Holz-Hybrid mit sieben Geschossen

Im Schweizer Rudolfstetten prägt das Bauprojekt „Am Mühlebach“ den Ortskern völlig neu. Errichtet wurde, neben anderen Gebäuden, ein Siebengeschosser mit Holzfassade, Außen- und Wohnungstrennwänden in Holzrahmenbauweise und Decken aus Brettsperrholz.

Die kleine Gemeinde Rudolfstetten in der Schweiz erneuert ihren Ortskern rund um den Bahnhof. In einer attraktiven Lage, nur rund zehn Kilometer von Zürich entfernt, entstehen eine Reihe von Wohnbauten. Das Wohngebäude „Am Mühlebach“ überragt dabei seine Nachbargebäude um mehrere Geschosse. Hier entstand im vergangenen Jahr ein Wohn- und Geschäftshaus mit 28 Mietwohnungen. Das Projekt ist nicht das einzige Bauvorhaben in dem Bereich. Neben dem Gebäude wird ein weiteres Areal in Rudolfstetten derzeit komplett überplant. Das Gemeindehaus wurde bereits saniert, nun sollen auf der rund 8000 m2 großen Brachfläche daneben vier Mehrfamilienhäuser und ein Werkhof errichtet werden. Zwei Tiefgaragen schaffen künftig zusätzlich ein großzügiges Park-and-ride Angebot.  

 

28 Wohnungen in Holzbauweise

Der Siebengeschosser in Rudolfstetten ragt auf einer Grundfläche von 19 x 19 m gut 24 m in die Höhe. Seine Größe macht ihn zu einem Blickfang in dem Ort, der ansonsten durch kleinteilige Bebauung geprägt ist. Die Holzfassade mit vertikal angebrachten, druckimprägnierten und vorvergrauten Fichtenholzlamellen ist im neuen Zentrum weithin sichtbar. Horizontal angeordnete Metallleisten umlaufen den Baukörper in jedem Geschoss auf Höhe der Deckenelemente und geben dem Bau eine einfache, gleichmäßige Höheneinteilung. Ein auffallendes, architektonisches Element sind die in den Gebäudeecken positionierten, tief eingeschnittenen Loggien, die sich über alle Geschosse ziehen. Die Außenanlagen rund um das Gebäude werden als öffentlicher Raum genutzt und sind deswegen leicht zugänglich. Neben den Grünflächen, den befestigten Flächen und einigen Fahrradabstellmöglichkeiten nimmt auch die geschwungene Abfahrt zur Tiefgarage ihren Teil des öffentlichen Raums ein. Rund 200 m2 Dienstleistungsfläche hält das Gebäude im Erdgeschoss bereit, darunter liegt die Tiefgarage mit 29 Stellplätzen.

 

Seriell und trotzdem variabel

In den sieben Geschossen über dem Erdgeschoss befinden sich insgesamt 28 Wohnungen. Um einen mittig positionierten Erschließungskern mit Aufzügen und Treppenhaus gruppieren sich pro Stockwerk vier Wohneinheiten. In der Grundrissgestaltung nutzten die Planer die Vorteile des modularen und seriellen Bauens perfekt aus. Jede Etage ist exakt gleich aufgebaut. Durch das Versetzen nur einer einzigen Tür entstehen zwei unterschiedliche Wohnungsgrößen. Im ersten, dritten, fünften und siebten Geschoss befinden sich zwei 2,5-Raumwohnungen, eine gemütliche, kleine 1,5- und eine geräumige 3,5-Raum-Wohnung. In der zweiten, vierten und sechsten Etage sind vier 2,5-Raumwohnungen angesiedelt. Von außen ist diese Variabilität, die Wohnungen zwischen 46 und 75 m2 Größe umfasst, in den Grundrissen nicht erkennbar. Die kompakte Bauweise mit dem innenliegenden Erschließungskern begünstigt effiziente Grundrisse. Die Holzbauweise ist in diesem Gebäude nur noch an den Deckenelementen aus CLT (Brettsperrholz) erkennbar. Die Holzdecken verleihen den Wohnräumen durch die qualitativ hochwertigen Sichtholzoberflächen eine behagliche Atmosphäre. Raumhohe, eingebaute Schränke befinden sich geschickt versteckt in passenden Nischen im Flur und sorgen für Stauraum. Die in den Gebäudeecken positionierten Loggien schaffen einen geschützten Außenplatz und sind durch die großen Fensterflächen optisch gleichzeitig ein Teil des Wohnraums.

 

Holz und Beton miteinander genutzt

Das Gebäude verschreibt sich hinsichtlich seines Baumaterials nicht nur einem Werkstoff, sondern setzt in jedem Konstruktionsbereich auf das Material, das für diese Aufgabe die meisten Vorzüge mitbringt. Und so ergibt sich ein recht bunter Mix der Materialien, der sich aber einfach klassifizieren lässt. Der quadratische Kubus mit sieben Etagen aus vorgefertigten Holzbau-Elementen fußt auf einem Tief- und einem Erdgeschoss in Betonbauweise. Als aussteifendes Element dient der mittig liegende Erschließungskern aus Beton, der neben dem Treppenhaus auch den Aufzugsschacht bereithält. Der massive Baukörper ist bis zur Decke über dem Erdgeschoss aus Beton gefertigt. Überlegungen, auch das Treppenhaus in Holzbauweise zu erstellen, standen bei diesem Projekt nicht im Raum. „Bei anderen Projekten realisieren wir auch Treppenhäuser und Liftschächte in vorgefertigter Holzbauweise. Bei diesem Projekt mit sieben Geschossen in Holz und einer relativ kleinen Grundfläche war von Anfang an klar, dass die effizienteste Aussteifung mit einem massiven Treppenhauskern gelöst wird“, berichtet Beat Honegger, verantwortlicher Projektmanager bei der Renggli AG, die als Generalunternehmerin für den Bau verantwortlich war.

Ab dem ersten OG bestimmen Wand- und Deckenelemente in Holzbauweise die Konstruktion. Insgesamt 140 Deckenelemente aus Brettsperrholz (CLT) lieferte das Osttiroler Unternehmen Theurl zur Baustelle in die Schweiz. Sie wurden um den Betonkern gruppiert und als Holz-Beton-Verbund ausgeführt. Als Auflager dient ein gleichschenkliges Winkelstahlprofil mit 140 mm Kantenlänge. Die rund 50 mm breite Fuge zwischen Betonkonstruktion und Holzelement ist mit Dämmmaterial aufgefüllt. Auf den Deckenelementen ist ein Fußbodenaufbau mit Betonschicht, Dämmung und Oberbelag vorgesehen.

 

Komplette Wandelemente vorgefertigt

Die Wandelemente sind in Holzrahmenbauweise ausgeführt. Sie wurden vorgefertigt, inklusive der Fenster und der Fassadenbekleidung, auf die Baustelle transportiert. Die Wände sind mit 260 mm dicker Mineralwolldämmung versehen und tragen so zum geringen Energieverbrauch des Gebäudes bei. Die Wohnungstrennwände lassen von ihrer Konstruktion in Holzbauweise im fertiggestellten Gebäude optisch nichts mehr erahnen, da sie aus Brandschutzgründen beidseitig doppelt mit Vorsatzschalen beplankt sind. Die nicht tragenden Innenwände in den jeweiligen Wohneinheiten wurden aus Zeitgründen und finanziellen Gesichtspunkten in Trockenbauweise erstellt. Die Länge der Wandelemente ist durch den Entwurf vorgegeben. „Die maximale Größe eines vorgefertigten Elementes ist grundsätzlich bestimmt durch die Produktions- und Transportmöglichkeiten. Je nach Projekt sind es aber oft auch andere Parameter, die die Größe eines Elementes bestimmen, wie zum Beispiel notwendige Trennungen infolge von Schall- oder Brandschutz. Bei diesem Projekt wurden die Außenwände in logischer Konsequenz von Balkonnische zu Balkonnische an einem Stück gefertigt, was einer Länge von rund 13 Metern entspricht“, erläutert Beat Honegger.   

Der Aufbau der sieben Etagen in Holzbauweise erfolgte zügig und brachte auch einen Lernfortschritt mit sich. Benötigten die Zimmerer für die Montage des ersten Obergeschosses noch eine ganze Woche, so konnten in den folgenden Wochen jeweils zwei Etagen  pro Woche installiert werden. Den Abschluss bildeten in der vierten Woche das 7. OG und das Dach. Die kurze Bauzeit der sieben Stockwerke in Holzbauweise erklärt Projektmanager Beat Honegger so: „Bereits in der Planung fließen Überlegungen ein, wie die Montagezeiten optimiert werden können. So wurde entschieden, dass nur die Wohnungstrennwände vorgefertigt werden. Die raumtrennenden Wände wurden dann nachträglich in Leichtbauwiese eingebaut. Die wiederkehrend gleichen Grundrisse haben die kurze Montagezeit weiter begünstigt. Geholfen hat aber auch das Wetterglück – wir hatten während der Montagezeit praktisch keine Regentage.“

 

Ausgeklügelte Logistik

Die Geschossdecken aus CLT haben eine Bauteilstärke von 140 mm, die Unterseite ist in Sichtqualität ausgeführt. Für die Dachelemente kamen Platten mit einer Stärke von 220 mm zum Einsatz. „Vieles spricht für den leistungsfähigen Baustoff CLT“, berichtet Theurl-Vertriebsleiter Christian Wolsegger, „Von den konstruktiven und statischen Vorteilen bis hin zur Sichtholzqualität, welche eine behagliche Atmosphäre in Innenräumen schafft.“ Die Massivholzplatten seien langlebig, belastbar und energieeffizient, so Wolsegger. Pro Etage rollte eine Lkw-Ladung mit CLT-Deckenelementen aus Österreich in die Schweiz. Mit insgesamt sieben Lkw-Ladungen konnte das gesamte Material rechtzeitig und auf den Montagetermin abgestimmt zur Baustelle geliefert werden. Die gut funktionierende Logistik resultierte aus der engen Abstimmung zwischen den Planern auf Bauherrenseite und dem Team des Herstellers. Mit den Deckenelementen spielte das Team Theurl ein bisschen „Tetris“, um die Logistik zu optimieren. „Die 3D Laderaumoptimierung, kurz LRO, kam vor allem bei der Anlieferung der einzelnen CLT-Bauelemente auf die Baustelle zum Einsatz. In der exakten Reihenfolge der Montageabfolge und kompakt in den Lkw geschichtet, behält der Kunde beim Entladen den optimalen Überblick über die einzelnen Bauteile. Möglich macht dies eine eigens von uns entwickelte Softwarelösung. Als besonderen Service kann der Kunde den aktuellen Beladeplan über einen eigenen Zugang mitverfolgen und bei Bedarf adaptieren“, berichtet Christian Wolsegger.  

 

Minergie-Standard erreicht

Von der hohen Präzision der Vorfertigung profitiert der Bau auch in energetischer Hinsicht. Das Gebäude erreichte mühelos den Minergie-Standard, eine geschützte Schweizer Marke für nachhaltiges Bauen. Die Komfortlüftung sorgt für eine hohe Luftqualität im Gebäude. Heizwärme bezieht das Gebäude aus einer erneuerbaren Quelle: Eine Erdsondenheizung, bestehend aus acht Sonden mit je 180 m Länge, wurde unter der Bodenplatte installiert. Sie erzeugt Energie für die zwei separaten Wärmepumpen, die Heizung und Warmwasser bedienen. Auf dem begrünten Flachdach sind ein Monoblock und PV-Module installiert. In der Tiefgarage sind zehn Elektro-Ladestationen vorbereitet. Das Projekt ist so auch für die Zukunft bestens aufgestellt.

 

Autorin

Christina Vogt ist Holzbau-Fachjournalistin und lebt in Gladbeck.

Bautafel (Auswahl)

 

Projekt Wohn- und Geschäftshaus Am Mühlebach, CH-Rudolfstetten

Bauherr Bonainvest Holding AG, CH-4503 Solothurn, www.bonainvest.ch

Bauzeit 2021 bis 2022

Energiestandard Schweizer Minergie-Standard

Holzvolumen 309,19 m³

Nettoflächen Gewerbe 204 m2, Wohnen 1722 m2

Statik  KFB Pfister AG, CH 4600 Olten, www.kfbag.ch

Architekt Monn und Pfander AG; Urs Müller Architekten, CH 5610 Wohlen, www.umarchitekten.ch

Generalunternehmer Renggli AG, CH 6210 Sursee, www.renggli.swiss

Zulieferer CLT Brüder Theurl GmbH, A-9911 Assling, www.theurl-holz.at

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