Neuer Wohnraum durch Dachausbau

Seit dem Rückgang der Neubauzahlen haben Dachsanierungen und Dachausbauten für Zimmereien stark an Bedeutung gewonnen. Die Nachfrage ist in diesem Bereich stabil, lässt sich doch auf diese Weise unter dem Dach neuer und oft auch förderfähiger Wohnraum schaffen. So auch bei einem Altbau in Ingoldingen.

Das Thema Dachsanierungen und -ausbauten ist nach wie vor auch für kleine Zimmereien interessant, die mit einer Mischung aus Eigenproduktion und Bauteilzukauf profitabel in diesem Marktsegment agieren können – so auch die Zimmerei Rettich im oberschwäbischen Tiefenbach. Mit drei Zimmerern in der Montage und einer Bürofachkraft führt die Zimmerei etwa 10 Dachsanierungen im Jahr durch. Daneben realisiert das Unternehmen weitere Arbeiten aus dem klassischen Zimmereibereich: Dachstühle für Neubauten, Garagendächer, Carports und Aufträge für den Dachfenstertausch sorgen zusammen mit den Sanierungen für eine kontinuierliche Auslastung.

Geschäftsführer Josef Rettich, der das Familienunternehmen 2022 in dritter Generation übernommen hat, bevorzugt den Abbund im eigenen Betrieb. Zwar ließen viele Konkurrenzbetriebe abbinden, aber sein Unternehmen versuche, so viel wie möglich selbst zu ­produzieren. Wenn ein Projekt zeitlich nicht zu knapp befristet sei, gäbe es so auch an Regentagen im Betrieb etwas zu tun. Die Wertschöpfung bleibe dabei im Unternehmen, man sei tiefer ins Projekt involviert und freue sich, wenn auf der Baustelle alles ineinanderpasse, so Josef Rettich.

Geplant wird bei der Zimmerei Rettich mit einem CAD-System, abgebun­den mit Handmaschinen. Zum Abbundzentrum fährt Josef Rettich nur, wenn er die Bauteile für einen Auftrag sehr schnell braucht oder bei komplexeren Projekten. Vor allem bei größeren Aufträgen könne das für die Zimmerei preislich durchaus interessant sein, so Rettich.

Bestehender Dachstuhl ertüchtigt

Das Dach eines leerstehenden Wohnhauses in Ingoldingen sollte ausgebaut werden, damit neue Mieteinheiten entstehen konnten
Foto: Ulrich Studios / Linzmeier Bauelemente GmbH

Das Dach eines leerstehenden Wohnhauses in Ingoldingen sollte ausgebaut werden, damit neue Mieteinheiten entstehen konnten
Foto: Ulrich Studios / Linzmeier Bauelemente GmbH
Für den Dachausbau eines Wohnhauses in Ingoldingen beließ man es beim Handabbund. Das leerstehende zweistöckige Gebäude sollte grundlegend renoviert und nach einem Dachausbau mit drei Mietwohnungen ausgestattet werden. Die Zimmerei Rettich erhielt den Zuschlag für die Arbeiten am Dach. Das bedeutete im ersten Schritt, die in die Jahre gekommenen Ziegel abzudecken und den ungedämmten Dachstuhl zu ertüchtigen. Der war zwar prinzipiell in gutem Zustand, musste allerdings an einigen Stellen durch Aufdopplungen verstärkt werden. Außerdem mussten die Zimmerer einige stark verzogene Hölzer erneuern.

Besonders wichtig war Josef Rettich die Überarbeitung der Holzverbindungen. Das galt vor allem für die gezapften Verbindungen zwischen Sparren und Deckenbalken, die im Sparrendach die Hauptlast tragen. Sie wurden durch eine Schraubverbindung ersetzt, die zusätzlich durch ein Rispenband verstärkt wurde. Auch im Firstblatt ersetzten die Zimmerer Zapfen durch Schrauben. Zusätzlich bauten sie mehrere Auswechselungen in den Dachstuhl ein, weil der Kunde den Einbau von Gauben wünschte. Deren Größe und Position sollte sich am geplanten Raumprogramm orientieren.

Luftdichte Anschlüsse

Nach diesen vorbereitenden Arbeiten begann die Dämmung des Daches mit dem System „Linitherm Pal N+F“ der Linzmeier Bauelemente GmbH. Mit den Produkten des Dämmstoffherstellers aus Riedlingen arbeitet die Zimmerei Rettich seit vielen Jahren, unter anderem weil diese Dämmstoffe laut Josef Rettich auf der Baustelle besonders gut zu lagern und zu verarbeiten seien. Außerdem sei es in der Regel kein Problem, damit einen BAFA-Förderzuschuss zu erhalten.

Zusammen mit seinen Mitarbeitenden verlegte Josef Rettich in einem ersten Schritt die zum Linzmeier-System gehörende „L+D Pro Bahn“, mit der die Zimmerer die luftdichte Ebene des Daches erstellten. Um den luftdichten Anschluss an die Außenwände herzustellen, zogen sie die Bahn am Ortgang über die glattgestrichene Mauerkrone und klebten sie mit dem zum System gehörenden Kleber an der Außenwand fest. Da die Giebel bauseits verschalt wurden, verschwand die Klebestelle später hinter grauen Holzleisten.

Nach dem Einbau der Gauben begann die Verlegung der Dachdämmplatten
Foto: Ulrich Studios / Linzmeier Bauelemente GmbH

Nach dem Einbau der Gauben begann die Verlegung der Dachdämmplatten
Foto: Ulrich Studios / Linzmeier Bauelemente GmbH
Etwas komplizierter war der luftdichte Anschluss an den Traufseiten, weil die Deckenbalken und Sparren hier leicht über die Außenwände auskragen. Wie vom Hersteller Linzmeier empfohlen, passten die Zimmerer deshalb Dämmstoffreste zwischen den Sparren und Deckenbalken ein. Zwischen diesen Dämmkeilen, den Holzbauteilen und dem Auflager auf der Mauer stellten sie durch Kompribänder einen dauerhaft luftdichten Anschluss her. Verbliebene Hohlräume schäumten sie aus. So vermieden sie Wärmebrücken und ­Hinterströmungen im Bereich des Dachüberstands. Den Anschluss zur luftdichten Folie bilden eine Schaumraupe und ein Kompriband. Die Verschraubung und Konterlattung sorgten später für den notwendigen Anpressdruck zwischen Folie, Sparren und Dämmkeil. Dabei dient die Schaumraupe der Vermeidung von Wärmebrücken, während das Kompriband den luftdichten Anschluss herstellt. Bei Bedarf lässt sich diese Variante durch zusätzliche Anpressleisten ergänzen. Den Dachüberstand verlängerten die Mitarbeitenden der Zimmerei Rettich mit der Trag- und Konterlattung und sorgten außerdem durch die Verschalung mit hochwertigen Holzbrettern für eine attraktive Dachuntersicht.

Individuelle Gauben

Im nächsten Arbeitsgang montierte die Zimmerei Rettich „Litec GBS“-Gauben auf dem Dachstuhl. Diese aus Sandwichelementen bestehenden Gauben werden vom Hersteller Linzmeier geplant und vorgefertigt. Anschließend kommen sie als Bauteile auf die Baustelle, wo sie zusammengebaut und montiert werden.

Um das Dachgeschoss als Wohnraum attraktiver zu machen, wurden drei Gauben eingebaut, die in Teilen geliefert, vor Ort zusammengebaut und per Kran an Ort und Stelle gehoben wurden
Foto: Ulrich Studios / Linzmeier Bauelemente GmbH

Um das Dachgeschoss als Wohnraum attraktiver zu machen, wurden drei Gauben eingebaut, die in Teilen geliefert, vor Ort zusammengebaut und per Kran an Ort und Stelle gehoben wurden
Foto: Ulrich Studios / Linzmeier Bauelemente GmbH
Je nach Kundenwunsch bestehen die Sandwichelemente aus einem 100 bis 160 mm starken PU-Dämmkern, der beidseitig mit einem Mineralvlies kaschiert und einer 22 mm starken Holzwerkstoffplatte beplankt ist. Dabei liegt der U-Wert einer solchen Gaube schon mit 144 mm Bauteilstärke bei 0,40 W/m²K  an der Gaubenwange und bei 0,32 W/m2K im Dach der Gaube, wobei der U-Wert je nach Gaubenform und Holzanteil geringfügig variiert. Die Gestaltung der Gauben kann genau auf die Dachform und an die Kundenwünsche angepasst werden.

Die Zimmerei Rettich nahm beim Ausmessen für die Gauben den Service von Linzmeier in Anspruch und entschied sich für die Anlieferung von Gaubenbauteilen. Diese wurden auf der Baustelle zu fertigen Gauben zusammengesetzt und mit dem Kran aufs Dach gehoben – wobei sie auf Anhieb passten. Für den luftdichten Anschluss ans Dach zogen die Zimmerer überstehende Teile der „L+D Pro Bahn“ unter den Gaubenwänden hindurch und verklebten sie innen mit der luftdichten Ebene. Die Fuge zwischen Aufdachdämmung und Gaube schäumten sie aus und dichteten sie mit dem zum System gehörenden Klebeband ab.

Effiziente Dämmung

Wegen der drei Gauben musste die Dämmung auf dem Dach des Wohnhauses an den Dachöffnungen zugeschnitten werden, das ist bei den „Linitherm Pal N+F“-Dämmplatten mit baustellenüblichen Werkzeugen möglich. Ein Rasteraufdruck auf der Kaschierung der Dämmung vereinfacht den Zuschnitt. Außerdem können Reststücke nach dem Zuschnitt einfach gedreht und auf der gegenüberliegenden Seite der Gaubenöffnung angelegt werden – nicht nur bei Gauben, sondern auch bei Kehlen und Graten.

Im Anschluss wurden die „Linitherm Pal N+F“ Dämmplatten verlegt. Diese bestehen aus einem 80 bis 240 mm starken PU-Dämmkern mit λB = 0,023 W/mK, der beidseits mit einer Aluminiumfolie kaschiert ist. In Ingoldingen kamen 160 mm starke Elemente mit einem U-Wert von 0,14 W/m2k zum Einsatz.

Die Dämmelemente der letzten Reihe schnitten die Zimmerer am First so zu, dass nach dem Verlegen eine schmale Kerbe entstand, die anschließend mit Spritzschaum verfüllt wurde
Foto: Ulrich Studios / Linzmeier Bauelemente GmbH

Die Dämmelemente der letzten Reihe schnitten die Zimmerer am First so zu, dass nach dem Verlegen eine schmale Kerbe entstand, die anschließend mit Spritzschaum verfüllt wurde
Foto: Ulrich Studios / Linzmeier Bauelemente GmbH
Die Dämmelemente werden üblicherweise, beginnend bei einer parallel zur Traufe montierten Knagge, fluchtgerecht von unten nach oben verlegt. Dabei sorgt die umlaufende Nut-Feder-Verbindung mit zusätzlicher Steckverbindung auf der Längsseite für eine einheitliche, wärmebrückenfreie Dämmebene. In Ingoldingen montierten die Zimmerer nach jeweils drei Dämmreihen die darüberliegende Konterlattung. Dabei wird die Konterlatte zur Aufnahme der Zug- und Soglasten mit zum System gehörenden Schrauben mit den Sparren verschraubt.

Die Elemente der letzten Reihe schnitten die Zimmerer im Firstbereich so zu, dass nach dem Verlegen eine schmale Kerbe entstand. Um eine homogene Dämmung in diesem Bereich herzustellen, füllten sie diese Kerbe mit einem zum System gehörenden Spritzschaum, schnitten übergequollenen Schaum nach dem Aushärten sauber ab und überklebten den First zur Abdichtung mit einem Butyl-Klebeband. Anschließend ging es an die Dacheindeckung.

Kurze Bauzeit ermöglicht zügige Vermietung

Das Dach mit neuer Eindeckung und Gauben nach der Fertigstellung des Dachausbaus
Foto: Ulrich Studios / Linzmeier Bauelemente GmbH

Das Dach mit neuer Eindeckung und Gauben nach der Fertigstellung des Dachausbaus
Foto: Ulrich Studios / Linzmeier Bauelemente GmbH
Dank der Lösungen aus dem „Linitherm“-System dauerte der Dachausbau in Ingoldingen nur zweieinhalb Wochen. Kurze Bauzeiten sind besonders dann von Bedeutung, wenn ein Gebäude während des ­Dachausbaus bewohnt ist und die Bewohner und Bewohnerinnen durch die Arbeiten möglichst wenig gestört werden sollen. Das war bei diesem Projekt zwar nicht der Fall, aber die kurze Bauzeit und die Qualität der Ausführung trugen auch hier dazu bei, dass der Bauherr mit dem Dachausbau zufrieden war und die Wohnungen zeitnah vermieten konnte.

Autor

Dr. Joachim Mohr ist freier Redakteur und Fotograf sowie Gründer und Inhaber des Redaktionsbüros „presse für ­profis“ in Tübingen.

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