Hybride Flachdachdämmung

Gutex-Holzfaserplatten und PU-Gefälledämmplatten in der Kombination

Beim Neubau der Fuchshofschule in Ludwigsburg wurde bei der Flachdachdämmung auf Holzfaserdämmplatten gesetzt. Die oberste Lage der Dämmung, die das Gefälle ausbildet, besteht allerdings aus PU-Hartschaumdämmplatten. Wir haben mit Dipl.-Bauingenieur Rainer Blum, Leiter der Gutex-Anwendungstechnik, über die Ausführung eines solchen Flachdachaufbaus gesprochen und ihn gefragt, wie die weiteren Entwicklungen in diesem Bereich sind. 

Herr Blum, die Dämmung von Flachdächern im Objektbau mit Holzfaserdämmplatten ist relativ selten – warum eigentlich?

Rainer Blum: Dafür gibt es sicherlich mehrere Gründe: Zum einen spielt die wirtschaftliche Betrachtung im Objektbau eine besonders große Rolle. Zum anderen ist eine hybride Dämmebene, wie in Ludwigsburg umgesetzt, auch bauphysikalisch anspruchsvoll. Das kann zu einem planerischen Mehraufwand führen.

Über den Holzfaserdämmplatten auf dem Dach der Fuchshofschule wurde die keilförmige Gefälledämmung mit PU-Hartschaumdämmplatten ausgebildet. Was ist bei diesem Materialmix besonders zu beachten?

Mit Blick auf Hygrothermie und den Brandschutz ist ein Flachdachaufbau mit „normal entflammbarer“ Holzfaserdämmung bauphysikalisch als sensibel einzustufen. Um eine robuste Konstruktion sicherzustellen, ist zusätzlicher Aufwand nötig. Der beim Projekt Fuchshofschule gewählte Aufbau des Flachdachs verhindert beispielsweise potenzielle, hygrothermische Probleme an der Schnittstelle zwischen Dämmung und Dachhaut. Tatsächlich löst der realisierte Hybridaufbau mit zusätzlicher PU-Gefälledämmung zwei Probleme auf einmal.

Auf dem Flachdach der Fuchshofschule in Ludwigsburg wurden zunächst Holzfaserdämmplatten verlegt. Danach wurde die keilförmige Gefälledämmung mit PU-Hartschaumdämmplatten ausgebildet
Foto: Gutex / Martin Granacher

Auf dem Flachdach der Fuchshofschule in Ludwigsburg wurden zunächst Holzfaserdämmplatten verlegt. Danach wurde die keilförmige Gefälledämmung mit PU-Hartschaumdämmplatten ausgebildet
Foto: Gutex / Martin Granacher

„Hygrothermische Probleme werden verhindert“, sagen Sie. Das müssen Sie erklären …

Durch die Gefälledämmung ist das Temperaturniveau in der Übergangsebene zwischen PU- und Holzfaserdämmung so hoch, dass ein hygrothermischer Nachweis mithilfe des Simulationstools „WUFI“ des Fraunhofer IBP möglich ist. Eine zu hohe Materialfeuchtigkeit in der Holzfaserdämmplatte wird so nachweislich vermieden, weil niedrigere Temperaturen in die Ebene der Gefälledämmung verschoben werden. Damit ist die Transparenz in punkto Funktionstauglichkeit gewährleistet. Da Flachdachabdichtungen zudem nach außen nicht diffusionsoffen gestaltet werden können, ist dieser Materialmix bauphysikalisch nicht nur möglich, sondern auch sinnvoll.

 

Welche zweite Problemstellung wird durch den Aufbau gelöst?

Dabei geht es um die brandschutztechnisch erforderliche Widerstandsfähigkeit gegen Flugfeuer und strahlende Wärme (DIN 4102-7). Im vorliegenden Hybridaufbau wird dieses Erfordernis erfüllt, weil die glimmfähige Holzfaserdämmung durch die Überdämmung mit der PU-Gefälledämmung keinen direkten Kontakt mit einer möglichen Brandbeanspruchung haben kann.


Sehen Sie bei der Hybridkonstruktion auch einen wirtschaftlichen Vorteil?

Diplom-Bauingenieur Rainer Blum ist Leiter der Gutex-Anwendungstechnik
Foto: Gutex

Diplom-Bauingenieur Rainer Blum ist Leiter der Gutex-Anwendungstechnik
Foto: Gutex
Angesichts der vorliegenden Projektanforderungen – Stichwort hohe Nachhaltigkeit – ist diese Lösung auch wirtschaftlich vernünftig. Der Vorteil ergibt sich durch die einfache Herstellung der Gefälledämmung mit PU-Dämmstoff. Holzfaserdämmplatten würden hier mehr Aufwand erfordern.

Bauphysikalisch ist ein solcher Flachdachaufbau relativ komplex. Deshalb muss auch ein aufwendigerer Nachweis der Funktionstüchtigkeit mit der Simulationssoftware „WUFI“ erfolgen. Hierbei wird der Bauteilaufbau mit speziell ermittelten Baustoffparametern und unter konkreten örtlichen Klimabedingungen für einen langjährigen Zeitraum instationär simuliert. Nur wenn sich dann ein stabiles Feuchteverhalten abzeichnet, kann die Konstruktion als funktionstauglich bewertet werden. Gutex bietet diese Betrachtung als orientierende Serviceleistung an, beispielsweise in der Zusammenarbeit mit Ingenieurbüros, die für die bauphysikalischen Nachweise beauftragt werden.

 

Gibt es bei Gutex Bestrebungen, die keilförmige Flachdachdämmung, die das Gefälle ausbildet, zukünftig aus Holzfaserdämmstoff zu produzieren?

Die Kombination aus feuchtebeständigen und nicht glimmenden Materialien für die Überdämmung unserer Holzfaserlösungen hat sich als sehr vorteilhaft erwiesen. Bei einem solchen Aufbau kann die Holzfaserdämmung ihre Vorteile hinsichtlich Wärmedämmung, sommerlichem Hitzeschutz und Schallschutz voll ausspielen. Insgesamt ist dieser Materialmix auf Dauer besser und effektiver.

 

Gibt es andere, auf nachwachsenden Rohstoffen basierende Möglichkeiten für die Gefälledämmung?

Eventuell könnte Kork künftig eine Rolle spielen. Bei alternativen Dämmstoffen für die Gefälledämmung ist die Entwicklung aber noch nicht so weit, dass man in Kombination mit anderen Materialien von einer dauerhaft funktionstüchtigen Lösung sprechen könnte.

  

Gibt es weitere Projekte im Flachdachbereich, die Sie derzeit angehen?

In der täglichen Beratung besprechen wir in der Anwendungstechnik mit unseren Kunden immer wieder Projekte im Flachdachbereich, für die wir Lösungen mit Holzfaserdämmung beisteuern. Der orientierende, instationäre Nachweis der dauerhaften Funktionstauglichkeit für bauphysikalisch sensible Konstruktionen gehört für uns inzwischen zum Alltag – und ist uns im Sinne der Transparenz gegenüber unseren Partnern sehr wichtig.

Das Interview führte Rüdiger Sinn, freier Mitarbeiter der Redaktion dach+holzbau, im April 2024.

Mehr über den Neubau der Fuchshofschule in Ludwigsburg mit einer hybriden Flachdachdämmung aus Holzfaser- und PU-Gefälledämmplatten lesen Sie hier.

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