Nachwuchs für das Handwerk begeistern
Klempnermeister und Dachdeckermeisterin führen Aktionstage zur Nachwuchsgewinnung an Schulen durchIm Rahmen der Aktion „Handwerk on Tour“ haben Dachdeckermeisterin Fabienne Ellermeier und Klempnermeister Marvin Bürger dieses Jahr acht Schulen besucht, um Schülerinnen und Schüler für das Arbeiten im Dachdecker- und Klempnerhandwerk zu begeistern – und erhielten dabei überwiegend positive Rückmeldungen.
Marvin Bürger (29) führt seit zwei Jahren einen Klempnermeisterbetrieb in Brilon im Hochsauerlandkreis. Schon während seiner Schulzeit stand für ihn fest, dass er im Klempnerhandwerk arbeiten wollte. Der Weg zu seinem Traumberuf war für ihn aber mit Umwegen verbunden, wie er erklärt: „Als ich meine Klempnerlehre beginnen wollte, habe ich keinen passenden Ausbildungsbetrieb in meiner Region gefunden. Daher habe ich mich zunächst für eine Ausbildung in einem Dachdeckerbetrieb entschieden und mir die grundlegenden Fertigkeiten im Klempnerhandwerk selbst beigebracht.“ Nach dem Abschluss seiner Dachdeckerlehre absolvierte er am Bildungszentrum des westfälischen Dachdeckerhandwerks in Eslohe zwei Weiterbildungen zum Dachdecker- und Klempnermeister, danach gründete er seinen eigenen Betrieb Falztechnik Bürger in Brilon.
Klempnerhandwerk bei jungen Menschen zu wenig bekannt
Schon während seiner Ausbildung wurde Marvin Bürger klar, dass das Klempnerhandwerk bei jungen Menschen zu wenig bekannt und häufig mit falschen Vorstellungen verknüpft ist. „Dass man als Klempner oder Klempnerin schöne Dächer und Fassaden mit Metall gestaltet und dabei einen sehr kreativen Beruf ausübt, wissen leider noch zu wenige junge Menschen“, sagt Bürger. Während seiner Schul- und Lehrzeit habe es kaum Vorbilder oder Berufsbotschafter gegeben, die gezeigt hätten, wie vielfältig das Arbeiten im Klempnerhandwerk sei. Gemeinsam mit seiner Freundin Fabienne Ellermeier, die Dachdeckermeisterin ist, entwickelte er daher die Idee, mit Aktionstagen an Schulen junge Menschen für das Dachdecker- und Klempnerhandwerk zu begeistern.
Marvin Bürger und Fabienne Ellermeier haben bei Aktionstagen an Schulen Einblicke in das Arbeiten im Dachdecker- und Klempnerhandwerk gegeben
Foto: Anna Schmidt / Prefa
Dabei haben Marvin Bürger und Fabienne Ellermeier bereits seit längerem einen guten Draht zur Firma Prefa, die Dach- und Fassadenelemente aus Aluminium herstellt. Im Rahmen eines Gesprächstermins am Stammsitz des Unternehmens in Wasungen mit Marcus Abts, Vertriebsleiter West bei Prefa, stellte sich heraus, dass es auch bei dem Hersteller die Idee zu einer Roadshow zur Nachwuchsgewinnung an Schulen gab. „Wir stellen in unseren Gesprächen mit Inhabern von Handwerksbetrieben häufig fest, dass es vielen Betrieben an Nachwuchskräften und Auszubildenden mangelt“, sagt Marcus Abts. „Daher entstand die Idee, bei Schülerinnen und Schülern frühzeitig das Interesse für eine Ausbildung im Handwerk zu wecken, um langfristig etwas gegen den Nachwuchsmangel zu tun. Marvin Bürger und Fabienne Ellermeier eigneten sich dabei aufgrund ihres Alters, ihrer Authentizität und ihres beruflichen Werdegangs gut als Botschafter für das Dachdecker- und Klemperhandwerk an Schulen.“
Organisatorische Unterstützung durch die Firma Prefa
Die Schülerinnen und Schüler durften selbst aktiv werden und kleine Vogelhäuschen aus Aluminiumblechen erstellen. Das Material dafür stellte die Firma Prefa bereit
Foto: Anna Schmidt / Prefa
Gemeinsam mit der Firma Prefa entwickelten Fabienne Ellermeier und Marvin Bürger ein Konzept für die Aktionstage an Schulen und gaben dem Projekt den Namen „Handwerk on Tour“. Die Firma Prefa stellte den Kontakt zu den Schulen her und vereinbarte Termine für die Aktionstage. Geplant wurde der Besuch von acht Schulen in Baden-Württemberg, Thüringen, Berlin, Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern in einem Zeitraum von drei Wochen. Die Firma Prefa stellte außerdem Aluminiumbleche zur Verfügung, mit denen die Schülerinnen und Schüler bei den Aktionstagen praktisch arbeiten konnten. Zudem erstellte das Unternehmen ein Online-Kontaktformular, über das die Schülerinnen und Schüler bei Interesse an einem Praktikum oder einem Ausbildungsplatz den Kontakt zu einem Dachdecker- oder Klempner-/Spengler-Betrieb in ihrer Nähe aufnehmen konnten.
Einblicke in den beruflichen Werdegang
Die Aktionstage waren in einen Theorie- und einen Praxisteil untergliedert. Zunächst gab Marvin Bürger den Schülerinnen und Schülern Einblicke in seinen beruflichen Werdegang und erklärte, wie die Ausbildung im Klempnerhandwerk abläuft. Außerdem erklärte er, welche Arbeiten Klempnerinnen und Klempner ausführen: von der Planung und Montage von Metallbedachungen und -fassaden sowie Dachentwässerungs- und Schneefangsystemen über individuelle Metallanfertigungen bis hin zur Kunstspenglerei. Dabei betonte er, dass das Arbeiten im Klempner- oder Spenglerhandwerk im Vergleich zu anderen Berufen auf der Baustelle körperlich weniger anstrengend sei – bei der Arbeit mit leichten Blechen aus Aluminium, Zink oder Kupfer seien eher Geschicklichkeit und Feingefühl gefragt.
Im Theorieteil der Aktionstage stellten die beiden ihren beruflichen Werdegang vor und beantworteten Fragen zur Ausbildung im Dachdecker- und Klempnerhandwerk
Foto: Anna Schmidt / Prefa
Dachdeckermeisterin Fabienne Ellermeier stellte während der Aktionstage an Schulen nicht nur den Dachdeckerberuf vor, sondern auch ein Thema, das ihr besonders am Herzen liegt: die Förderung von jungen Frauen in handwerklichen Berufen. Zunächst stellte sie aber ihren persönlichen Werdegang vor: von der Ausbildung zur Dachdeckerin bei der Dachdeckerei Gläßner in Bad Salzuflen bis hin zur Weiterbildung zur Dachdeckermeisterin, die sie mit nur 21 Jahren abgeschlossen hat und damit als jüngste Dachdeckermeisterin Deutschlands gilt. Im Dachdeckermeisterkurs in Eslohe lernte sie ihren späteren Freund Marvin Bürger kennen, mit dem sie bis heute zusammen ist. Heute arbeitet Fabienne Ellermeier im Betrieb ihres Vaters, der Firma Ellermeier Bedachungen in Kalletal (Kreis Lippe).
Fabienne Ellermeier unterstützt einen Schüler bei der Montage seines Vogelhäuschens aus Aluminiumblechen
Foto: Anna Schmidt / Prefa
„Während meiner Ausbildung zur Dachdeckerin habe ich mit vielen Klischees und Vorurteilen kämpfen müssen, der Ton auf den Baustellen war häufig rau und manchmal waren die Sprüche von anderen Handwerkern einschüchternd“, sagt Fabienne Ellermeier. „Diese Erfahrungen haben mich geprägt, aber meine Persönlichkeit hat sich seitdem auch weiterentwickelt und ich habe inzwischen ein stärkeres Selbstvertrauen entwickelt, um mit solchen Sprüchen umgehen zu können.“ Bei den Aktionstagen an Schulen war es Fabienne Ellermeier besonders wichtig, Schülerinnen zu zeigen, dass sie trotz aller Klischees und Vorurteile keine Scheu vor einer Ausbildung im Handwerk haben sollten. „Ich wollte den Schülerinnen zeigen, dass sie in handwerklichen Berufen erfolgreich sein können, und dass eine Ausbildung im Handwerk für sie eine interessante berufliche Perspektive sein kann“, erklärt Fabienne Ellermeier.
Im Anschluss an den Theorieteil konnten die Schülerinnen und Schüler selbst aktiv werden und unter der Anleitung von Marvin Bürger und Fabienne Ellermeier Aluminiumbleche falzen, schneiden und kanten sowie kleine Vogelhäuschen und Spengler-Pfeifen aus Aluminiumblechen erstellen. „Dabei zeigte sich, dass vor allem die Schülerinnen sehr konzentriert und sauber gearbeitet haben und häufig als erste mit ihren Modellen fertig waren“, stellte Marvin Bürger fest.
Großes Interesse an Praktika oder Ausbildungsstellen
Im Praxisteil der Aktionstage durften die Schüler unter fachkundiger Anleitung von Fabienne Ellermeier und Marvin Bürger mit Spengler-Werkzeugen und Aluminiumblechen arbeiten
Foto: Anna Schmidt / Prefa
Nach den Aktionstagen zeigten viele Schülerinnen und Schüler Interesse an einem Praktikum in einem Dachdecker- oder Klempnerbetrieb. Um in solchen Fällen passende Betriebe vermitteln zu können, hatte der Außendienst der Firma Prefa vorab Spengler- und Dachdeckerbetriebe in den Regionen ermittelt, in denen die Aktionstage stattfanden. Über ein spezielles Kontaktformular auf der Prefa-Website konnten die Schülerinnen und Schüler bei Interesse an einem Praktikum ihre Kontaktdaten eingeben und erhielten dann Vorschläge für passende Handwerksbetriebe in ihrer Region. Fabienne Ellermeier und Marvin Bürger stellten bei Interesse an einem Praktikum oder einer Ausbildung, sofern möglich, ebenfalls den Kontakt zu Dachdecker- oder Spengler-Betrieben her.
Aktionstage an Schulen sollen fortgesetzt werden
Im Rahmen des Projekts „Handwerk on Tour“ besuchten Fabienne Ellermeier und Marvin Bürger im Januar und Februar 2025 acht Schulen in verschiedenen Regionen Deutschlands. „Insgesamt kam die Aktion sehr gut an, sowohl bei den Schülerinnen und Schülern, als auch bei den Lehrkräften, die es gut fanden, dass wir praxisnahe Einblicke ins Handwerk gegeben haben“, sagt Marvin Bürger. „Es war eine tolle Erfahrung, junge Menschen für das Handwerk zu begeistern, und ich habe mich sehr gefreut, dass wir das Projekt gemeinsam durchführen konnten“, sagt Fabienne Ellermeier abschließend.
Für das Projekt „Handwerk on Tour“ wurden Fabienne Ellermeier und Marvin Bürger dieses Jahr mit dem Deutschen Dachpreis „Dachkrone“ in der Sonderkategorie ausgezeichnet
Foto: Jonar / Bauverlag
Für die Idee und die erfolgreiche Umsetzung des Projekts wurden Fabienne Ellermeier und Marvin Bürger im Mai 2025 mit der „Dachkrone“ in der Sonderkategorie mit dem 1. Platz ausgezeichnet. Schon jetzt steht fest: Das Projekt „Handwerk on Tour“ soll Ende dieses Jahres an weiteren Schulen fortgesetzt werden.
Stephan Thomas ist Chefredakteur des Magazins dach+holzbau.