Lange Holzträger für die Wasserwelt Rulantica

Fachwerk-Kastenträger stützen beeindruckendes Dach der Wasser-Erlebniswelt des Europa-Parks Rust

In Sichtweite des Europa-Parks entsteht ein großer Wasserpark. Bis zu 5000 Menschen werden sich dann täglich im nordisch geprägten „Rulantica“ tummeln. Die spektakuläre Dachkonstruktion wird von fünf Fachwerk-Kastenträgern getragen. Große Leimbinder sind die Grundlage für das 10 500 m2 große Dach.

„Von Anfang an war vom Auftraggeber ein Holzdach gewünscht“, erinnert sich Wolfgang Müll, Projektleiter bei Holzbau Amann in Bannholz bei Waldshut-Tiengen im Südschwarzwald. Er ist für das Projekt „Rulantica“ verantwortlich. Roland Mack, Inhaber des EuropaPark, hatte seine Inspiration vom Centre Pompidou in Metz bekommen. Der Ableger des Pariser Centre Pompidou wurde 2009 von Holzbau Amann ebenfalls mit einer spektakulären Holzkonstruktion errichtet.

Von der ersten Idee bis zum tatsächlichen Start der Wasserwelt-Baustelle sollte es allerdings rund vier Jahre dauern. Mack holte sich unter anderem Inspiration in den USA, dort gibt es noch viel größere Wasserparks.

Die Pläne für den finalen Entwurf lieferte dann das Planungsbüro Rohling pbr aus Osnabrück, die Gesamtstatik oblag dem Bauingenieurbüro Göppert aus Lahr. Deren Pläne waren die Grundlage für die gewerkeweise Funktionalitätsausschreibung. Holzbau Amann war für die Herstellung und Montage der Holzdachkonstruktion verantwortlich, Notabdichtung, Dämmung und Gründacharbeiten wurden vom Dachdeckerunternehmen Peter Gerber GmbH ausgeführt (siehe Baustelle des Monats DACH). Holzbau Amann bot einen optimierten Pauschalpreis an, der Zuschlag erfolgte im September 2017. „Durch die intensive Vorplanung waren wir schon etwas im Vorteil, aber natürlich haben auch andere Holzbauunternehmen mitgeboten“, sagt Wolfgang Müll. Der Zuschlag erfolgte auch, weil das Unternehmen Europa-Park bevorzugt mit regional ansässigen Firmen arbeitet und ein Unternehmen aus dem Schwarzwald damit die naheliegende Wahl war.

Riesige fächerförmige Dachfläche

Der Grundriss des Wasser-Erlebnis-Parks „Rulantica“ gleicht einem Fächer. Fünf jeweils 86 m lange, doppelte Fachwerkbinder streben vom Zentrum nach außen. Der Öffnungswinkel beträgt 105 Grad. Die Binder liegen im Zentrum auf, am anderen Ende auf einem Stahlbetonturm, der gleichzeitig technische Versorgungsleitungen zum Boden führt. Die kompletten Träger sind unsymmetrisch zweigeteilt, die 86 m Länge der Träger teilt sich in zwei Teilstücke von 50 m und 36 m auf. Direkt unter dem Stoß der Träger befindet sich eine Betonmittelstütze. Das mächtige Dach des Wasserparks hat eine Grundfläche von 10 500 m2.

„Die finalen Planungen, die wir bekommen haben, wurden von uns in Zusammenarbeit mit dem Holzbaustatiker noch optimiert, gerade auch bei den steigenden und fallenden Diagonalen der Fachwerke“, erklärt Wolfgang Müll. In Zusammenarbeit mit dem Statikbüro sblumer ZT GmbH in Graz wurde also die komplexe Holzbau-Statik entwickelt und räumlich modelliert. Mit diesem Ergebnis wurde das Holz bestellt und der Abbund getätigt.

Komplexe Logistik und Montage

Die Montage der Fachwerk-Kastenträger – die Hauptgurte haben eine Abmessung von 44 x 60 cm – wurde vor Ort am Boden vorgenommen. Gleichzeitig lief der Abbund bei Holzbau Amann „just in time“. Das Brettschichtholz wurde vom Lieferanten angeliefert, abgebunden und mit eingeschlitzten Blechen vorbereitet auf die Baustelle geliefert. Es wurde darauf geachtet, dass pro Woche etwa drei bis vier Lkw mit Material vom Werk auf die Baustelle fuhren. Dort wurden dann die Elemente mit den Gurten, Trägern, Diagonalen und Pfosten von einem Team von sechs Zimmerleuten zusammengesetzt und verschraubt. Auch die Lüftungskanäle, die in den großen Kastenträgern laufen und auch die Versorgungswege montierten die Handwerker auf dem Boden auf einem Vormontageplatz außerhalb der eigentlichen Baustelle. Die großen Querschnitte der Lüftungsleitungen sind nötig, um die großen Mengen an Abluft aufzunehmen und Frischluft zuzuführen. Pro Fachwerkkasten benötigten die Monteure etwa 5 bis 6 Tage für den Zusammenbau, um alle fünf Träger zu montieren also etwa 30 Tage.

Der gesamte Träger ist ein Zweifeldträger, der Stoß ist biegesteif ausgeführt. Die beiden Teile sind mit großen Schlitzblechen verbunden. Die Montage der fünf zusammengesetzten Träger war auf August 2018 terminiert. Der Jahrhundertsommer half, den Zeitplan einzuhalten, denn es gab vor allem trockene Tage.

Die zusammengebauten Kastenträger wurden von den  Monteuren am Vormontageplatz mit einem 300 t-Autokran auf einen Lkw  geladen und in die Baustelle hineingefahren. Dort stand ein 500 t-Kran bereit, der zuerst die 50 m langen Trägerteile auf die Stützen und das Auflager im Zentrum hob. Danach erfolgte die Montage der 36 m langen Teile. Die Logistik war auch hier komplex, denn neben den Montagearbeiten liefen die normalen Rohbauarbeiten auf der Baustelle weiter. Pro Fachwerk-Kastenträger veranschlagten die Planer einen Tag. Zwischen den großen Trägern wurden die leicht überhöhten Satteldachbinder im Achsmaß von 7,20 m zueinander eingefädelt. Diese Satteldachbinder lieferte das Unternehmen Poppensieker & Derix. Die längsten Binder im äußeren Bereich sind rund 30 m lang und werden zum Zentrum nach innen naturgemäß kürzer. „Für das Dachtragwerk haben wir etwa 1450 m3 Brettschichtholz verwendet“, sagt Wolfgang Müll. 

Schalung aus Brettsperrholzplatten

Zwischen den Satteldachbindern gibt es eine Pfettenlage, darüber dann eine tragende Schalung aus 60 mm dicken Brettsperrholzplatten. Diese 2 x 7,20 m Dachelemente sind von unten mit HWL-Akustikplatten der Firma Troldtekt versehen. Diese Elemente wurden im Werk bei Holzbau Amann vorgefertigt, auf die Baustelle geliefert und von den Zimmerleuten verbaut.

Mit der Montage der Satteldachbinder, der Pfettenlage und den vormontierten Dachelementen wurde das Dach immer weiter geschlossen. Das erforderte eine weitere logistische Überlegung. Auf der Baustelle waren mehrere Kräne im Einsatz, die im Wesentlichen auch für die Rohbauarbeiten am Boden erforderlich waren. Durch Verzögerungen im Bauablauf konnten die Zimmerleute von Holzbau Amann eine gewisse Zeit nicht wie geplant die Dachelemente montieren und das Dach weiter schließen. Sonst wären die Rohbauarbeiten im Gebäudeinneren zum Erliegen gekommen. „Wir mussten mehrmals eine Zwangspause von bis zu vier Wochen einlegen“, erinnert sich Wolfgang Müll. Wie bei Großprojekten oft üblich, wurden auch hier vom Bauunternehmer die Baukräne gestellt. Für die Benutzung wurde eine Kranmiete erhoben.

Oberlichter-Einfassung aus Holz statt aus Metall

Im Zuge der Dachschließung – für die Dachfläche wurde 650 m3 Brettsperrholz verwendet – wurden auch First-Oberlichter montiert. Zunächst sollte es eine Metallkonstruktion werden, allerdings konnten die Planer von Amann den Auftraggeber überzeugen, die Oberlichtflächen mit einer Unterkonstruktion aus Holz zu fertigen. Mit einem Holz-Alu-System (Raico Bauelemente) mit eingelegtem Glas wurden die First-Oberlichter gefertigt. Die Montage des Aluminium-Systems erfolgte durch Trumpf Metallbau aus Walzbachtal bei Karlsruhe.

Subunternehmer für die Dacharbeiten

Mit dem Verlegen der Dampfsperre wurde die Peter Gerber GmbH von Holzbau Amann beauftragt, da die weiteren Dacharbeiten vom Bauherrn ebenfalls an das Dachdeckerunternehmen aus Bahlingen vergeben wurden (alles über die Dacharbeiten an der Wasserwelt "Rulantica" lesen Sie hier).

Die Arbeiten wurden von Holzbau Amann Anfang März 2019 mit dem Schließen des Daches fertiggestellt. Damit hatte sich der Zeitplan um etwa fünf Monate verschoben. „Wir wären bis Ende Oktober sicherlich fertig geworden“, sagt Wolfgang Müll, „hatten durch die Verzögerungen bei den Rohbauarbeiten am Boden aber keine Chance, die Zeit reinzuholen.“ Dennoch ist der Bauherr optimistisch die ersten Badegäste wie geplant am 28. November 2019 empfangen zu können.

Autor

Rüdiger Sinn ist Redakteur der Zeitschrift dach+holzbau.

Bautafel (Auswahl)

Projekt Wasserwelt Rulantica, Europa-Park, 77977 Rust, www.europapark.de

Planung pbr Planungsbüro Rohling AG, 49076 Osnabrück, www.pbr.de

Statik Göppert Bauingenieure, 77933 Lahr/Schwarzwald, www.gbi-statik.de

Holzbau Holzbau Amann GmbH, 79809 Weilheim-Bannholz, www.holzbau-amann.de

Subunternehmer Dacharbeiten Peter Gerber GmbH, 79353 Bahlingen am Kaiserstuhl, www.gerber-dach.de      

Montage Oberlichter Trumpf Metallbau GmbH, 75045 Walzbachtal, www.trumpf-metallbau.de

Holzbaustatik sblumer ZT GmbH, A-8042 Graz, www.sblumer.com

Produkte (Auswahl)

Akustikplatten Troldtekt Deutschland GmbH, 20359 Hamburg, www.troldtekt.de

First-Oberlichter Raico Bautechnik GmbH, 87772 Pfaffenhausen, www.raico.de

Dämmung Deutsche Rockwool GmbH & Co. KG, 45966 Gladbeck, www.rockwool.de

Satteldachbinder Poppensieker & Derix GmbH & Co. KG, 49492 Westerkappeln, www.derix.de

Zahlen, Daten, Fakten (Auswahl)       

BSP Dachschalung 650 m3

BSH Dachtragwerk 1450 m3

Grundfläche Dach 10 500 m2

Fachwerk-Kastenträger 2 Teile, á 50 m und 36 m

Gewicht der Fachwerkträger 110 Tonnen

Breite der Fachwerkträger 3,44 m

Höhe der Fachwerkträger 4,81 m

„Da ist viel Erfahrung gefragt!“

Wolfgang Müll ist Projektleiter bei der Holzbau Amann GmbH in Weilheim-Bannholz. Er war von Beginn an in die Baustelle der Wasserwelt „Rulantica“ einbezogen. Im Interview spricht er über den Planungsprozess und über die Montage der riesigen Fachwerkbinder für das außergewöhnliche Dach.


Interview: Rüdiger Sinn


dach+holzbau: Herr Müll, wie fühlen Sie sich, jetzt da Sie das Projekt fast abgeschlossen haben?


Wolfgang Müll: Man freut sich natürlich, wenn man für so einen renommierten Bauherrn ein solch großes Projekt machen darf und wenn ich das Endergebnis sehe, dann bin ich auch stolz, dass wir dabei sein durften.


Was fanden Sie persönlich am spannendsten?


Wir haben das Projekt von Beginn an begleiten dürfen und der Entstehungsprozess war für mich das Spannendste. Gerade wenn man dabei ist und erkennt, wie viele Fachleute es benötigt und was da für ein logistischer Aufwand dahintersteckt. Das fängt an mit Architektur, Brandschutz, Bauakustik, Haustechnik bis hin zur Innengestaltung, also der Thematisierung der Halle. Auch der persönliche Kontakt zum Bauherrn, Herr Mack vom Europa-Park, war sehr eindrücklich und hat inspiriert.


Bei so einem großen Projekt wurden sicherlich auch die Grenzen des Machbaren überschritten?


Das eigentlich weniger, wir hatten es mit traditionellen Handwerkstechniken zu tun. Außergewöhnlich waren die großen Querschnitte der Fachwerkbinder. Sowas produziert man sonst selten. Das ist dann immer auch spannend, ob alles auf der Baustelle zusammenpasst. Und einen 500 Tonnen-Kran hat man natürlich auch nicht jede Woche auf der Baustelle.


Und, hat alles gepasst?


Ja, aber es bedarf natürlich auch einer Menge Erfahrung seitens der Handwerker und ein gutes Montagekonzept. Wenn man zum Beispiel die großen Schlitzbleche montiert, sollte man zunächst nicht alle Stabdübel reinschlagen, sondern nur so viele, dass noch genügend Spiel da ist. Erst wenn das Gegenstück fixiert ist, sollten alle Dübel gesetzt werden.



Die Abmessungen der Satteldachbinder waren auch enorm, das ist doch Millimeterarbeit?

Richtig, aber auch da hat alles gepasst und wir haben da auf erfahrene Spezialisten zurückgegriffen. Selbst die 30 m langen Binder waren kein Problem.



Sind Sie insgesamt zufrieden mit dem Projektverlauf?


Im Nachhinein gibt es natürlich immer das eine oder andere was man hätte anders machen können, aber insgesamt ist es gut gelaufen. Die größte Herausforderung war die Montage und da gab es auch Verzögerungen, weil die Rohbauarbeiten auf dem Boden nicht so schnell vorangingen wie geplant und wir durch die Kranlogistik gebremst wurden. Aber wenn man sieht, was dieses Projekt auch für einen Bekanntheitsgrad für unser Unternehmen bringt, dann können wir zufrieden sein.



Herr Müll, vielen Dank für das Gespräch!

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