im Innenraum fortgeführt.

Konstruktionsweise

Der Kindergarten wurde durchgehend als vorgefertigte, modulare Holzkonstruktion realisiert. Was so leichtfüßig in Form schräger Decken, Wände und gerundeter Ecken daherkommt, hat es in puncto Planung und Bauausführung in sich. Sowohl die Innen- als auch die Außenwände wurden von der Adams Holzbau-Fertigbau GmbH aus Niederzissen in Holzständerbauweise konstruiert. Ausnahmen bilden vereinzelte Trennwände im Innenraum in Trockenbauweise und innenliegende Stahlträger. Die Stahlträger überbrücken die großen Spannweiten des Gemeinschaftsbereichs zwischen dem zentralen Flur und den Nebenräumen. Für die Vorfertigung von Holzbauelementen verfügt der Betrieb Adams Holzbau-Fertigbau unter anderem über zwei Abbundanlagen, ein Plattenbearbeitungszentrum und weitere Vorfertigungsanlagen für Dach- und Wandelemente. Die Hölzer für den Neubau in Troisdorf wurden über die Abbundanlage „Hundegger K2i“ zugeschnitten. Die Vormontage der Wand- und Dachelemente erfolgte auf Montagetischen im Werk.

Hippolytusgarten Adams_Holzbau-Fertigbau_GmbH.jpg Im Randbereich sind die Wände über Montageschwellen in einer Aufkantung auf der Bodenplatte verankert
Foto: Adams Holzbau-Fertigbau GmbH

Im Randbereich sind die Wände über Montageschwellen in einer Aufkantung auf der Bodenplatte verankert
Foto: Adams Holzbau-Fertigbau GmbH
Die Außenwände wurden in Holzständerbauweise vorgefertigt. Zwischen das Ständerwerk der Wände wurden nichtbrennbare Mineralwolldämmplatten eingefügt („Isover Ultimate“, WLG 035, d = 200 mm). Von innen beplankte man die Holzständerwände im Werk mit OSB/4-Holzwerkstoffplatten. Von außen verlegten die Zimmerer diffusionsoffene „Pavatex Diffutherm“-Holzfaserdämmplatten auf den Außenwänden. 

Die Holzständerwände wurden von innen mit OSB-Platten beplankt, darüber folgten später Gipsfaserplatten. In diesem Bereich entsteht später der Flur der Kita
Foto: Adams Holzbau-Fertigbau GmbH

Die Holzständerwände wurden von innen mit OSB-Platten beplankt, darüber folgten später Gipsfaserplatten. In diesem Bereich entsteht später der Flur der Kita
Foto: Adams Holzbau-Fertigbau GmbH
Das Dachtragwerk aus Sparren und oberseitig montierten OSB-Platten (22 mm) bildet eine statisch wirksame, aussteifende Scheibe. Die Außenwände dienen, bis auf wenige Ausnahmen, ebenfalls als aussteifende Elemente. Im Randbereich befindet sich auf der Stahlbetonbodenplatte eine Aufkantung im Format 18/28, die einen Überzug bildet. Diese Aufkantung dient als Sockel für die Befestigung der KVH-Montageschwellen der Außenwände. Diese sind mit 6 cm tief verankerten Bolzenankern am Überzug in der Bodenplatte befestigt.

Dachmodule in unterschiedlichen Formaten

H7___Adams_Holzbau-Fertigbau_GmbH.jpg Das Dachtragwerk besteht aus Balken, an denen beidseitig Auflagerhölzer montiert sind, um die Deckenmodule aufzunehmen
Foto: Adams Holzbau-Fertigbau GmbH

Das Dachtragwerk besteht aus Balken, an denen beidseitig Auflagerhölzer montiert sind, um die Deckenmodule aufzunehmen
Foto: Adams Holzbau-Fertigbau GmbH
Das Grundgerüst der Decke wird aus Holzstützen (20/20) und Balken (20/40) gebildet. Die Dachbalken werden beidseitig von Auflagerhölzern (8/12) flankiert, die den Deckenmodulen als Auflager dienen. Insgesamt besteht die Dachkonstruktion aus rund 120 Dachmodulen in unterschiedlichen Formaten. Diese Module mit meist fünf Sparren wurden mitsamt eines Rahmenprofils und OSB-Platten im Werk vorgefertigt und auf der Deckenkonstruktion montiert. Auch die Wandelemente wurden weitestgehend im Werk vormontiert und als Module auf die Baustelle geliefert. Die Dachschrägen an den beiden Stirnseiten des Neubaus fertigte man mit einer Gesamtlänge von 13 m komplett in einem Stück.

Die Dachschrägen über den Eingangsbereichen an den Stirnseiten des Gebäudes wurde in Holzbauweise ausgebildet
Foto: Adams Holzbau-Fertigbau GmbH

Die Dachschrägen über den Eingangsbereichen an den Stirnseiten des Gebäudes wurde in Holzbauweise ausgebildet
Foto: Adams Holzbau-Fertigbau GmbH
„Solche Konstruktionen kann man vor Ort kaum erstellen. Die Präzision, die wir für derartig komplexe Geometrien benötigen, kann nur im Werk erzielt werden. Die präzise Vorfertigung im Werk spart somit auch Zeit und Kosten für die laufende Baustelle“, sagt Susanne Reuter, zuständig für Kalkulation und Projektentwicklung bei Adams Holzbau-Fertigbau. „Jeder Anschluss hat eine andere Geometrie und kann mit Standardbauteilen nicht gelöst werden. Das war die zentrale Herausforderung für unser Team.“

Für den Witterungsschutz der aufgestellten Wandelemente wurde eine oberseitig aufliegende Folie verwendet. Die Montage der Deckenelemente erfolgte sequenzweise und in enger Abstimmung mit dem Dachdecker, der die montierten Abschnitte unmittelbar nach der Befestigung abdichtete, so dass eine Notabdichtung obsolet wurde.

Etwas mehr als fünf Wochen dauerte die Produktion der gesamten Holzkonstruktion für das Familienzentrum. Die Montage selbst nahm wesentlich weniger Zeit in Anspruch. Nach drei Tagen war das Aufstellen der Wandelemente abgeschlossen. Bei der Planung der Konstruktion war der Firma Adams Holzbau, wie bei allen Projekten, eine 3D-Software dienlich, die besonders bei solch komplexen Geometrien die Planung erleichtert. Architekt Jannis Renner ist überzeugt: „Die Wahl einer Holzständerkonstruktion ist absolut zeitgemäß. Sie birgt natürlich im Hinblick auf die Raumakustik mehr Herausforderungen, aber in punkto Raumklima, ökologischer Fußabdruck und Bauzeiten hat Holz viele Vorzüge.“

Im Außenbereich ist auf dem Innenhof für die Kinder ebenfalls viel Platz zum Spielen
Foto: Daniel Stauch

Im Außenbereich ist auf dem Innenhof für die Kinder ebenfalls viel Platz zum Spielen
Foto: Daniel Stauch
Im Vergleich zu einer Betonkonstruktion bietet der Holzbau zudem den Vorteil, dass die Konstruktion zum Teil demontiert und weiterverwendet werden kann. Mit Blick auf  Sandknappheit für die Herstellung von Beton und den hohen Energieverbrauch bei der Produktion von Zement ist der Holzbau die umweltfreundlichere Variante. Susanne Reuter sieht in der Vorfertigung in Holzbauweise die Zukunft: „Die Nachfrage bestimmt bekanntlich das Angebot. Die Anfragen für Projekte sowohl im öffentlichen als auch im privaten Sektor, die schlüsselfertig hergestellt werden sollen, steigen spürbar.“ Sicherlich spielt auch die Holzbauförderung bei der Nachfrage nach vorgefertigten Bauweisen eine Rolle. Projekte dieser Art machen deutlich, wie viele Vorteile die Vorfertigung für alle Projektbeteiligten bieten kann. 

Autorin

Nathalie Brum ist Architektin, Journalistin und Klangkünstlerin. 2014 schloss sie ihr Architekturstudium an der RWTH Aachen ab und arbeitet seitdem als Architektin in Köln.

Bautafel (Auswahl)


Projekt Neubau des Familienzentrums Hippolytusgarten in Holzständerbauweise in Troisdorf (NRW)

Größe 870 m² 

Bauherr Erzbistum Köln

Nutzerin Katholische Kirchengemeinde St. Hippolytus, Troisdorf

Entwurf Atelier Brückner GmbH, Stuttgart,

www.atelier-brueckner.com/de 

Holzbau Adams Holzbau-Fertigbau GmbH, Niederzissen, Kreis Ahrweiler, www.adams-holzbau.de

Statik Finck Billen Ing.-Gesellschaft, Köln,

www.ingenieurbuero-finck-billen.de

Projektmanagement Wolf R. Schlünz, Bonn,

www.wolf-schluenz-projekte.de

Bauleitung Hahn Helten Architektur, Aachen,

www.hahn-helten.de


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