Umbau und Sanierung eines Umgebindehauses in Schönbach

Das Faktorenhaus in Schönbach ist ein sogenanntes Umgebindehaus. Die Besonderheit dieser Bauform ist, dass sich die tragende Holzstruktur des Erdgeschosses statisch abgekoppelt vor den Außenwänden befindet. Die Umgebindebögen des Hauses wurden erneuert und ergänzt.

Knapp 20 000 Fachwerkhäuser mit einem Alter von bis zu 500 Jahren prägen die Grenzregion im Dreiländereck von Deutschland, Polen und Tschechien. Besonders markant an vielen dieser Umgebindehäuser ist das hölzerne Stützgerüst vor der Blockstube im Erdgeschoss, das sogenannte Umgebinde. Es trägt statisch unabhängig das Dach und Obergeschoss des Hauses. Genau genommen handelt es sich bei dem Umgebindehaus um eine Mischbauweise aus Fachwerk-, Block- und Massivbauweise. Die Blockstube wurde früher aus übereinander geschichteten Hölzern (Stämmen oder Bohlen) errichtet. Dabei wurde in der Regel in der Blockstube des Hauses gewohnt, während die Tiere im gemauerten Teil des Hauses untergebracht waren. Der Grund für die statische Entkopplung mit außenliegendem Tragwerk ist einfach: Sollte sich die aus Holz gebaute Blockstube durch Quellen und Schwinden in ihrer Form verändern, hatte dies keine Auswirkungen auf die Gesamtstatik des Hauses.

Umlaufendes Holztragwerk im Erdgeschoss

Das Faktorenhaus in Schönbach ist ein repräsentatives Wohn- und Geschäftshaus aus der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Faktorenhäuser waren früher die Häuser der Händler (Faktoren). Das Haus in Schönbach unterscheidet sich von anderen Umgebindehäusern insofern, als dass früher die Stallzone als Lagerraum und Teile des Hauses als Schauraum für Ware genutzt wurden. Das Gebäude wurde vom Architekturbüro Atelier ST aus Leipzig feinfühlig und zeitgemäß für ein Möbelunternehmen aus der Region saniert. Das Ziel der Architektinnen und Architekten war es, das Ursprungsbild des Faktorenhauses von 1785 zu bewahren und gleichzeitig fortzuschreiben.

Karbonisiertes Holz für die Fassade

Das Obergeschoss des Umgebindehauses wurde mit karbonisiertem Holz vom Hersteller Mocopinus neu verkleidet. In das große Dach wurde eine über die gesamte Hausbreite laufende Hechtgaube eingebaut, eine Kombination aus Fledermaus- und Schleppgaube. Durch diese Gaube konnten die Architekten viel Licht in das Gebäude bringen, ohne das historische Äußere zu stark zu verändern. Das Denkmalamt konnte von dieser Vorgehensweise überzeugt werden, weil Hechtgauben grundsätzlich bauzeitlich in Schönbach eingebaut wurden. Im Inneren des Hauses wurde durch das Freilegen der hölzernen Tragstruktur und das Öffnen von Wänden und Decken der Bestand zu einem hellen, zeitgemäßen Arbeitsort.

Die Blockstube bildet das Herz des Hauses

Umgebindehäuser sind in der Regel immer nach dem gleichen Prinzip aufgebaut: Die Erschließung erfolgte traufseitig in der Mitte des Gebäudes. Auf der einen Seite der Diele schloss sich der Stall- oder Lagerbereich an, während es auf der gegenüberliegenden Seite in die Blockstube ging. Häufig befand sich im hinteren Bereich der Diele die so genannte „schwarze Küche“ mit einem Rauchschlot. Die Wände der Blockstuben bestanden aus übereinander verlegten Bohlen oder Holzstämmen, was für ein angenehmes Raumklima sorgte. Im Sommer war es so angenehm kühl und im Winter behaglich warm.

Im sanierten Faktorenhaus in Schönbach wurde die Funktion der Blockstube als Herz des Hauses übernommen. Der Raum dient inzwischen als Gastraum mit offener Küche, der zusammen mit den übrigen Zimmern des Erdgeschosses für Schulungs-, Seminar- und Tagungszwecke von Mitarbeitenden der Firma genutzt oder auch von Externen gebucht werden kann. Vor dem ehemaligen Rauchabzug befindet sich heute ein Kamin. Die bestehenden, hölzernen Bodendielen der Blockstube konnten nach der Sanierung des Fußbodens und dem Einbringen einer Fußbodenheizung erneut verlegt werden. Markant sind die Gewölbedecken des Foyers und des Loungeraums im massiven Bereich des Erdgeschosses.

Restaurierte Holzpaneele an der Decke

In den oberen Etagen befinden sich nach der Sanierung des Faktorenhauses die Büroräume, die akustisch durch Glaswände voneinander getrennt sind. Im ersten Obergeschoss befindet sich über der Blockstube ein Besprechungsraum. Dessen Decke zieren im Haus entdeckte und restaurierte Holzpaneele. Besonders einladend wirkt der kleine Pausenbereich, der durch die geöffnete Decke direktes Tageslicht von oben erhält. Im Dachgeschoss entsteht dadurch an dieser Stelle eine Art Galerie, die zu den übrigen Büros führt. An der Ostseite, über Blockstube und Besprechungsraum, befindet sich das Zimmer der Geschäftsführung. Von hier wird über eine schmale Treppe der Spitzboden erschlossen.

Erste Hilfe: Trockenlegung

„Das Haus war zuletzt Anfang der 1990er Jahre bewohnt und als wir es zum ersten Mal besichtigten, in einem wirklich desolaten Zustand“, berichtet Architekt Sebastian Thaut vom Atelier ST, „nachdem es jahrelang leer stand und sich der ehemalige Besitzer nicht um das Gebäude gekümmert hatte, lag es komplett brach und im Keller stand das Wasser.“ Einer der ersten Schritte war daher die bautechnische Trockenlegung des Hauses. „Wir haben zunächst unterhalb der Fußböden des Kellergeschosses eine Drainage eingebaut“, ergänzt hierzu Jens Jannasch, der mit seinem Betrieb maßgeblich an der Sanierung beteiligt war, „auch vor den Außenwänden wurde, etwa 50 cm vor der Granitwand, unterhalb des Fußbodenniveaus des Kellers, eine umlaufende Drainage verlegt und das Wasser in die Vorflut geleitet.“ Vor den Natursteinwänden des Kellergeschosses erstellten die Handwerker zudem eine 30 cm dicke, natürliche Bauwerksabdichtung aus einer „Dernoton“-Fertigtonmischung. Die Fundamente wurden ertüchtigt, Bruchsteinwände ausgebessert und mit Granitsteinen ergänzt. Sämtliche Verfugung erfolgte mit historischem Mauer- und Fugenmörtel auf Kalkbasis.

Langgestreckte Hechtgaube ersetzt Dachluken

Auch bei der weiteren Sanierung sollten natürliche Baustoffe eine wichtige Rolle spielen. Zunächst ging es darum, das Gebäude auf seine wesentlichen Strukturen zurückzubauen und nachträgliche Einbauten zu entfernen. Ziel war es aber auch, möglichst viel Licht in das Gebäude zu bringen, ohne zu stark die äußere Gestalt des Hauses zu verändern. Da die Fassaden und Fensteröffnungen nicht verändert werden durften und sollten, entschieden sich die Architekten in Absprache mit dem sächsischen Landesamt für Denkmalpflege dafür, die Dachluken des Obergeschosses gegen eine langgestreckte Hechtgaube auszutauschen. Damit das so gewonnene Tageslicht möglichst weit in das Gebäude eindringen kann, entfernten die Handwerker sehr viele Zwischenwände und Gefache der Fachwerkwände, außerdem Teile der Obergeschossdecke. Das Holztragwerk wurde gereinigt und mit einer weißen Schlämmfarbe lasiert. Dort, wo wieder neue Gefache gewünscht waren, führten die Handwerker diese mit Leichtlehmsteinen und Lehmputz aus. Abschließend erhielten die Gefache einen atmungsaktiven Anstrich mit Kaseinfarbe.

Biber aus dem Bestand wiederverwendet

Das Dach erhielt eine 20 cm dicke Aufsparrendämmung aus Holzfaserdämmplatten. Darüber verlegten die Handwerker Unterspannbahnen, Konterlatten,  die rückseitig mit Nageldichtbändern versehen wurden und die Traglattung für die Ziegel. Für die Ein­deckung des Daches konnten die Dachdecker die ­bestehenden Biberschwanzziegel fast vollständig wiederverwenden.

Blockstubenkranz und Kappengewölbe

Die Blockstube des Umgebindehauses in Schönbach befand sich in einem guten Zustand. Auf der Süd- und Nordseite des Hauses waren die Umgebindesäulen und -bögen in den Nachkriegsjahren jedoch ausgebaut und durch Mauerwerk ersetzt worden. Die Wände wurden daher stellenweise freigelegt, gereinigt, gebürstet und mit Leinölfarbe silbergrau gestrichen.

Um das Gebäude wieder im Original erstehen zu lassen, ergänzten die Mitarbeiter der Zimmerei Leuner neue Schmucksäulen und Umgebindebögen und bauten diese fachgerecht ein. Alle Fenster und Fensterbänke der Blockstube sowie die Zierverkleidungen wurden dem Original nachempfunden und neu eingebaut. Da das Gebäude auf einem Sockel aus massiven Granitschwellen und Platten sitzt, war die Holzstruktur gut vor Spritzwasser geschützt. „Am heikelsten in Bezug auf die Wärmedämmung und Winddichtung des

Hauses sind in der Regel die Fachwerkwände der Fassade und der sogenannte Blockstubenkranz“, sagt Jens Jannasch. Auch im Faktorenhaus in Schönbach war über die Jahre eine offene Fuge zwischen dem obersten Balken der Blockstube und der obersten Deckenbalkenlage entstanden. Die Fugen der Fachwerkwand und der Deckenbereiche dämmten die Handwerker mit Stopfhanf aus und verschlossen diese mit einem Hanf-Lehm-Gemisch. Die Decke zwischen Erd- und Obergeschoss ist doppelt aufgebaut: Die untere Lage bildet die Decke der Blockstube, die sich mit dieser im Zuge des Schwindens der Hölzer bewegt, während die obere Lage Teil des Fußbodenaufbaus des Obergeschosses ist und somit auf der Umgebindestruktur lagert.

Denkmalgerechte Fassadensanierung

An der Fassade fallen die Gewände an Türen und Fenstern auf. Sie bestehen aus Granit, zum Teil aus massiven Platten, die wandstark zugeschlagen sind, was eher ungewöhnlich ist. Schäden an den Gewänden reparierten die Handwerker durch Ausschneiden der Fehlstellen und Einsetzen neuer Passsteine. Teil­weise mussten Risse mit Harz ausgepresst und verschlossen werden. An den massiven Außenwänden im Erdgeschoss wurde der nicht bauzeitliche Putz abgeschlagen und durch einen dünn aufgetragenen Sumpfkalkputz ersetzt.

Dämmung im Obergeschoss von innen und außen

Während man bei den Blockstubenaußenwänden auf eine Wärmedämmung verzichtete, erhielt die neue, vorgehängte Fassade im Obergeschoss von außen eine Dämmung aus Holzfaserplatten. Von innen wurden die Wände mit einer Hanfdämmung versehen. Die Dämmebene wurde anschließend mit Lehmbauplatten verkleidet, die mit Lehmputz verputzt wurden. Wichtig war hier – wie im gesamten Gebäude – nur nachhaltige, kapillar aktive und bauphysikalisch sinnvolle Materialien einzusetzen, die die besonderen Bedingungen eines Umgebindehauses berücksichtigen und für ein optimales Raumklima sorgen.

Autorin

Dipl.-Ing. Nina Greve hat Architektur in Braunschweig und Kassel studiert. Heute lebt und arbeitet sie als freie Autorin in Lübeck und ist unter anderem für die Zeitschriften dach+holzbau, bauhandwerk und DBZ tätig. Mehr Informationen: www.abteilung12.de.

Bautafel (Auswahl)

Projekt Sanierung eines historischen Umgebindehauses in Schönbach (Oberlausitz)

Fertigstellung 2020

Bauherr Möbel Starke, Schönbach, moebel-starke.de

Architekten Atelier ST, Leipzig, www.atelier-st.de

Statik Ingenieurbüro für Baustatik, Lothar Jugl, Großpostwitz

Denkmalpflege Landesamt für Denkmalpflege Sachsen,

www.denkmalpflege.sachsen.de

Bauleitung, Zimmerer- und Sanierungsarbeiten Baugeschäft Jannasch, Oppach, www.baugeschaeft-jannasch.de

Restaurierungsarbeiten Restaurierung Freund, Doberschau, www.restaurierung-freund.de

Fensterarbeiten Bau- und Möbeltischlerei Höhne, Taubenheim, Spree, www.tischlerei-hoehne.de

Dachdeckerarbeiten Dachdeckerei Sauer, Schönbach, www.dachdecker-sauer.de

Holzbauarbeiten Sägewerk und Holzhandel Leuner, Cunewalde, www.leunerunddasholz.de

x

Thematisch passende Artikel:

Ausgabe 04/2015

Denkmalgerechte Translozierung

Die Umgebindehäuser entstanden bereits im 15./16. Jahrhundert. Dorfhandwerker vereinten seinerzeit in einem Optimierungsprozess die Fachwerk- und Blockbauweise miteinander. Die Blockstube – einem...

mehr
Ausgabe 7-8/2016

Joseph-Pschorr-Haus in München ist Gründach des Jahres

Gleich zwei Mal wurde das Joseph-Pschorr-Haus dieses Jahr als Gründach des Jahres gekürt. Ende Januar erhielt es die Auszeichnung „Opti-Grün-Dach des Jahres 2016“. Drei Wochen später kürte es...

mehr