Neuer Bewerbertest für Klempner

Mit dem Myskills-Testverfahren berufserfahrene Mitarbeiter finden

Viele Arbeiten auf Baustellen werden von Hilfskräften oder angelernten Helfern ausgeführt. Welche Kenntnisse und Fähigkeiten Bewerber ohne anerkannten Berufsabschluss, aber mit Berufserfahrung mitbringen, soll der Test „Myskills“ zeigen. Er ist jetzt auch für den Beruf Klempner/in verfügbar.

Der Fachkräftemangel ist eines der drängendsten Probleme im Handwerk. Derzeit fehlen Handwerksbetrieben bundesweit etwa 250 000 Gesellinnen und Gesellen. Auch Spengler- und Klempnerbetriebe sind davon betroffen. Oft übernehmen daher ungelernte Mitarbeiter als Helfer Aufgaben und Standarttätigkeiten von Fachkräften. Doch wie schätzt man vor der Bewerbung ein, wie gut der- oder diejenige Bewerber sich im jeweiligen Fachgebiet auskennt? Die Bewerbungschancen von Quereinsteigern, Geringqualifizierten oder Menschen, die längere Zeit nicht in ihrem Beruf gearbeitet haben zu verbessern, ist die Grundidee des Projekts „Myskills“. Auch für Flüchtlinge und Migranten ist der Test geeignet. Er zeigt, welches berufliche Handlungswissen sich Arbeitnehmer am Arbeitsplatz angeeignet haben, die keinen formalen oder in Deutschland anerkannten Berufsabschluss haben.

120 Fragen zu beruflichen Situationen

„Myskills“ ist ein computergestützter, videobasierter Test, der im Jobcenter oder der Agentur für Arbeit durchgeführt wird. Den Testteilnehmern werden dabei 120 Fragen zu konkreten beruflichen Situationen gestellt, die innerhalb von vier Stunden beantwortet werden müssen. Der Test steht derzeit für 30 Berufe zur Verfügung. Neu dazugekommen ist dieses Jahr der Beruf Klempner/Spengler.

Mehr über den "MySkills"-Test für Hochbaufacharbeiter und Maler lesen Sie hier.

Fachkraft oder Hilfskraft?

In Zusammenarbeit mit der Bundesagentur für Arbeit, Experten aus dem Handwerk und der Berufsbildung entwickelten Mitarbeiter der Bertelsmann Stiftung den Test „Myskills“, der auf das praktische Handlungswissen abzielt. Im Test werden Teilnehmern unter anderem Videos und Fotos von beruflichen Situationen gezeigt. Dazu werden Fragen gestellt wie etwa: Was ist zu tun? Wie mache ich das? Was muss ich als nächstes tun und mit welchem Werkzeug? Die Antworten werden über ein Punktesystem ausgewertet und in einem Ergebnisbericht zusammengefasst. Der Bericht zeigt anhand von typischen Handlungsfeldern eines Berufs, ob jemand eine Aufgabe auf dem Niveau einer Fachkraft, als qualifizierte Arbeitskraft, erfahrener Helfer oder angelernte Hilfskraft erledigen kann.

Erleichterung für Jobvermittler

Grundlage für den Test sind die Ausbildungsordnungen der einzelnen Berufe. Es hilft allerdings nicht viel, wenn man zur Vorbereitung Fachbücher liest. „Es werden keine Theoriefragen gestellt, sondern ausschließlich Dinge mit Handlungsbezug getestet“, erklärt Friederike Hasse, die als Projektmanagerin maßgeblich an der Entwicklung von „Myskills“ beteiligt war. „Das ist ein schwieriger Test. Man muss die Tätigkeit wirklich schon gemacht haben, mit rein theoretischem Wissen kann man nicht gut abschneiden“, betont die studierte Psychologin. Der Test fülle eine Lücke im Portfolio der Arbeitsagentur und erleichtere die Arbeit der Jobvermittler. Er ist freiwillig und soll ausdrücklich nicht zur Sanktionierung genutzt werden. „Auch der beste Jobvermittler steckt nicht in allen möglichen Berufsbildern so tief drin, dass er realistisch die Fähigkeiten jedes Bewerbers einschätzen könnte.“ Allerdings kann der Test auch nicht das Probearbeiten ersetzen. „Anhand des Ergebnisbogens kann ein Arbeitgeber einschätzen, in welchen Bereichen er einen Bewerber sofort einsetzen kann und wo er noch intern weitergebildet werden muss.“ Ob jemand aber pünktlich und zuverlässig ist und ob er mit den Kollegen gut zurechtkommt, wird auch zukünftig nur die Praxis zeigen.

Jeder Test hat sich im Feldversuch bewährt

Erarbeitet wurde der Test in einem mehrstufigen Verfahren, bei dem Experten aus der Praxis und Mitarbeiter der Bertelsmann Stiftung zunächst für jeden Beruf Kompetenzmodelle erarbeitet und daraus für jeden Themenkomplex Fragen abgeleitet haben. Nach einer statistischen Überprüfung musste sich jeder Test in einem Feldversuch bewähren. „Jeder Schritt wurde mehrfach in größeren Expertengremien diskutiert und überprüft“, betont Friederike Hasse.

Aus Hilfskräften werden Fachkräfte

Der Myskills-Test ist in unterschiedliche Handlungsfelder aufgeteilt, die an der beruflichen Praxis ausgerichtet sind. Für den Beruf Klempner gibt es im Test die folgenden Handlungsfelder: Passteile aus Feinblechen manuell und maschinell fertigen, Werkstoffe fügen und verbinden, Blechdächer und Fassaden montieren, Regensichere Blechverkleidungen herstellen und Dachentwässerung montieren.

Berthold Ruck, Leiter der Rheinzink-Anwendungstechnik in Datteln, hat den Test mitentwickelt. Durch seine Erfahrungen als Leiter des Rheinzink-Schulungszentrums konnte er unter anderem die Erstellung entsprechender Aufgaben und Situationsvideos unterstützen. „Der Test zeigt sehr genau, welche handlungspraktischen Fähigkeiten jemand schon hat, wo man ihn bereits einsetzen kann und wo der weitere Schulungs- und Qualifizierungsbedarf besteht, um jemanden zur Fachkraft weiterzuentwickeln“, erklärt er. Wenn jemand beispielsweise die konventionelle Falztechnik schon beherrsche, aber im Bereich Löten und Schweißen noch qualifiziert werden müsse, könne er schon anfangen zu arbeiten und nebenberuflich eine Weiterbildung machen.

Auch Kandidaten mit geringer Punktzahl eine Chance geben

Wichtig sei es, die Ergebnisse des Tests richtig zu interpretieren. „Vier Punkte kann eigentlich nur jemand mit den Fähigkeiten eines Spitzen-Facharbeiters erreichen. Deshalb sollten sich Arbeitgeber Kandidaten mit geringerer Punktzahl in einem Handlungsfeld sehr genau anschauen“, sagt Ruck. Mit drei Punkten sei ein Bewerber in der Lage, anspruchsvolle Arbeiten selbständig auszuführen, ohne dauernd beim Meister nachfragen zu müssen. Für so jemanden sei der Weg zur Fachkraft nicht mehr weit. Wenn jemand mit einem Ergebnis von zwei Punkten in einem Handlungsfeld komme, dann könnten Arbeitgeber ihn unter Anleitung schon in diesem Gebiet einsetzen. Und auch bei einem Punkt in einem Handlungsfeld lohne es sich, zumindest ein Praktikum anzubieten.

Arbeitsagentur oder Jobcenter vor Ort nach Absolventen fragen

Arbeitgeber können sich an die Arbeitsagentur oder das Jobcenter vor Ort wenden und nach geeigneten „Myskills“-Testabsolventen fragen, die in den verschiedenen Arbeitsbereichen des Klempner-/Spenglerberufs Erfahrungen haben. Für fehlende Fähigkeiten können gemeinsam Qualifizierungswege entwickelt werden, im besten Fall bis zum vollwertigen Berufsabschluss. Neben der Suche nach Auszubildenden und Fachkräften eröffne „Myskills“ einen Weg, um Menschen mit Berufserfahrung als Mitarbeiter zu finden und weiterzuentwickeln, erklärt Berthold Ruck. Die Entwicklung weiterer Tests, etwa für die Berufe Dachdecker und Zimmerer, ist bisher nicht geplant. „Durch den häufigen Einsatz bestehender Tests, etwa für die Berufe Klempner oder Ausbaufacharbeiter, könnte aber eine Entwicklung weiterer Tests wahrscheinlicher werden“, sagt Roman Wink, Projektmanager des Programms Lernen fürs Leben der Bertelsmann Stiftung. Mehr über die „Myskills“-Tests erfahren Sie online unter www.myskills.de und www.arbeitsagentur.de/myskills .

Autor


Thomas Schwarzmann ist Redakteur der Zeitschriften bauhandwerk und dach+holzbau.

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