Spenglermeisterin Jennifer Konsek im Interview

Jennifer Konsek setzt sich für mehr Frauenpower im Handwerk ein

Jennifer Konsek (25) ist Spenglermeisterin und arbeitet im Dachdeckerbetrieb ihres Vaters in München. Sie setzt sich nicht nur für mehr Frauenpower im Bauhandwerk ein, sondern will als Botschafterin der Messe „Dach+Holz 2024“ auch zeigen, wie vielseitig und abwechslungsreich ihr Beruf ist.

Mélanie Diss: Du arbeitest im Dachdeckerbetrieb deines Vaters in München. Hat er dich dazu ermuntert, im Dachdecker- und Spenglerhandwerk tätig zu werden, oder hätte er dich lieber in einem anderen Beruf gesehen?

Jennifer Konsek: Ich habe zunächst meinen Realschulabschluss gemacht und bin auf die Fachoberschule (FOS) gegangen. Einen konkreten Plan, was ich beruflich machen wollte, hatte ich noch nicht. Für mich war aber klar, dass ich Bewegung im beruflichen Alltag brauchte und nicht im Büro vor dem Bildschirm sitzen wollte. Deshalb habe ich die Fachoberschule nach einem halben Jahr abgebrochen. Mit 15 Jahren hatte ich bereits ein Praktikum in einer Schreinerei gemacht, das mir sehr gut gefallen hatte. Zudem konnte ich in den Ferien im Dachdeckerbetrieb meines Vaters aushelfen, wo ich viel lernen durfte. Also war eines sicher: Handwerk macht mir Spaß, deshalb empfahl mir mein Vater, eine Ausbildung zu beginnen.

 

Wie ist es denn, sich von seinem Vater ausbilden zu lassen?

Ich habe keine Sekunde überlegt, die Ausbildung in einer anderen Firma zu machen, weil ich wusste, ich kann im Familienbetrieb viel lernen und die Arbeiten selbst ausprobieren. Mein Vater hat mir von Anfang an sehr viel zugetraut und mich gefördert. Das war die beste Entscheidung, die ich treffen konnte, auch wenn mein Vater manchmal ein bisschen ungeduldig ist (lacht).

Für die Spenglermeisterin aus München war früh klar, dass sie Bewegung im beruflichen Alltag brauchte und nicht im Büro sitzen wollte
Foto: GHM

Für die Spenglermeisterin aus München war früh klar, dass sie Bewegung im beruflichen Alltag brauchte und nicht im Büro sitzen wollte
Foto: GHM
 

Du warst wahrscheinlich eine der wenigen Frauen in der Schule und im Betrieb. Wie war das für dich?

Im Betrieb gab es von Anfang an es keine Probleme. Ich arbeite beispielsweise mit meinem früheren Babysitter zusammen – er ist angestellter Dachdecker in unserer Firma. Es war und ist wie eine zweite Familie in unserem Betrieb.

In der Berufsschule war ich das einzige Mädchen in der Klasse. Ich musste mir zum Beispiel anhören, dass Frauen in die Küche gehören würden. Oder, dass ich auf den Baustellen nichts zu suchen hätte. Aber viele Klassenkameraden haben sich hinter mich gestellt und gesagt, dass auch Frauen in der heutigen Zeit ins Bauhandwerk gehören. Mittlerweile bin ich viel selbstbewusster und antworte den Menschen direkt, die solch überflüssige Kommentare abgeben.

 

Heißt das, du hast immer wieder mit Vorurteilen zu kämpfen?

Nein, es ist wirklich selten. Die Kollegen wissen ganz genau, was ich kann, und sie sehen es nicht als Problem, dass ich eine Frau bin. Wenn Handwerker aus anderen Gewerken dabei sind, schauen sie manchmal ein bisschen komisch. Aber ich wurde noch nie richtig blöd angemacht. Es sind eher überraschte Blicke, weil Frauen in dem Beruf selten vertreten sind. Oft ist es sogar ein Anlass, ins Gespräch zu kommen, weil die meisten neugierig sind.

 

Du bist in den sozialen Medien viel unterwegs, gibst auf Instagram Einblicke in deine Arbeit und hast sehr viele Follower. Hast du hier manchmal mit Widerständen zu kämpfen?

Negative Kommentare kommen hier ebenfalls sehr selten vor. Und wenn doch, kann es ziemlich witzig werden, weil andere Follower sich einschalten und mich unterstützen. Ich habe aber von mehreren anderen Handwerkskolleginnen gehört, dass sie zum Teil richtig gegen Vorurteile kämpfen müssen. Das ist traurig.

 

Was sagst du zu jemandem, der meint, eine Ausbildung im Bauhandwerk sei nichts für Frauen?

Für das Arbeiten im Dachdecker- und Klempnerhandwerk brauche man eher viel Feingefühl als starke Muskeln, sagt Jennifer Konsek
Foto: GHM

Für das Arbeiten im Dachdecker- und Klempnerhandwerk brauche man eher viel Feingefühl als starke Muskeln, sagt Jennifer Konsek
Foto: GHM
Meistens stelle ich die Gegenfrage: „Warum denn nicht?“ Wenn das Argument kommt, man sei als Frau nicht stark genug für diese Arbeit, antworte ich, dass man auch ohne Muskeln Gutes leisten kann. Handwerk ist nicht nur körperliche Arbeit, es braucht auch ein cleveres Köpfchen dazu. Und es kommt sehr selten vor, dass ich Kollegen um Hilfe bitten muss, weil mir die Kraft fehlt. Es ist wie beim Sport: Wenn man regelmäßig trainiert, wachsen die Muskeln. Zudem erfordert weder das Dachdecker- noch das Klempnerhandwerk Superkräfte, sondern viel Feingefühl.

Welche Arbeiten machen dir in deinem Beruf am meisten Spaß?

Das ist eine schwierige Frage, weil es so viel gibt, was ich gerne tue. Ich finde es schön zu sehen, was ich am Ende des Tages mit meinen eigenen Händen geschaffen habe. Ich bin ein Fan von Blechgauben und meine Lieblingsarbeit ist das Einblechen von geschwungenen Turmdächern. Das kommt sehr selten vor, aber ein Projekt steht schon an: ein denkmalgeschütztes Haus mit einem großen, geschwungenen Turm. Ich freue mich schon riesig darauf!

 

Welche Tipps hast du für junge Mädchen und Frauen, die sich für das Handwerk interessieren?

Ich empfehle ihnen, auf sich zu hören, sich nichts von anderen ausreden zu lassen und einfach das zu machen, worauf sie Lust haben. Auch nach einer Ausbildung im Handwerk gibt es viele Möglichkeiten, sich weiterzuentwickeln, zum Beispiel mit dem Meister oder man beginnt ein Studium, das zum Beruf passt.

 

Apropos Weiterentwicklung: Planst du, den Betrieb deines Vaters zu übernehmen?

Mein Vater und ich teilen uns bereits die Arbeit auf. Wenn er nicht da ist, habe ich auf der Baustelle das Sagen. In naher Zukunft werde ich den fünfköpfigen Betrieb übernehmen, aber davor will ich noch Erfahrungen sammeln. Um Angebote zu schreiben, muss man wissen, wie kompliziert das Ausführen mancher Arbeiten werden kann oder wieviel Zeit man dafür einkalkulieren muss. Ich denke, ich werde in ein oder zwei Jahren langsam mit in die Betriebsführung einsteigen.

Es sollte selbstverständlich sein, dass weibliche Fachkräfte im Bauhandwerk arbeiten, meint Jennifer Konsek und sagt: „Die Kollegen wissen ganz genau, was ich kann, und sie sehen es nicht als Problem, dass ich eine Frau bin.“
Foto: GHM

Es sollte selbstverständlich sein, dass weibliche Fachkräfte im Bauhandwerk arbeiten, meint Jennifer Konsek und sagt: „Die Kollegen wissen ganz genau, was ich kann, und sie sehen es nicht als Problem, dass ich eine Frau bin.“
Foto: GHM
 

Welche Themen in der Branche beschäftigten dich und sollten deiner Meinung nach unbedingt geändert werden?

Das Toiletten-Thema zum Beispiel: Warum bekommt man es nicht geregelt, dass es auf Baustellen eine Männer- und eine Damen-Toilette gibt? Ich finde, das sollte gesetzlich vorgeschrieben sein. Auch beim Thema Nachwuchs muss mehr passieren: In Schulen wird viel zu wenig über die Vorteile einer Ausbildung gesprochen. Man sollte hier einen Aufklärungstag einführen und über die Aufstiegs- und Verdienstmöglichkeiten informieren, sodass Schüler und Schülerinnen einen klaren Vergleich zwischen Studium und Ausbildung haben und selbst entscheiden können.

 

Du engagierst dich für dein Handwerk und hast dich erfolgreich als Gesicht der Messe DACH+HOLZ 2024 beworben.Warum ist es dir wichtig, die Messe zu repräsentieren?

Jungen Mädchen und Frauen empfiehlt die Spenglermeisterin, einfach das zu machen, worauf sie Lust haben, auf sich zu hören und sich nichts von anderen ausreden zu lassen
Foto: GHM

Jungen Mädchen und Frauen empfiehlt die Spenglermeisterin, einfach das zu machen, worauf sie Lust haben, auf sich zu hören und sich nichts von anderen ausreden zu lassen
Foto: GHM
Ich liebe meinen Beruf über alles und möchte diese Begeisterung den Leuten da draußen zeigen. Ich will den jungen Menschen die Vielseitigkeit und den Abwechslungsreichtum im Handwerk näherbringen und ihnen zeigen, dass es heutzutage eine sehr gute Option ist, ins Handwerk zu gehen. Aber vor allem möchte ich beweisen, dass Frauen genauso gut ins Bauhandwerk passen wie Männer. Ich freue mich, als Messegesicht viele neue Leute auf der Messe näher kennenzulernen und habe von meinem Vorgänger René Gößling erzählt bekommen, wie schön das ist, diese Erfahrungen live vor Ort zu machen. Ich kann es kaum erwarten!

 

Für welche Themen oder Angebote interessierst du dich auf der Messe DACH+HOLZ und worauf freust du dich besonders?

Ich freue mich auf das Zusammenkommen aller Akteure der Branche. Das fand ich 2022 in Köln bereits so schön, Menschen kennenzulernen, nette Gespräche zu führen, Teil dieser Gemeinschaft zu sein, sich über Neuheiten auszutauschen oder andere Erfahrungswerte zu bekommen und dadurch neue Perspektiven für sich zu entdecken. Ich bin gespannt, welche Neuheiten es im Bereich Solarenergie und Photovoltaik geben wird. In München ist Denkmalschutz ein großes Thema und ich möchte mir die neuen Lösungen von Herstellern in diesem Bereich ansehen. Es ist mir besonders wichtig, an den Marktentwicklungen dranzubleiben, um unseren Betrieb zukunftsfähig zu machen. Die Maschinen- und Werkzeughersteller machen sich viele Gedanken, wie sie den Handwerkern die Arbeit erleichtern. Auch hier werde ich die Produkte auf der Messe genauer unter die Lupe nehmen. Ich finde, wenn man sich alles gründlich anschauen möchte, sollte man mindestens zwei Tage für den Messebesuch einplanen.

 

Vielen Dank für das Gespräch!

 

Autorin

Das Interview führte Mélanie Diss, Referentin für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der Gesellschaft für Handwerksmessen (GHM).

Hier geht es zur Instagram-Seite von Jennifer Konsek (Jenni vom Dach): https://www.instagram.com/jenni_vom_dach/

Messe DACH+HOLZ 2024 in Stuttgart

Die Spenglermeisterin Jennifer Konsek aus München (Instagram: „Jenni vom Dach“) und Zimmerermeister Stephan Pöschl, Geschäftsführer der Pöschl Zimmerei & Holzbau GmbH, wurden als Gesichter der Messe DACH+HOLZ 2024 gewählt. Nicht nur auf Plakaten zur Messe, sondern auch auf der Website, in Videos und auf den Social-Media-Kanälen  der Messe werden die beiden als Messegesichter zu sehen sein, außerdem werden sie als Ehrengäste auf der Messe unterwegs sein. Die Messe DACH+HOLZ findet vom 5. bis 8. März 2024 in Stuttgart statt.

Mehrere Aktionsflächen auf der Messe

Praxisnahe Vorführungen und Wissenstransfer sollen auf der Messe DACH+HOLZ 2024 stärker im Fokus stehen als bisher. Daher wird es laut der Gesellschaft für Handwerksmessen (GHM), dem Veranstalter der Messe, statt eines zentralen Forums mehrere Aktionsflächen pro Messehalle geben. Auf den Aktionsflächen werden verschiedene Themen im Mittelpunkt stehen, unter anderem Nachhaltigkeit und Zukunft, Digitalisierung und Start-ups, Personalrecht und Arbeitssicherheit. Neben Vorträgen sind auch Podiumsdiskussionen und Produktvorführungen geplant.

In der Start-up-Area der Messe werden sich erneut Newcomer mit ihren Neuheiten für das Dachdecker- und Zimmererhandwerk präsentieren. Außerdem werden an allen vier Messetagen „Social-Media Sprechstunden“ für Besucherinnen und Besucher mit bekannten Influencern aus dem Bauhandwerk angeboten. Mehr Informationen zum Programm der Messe finden Sie online unter www.dach-holz.com

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