Entwässerung von Flachdächern

Einer Dachkonstruktion kommen gleich mehrere Funktionen zu. Sie soll in erster Linie das darunter liegende Gebäude vor der Witterung schützen. Zugleich dient sie auch zur schnellen Ableitung von Niederschlägen. Bei der Entwässerung von Flachdächern sind dabei einige Punkte zu beachten.

Wegen hoher Temperaturen und lang anhaltender Trockenheit im Sommer 2018 könnte man das Thema Entwässerung von Flachdächern aus den Augen verlieren. Allerdings sollte man sich die klimatischen Zusammenhänge verdeutlichen und gerade jetzt intensiv mit der Entwässerung von Dachflächen auseinandersetzen. Denn inzwischen sind die meisten Wissenschaftler der Auffassung, dass die Welt mitten im menschengemachten Klimawandel ist. Zu klar sind die kausalen Zusammenhänge zwischen CO2-Gehalt der Atmosphäre und Temperaturanstieg. Damit zeigt sich über die letzten Jahrzehnte und Jahre eine eindeutige Tendenz zur Erderwärmung und damit verbunden auch zu einer Änderung von Wetter und Wetterereignissen. Das wird insbesondere an den sich auch in Deutschland häufenden Starkregenereignissen sichtbar. Die sind meist lokal begrenzt, mit Regenereignissen, die sehr deutlich über den jeweiligen statistischen Mittelwerten liegen und oft in Verbindung mit Hagel auftreten. Dadurch kann die Entwässerungssituation weiter verschärft werden, wenn der Hagel zusätzlich die Abflüsse blockiert und verstopft.

Schadensfälle in der Planung vermeiden

Insbesondere bei Flachdächern wird die Entwässerung durch die DIN EN 12056-3 „Schwerkraftentwässerungsanlagen innerhalb von Gebäuden“ und der DIN 1986–100 „Entwässerungsanlagen für Gebäude und Grundstücke“ geregelt. Bei der Auswahl der Entwässerung sind zusätzliche Niederschlagsmengen von angrenzenden Fassadenflächen sowie in Ausnahmefällen von höherliegenden Dachflächen zu berücksichtigen. Die Abläufe einer Innenentwässerung sind an den tiefsten Stellen der zu entwässernden Teilflächen vorzusehen. Die Höhenlage der Notabläufe beziehungsweise Notüberläufe ist nach DIN EN 12056-3 bzw. 1986-100 festzulegen. Dafür sind bei der Planung die am Bauwerk zu erwartenden Verformungen und Durchbiegungen zu berücksichtigen.

Bei der Planung und Berechnung von Entwässerungsanlagen für Flachdächer ist zunächst zu unterscheiden, ob die Dachfläche mit oder ohne einen ablaufverzögernden Belag ausgeführt wird. Die anfallenden Wassermassen werden zum Beispiel mit einer aufgebrachten Dachbegrünung oder einer Kiesschüttung verzögert abgeleitet. Das wird bei der Berechnung der Entwässerungsanlage in Form eines sogenannten Abminderungsfaktors berücksichtigt.

Eine Entwässerungsanlage ist grundsätzlich so zu planen, dass weder Überlastungen noch unplanmäßige Überflutungen auftreten können. Eine Überlastung tritt dann ein, wenn die Menge an abfließendem Regenwasser das System überfordert, es deshalb nicht ausreichend schnell abfließen kann.

Von Überflutung spricht man, wenn das Regenwasser aufgrund von Rückstau, zum Beispiel durch Überlastung, gar nicht mehr in erforderlicher Menge abfließen kann. In diesem Fall staut das Wasser auf der Abdichtungsebene unzulässig hoch an und kann unter Umständen zur Überbeanspruchung der Gebäudestatik führen. Daraus resultiert, dass das Entwässerungssystem so dimensioniert werden muss, dass weder Überlastung noch Überflutung auftreten.

Zwei Regenereignisse als Berechnungsgrundlage

Grundlage für die Dimensionierung von Entwässerungsanlagen ist die Menge des anfallenden Niederschlags bezogen auf die wirksame, das heißt die auf den Grundriss projizierte Dachfläche am jeweiligen Standort des Gebäudes. Angegeben wird dieser dann als Regenwasserabfluss auftretende Wert in Liter pro Sekunde. Zur Ermittlung dieses Wertes ist ein mittleres Regenereignis heranzuziehen. Dieses setzt sich aus den Faktoren Regendauer und Jährlichkeit, also der Wiederkehrwahrscheinlichkeit des Regenereignisses, zusammen. Ein mittleres Regenereignis hat nach DIN 1986-100 eine Dauer von 5 Minuten und eine Jährlichkeit von einmal in fünf Jahren r5,5. Angegeben wird dieser Bemessungsregen in Liter je Sekunde und Hektar (l/(s∙ha)). Ein zweiter Wert, der ebenfalls für die Berechnung der Dimensionierung Relevanz hat, ist der sogenannte Jahrhundertregen. Dieses Regenereignis tritt einmal in 100 Jahren auf und hat ebenfalls eine Dauer von 5 Minuten (r5,100).

Bei beiden Angaben handelt es sich um statistische Werte. Diese standortbezogen Daten können bei den örtlichen Behörden oder ersatzweise beim Deutschen Wetterdienst erfragt werden. Außerdem werden in der DIN 1986-100 im Anhang A, Tabelle A.1 auszugsweise Werte für größere Städte aufgeführt.

Notab- oder -überläufe müssen bei Flachdächern in Leichtbauweise und bei nicht vorhandenen vorgehängten Rinnen vorgesehen werden. Einzig bei Dächern in Massivbauweise mit planmäßiger Überflutung/Regenrückhaltung können die Notüberläufe entfallen. Die dann aber zu erwartende Überflutungshöhe ist rechnerisch zu ermitteln und mit dem Tragwerksplaner abzustimmen.

Im Hinblick auf den Jahrhundertregen muss bei einer Dachfläche mit innenliegender Entwässerung mindestens ein Notüberlauf mit freiem Abfluss über die Fassade angeordnet werden. Ist dies durch angrenzende Gebäude oder andere konstruktive Gegebenheiten nicht möglich, dann ist die Notüberlauffunktion mit einem zusätzlichen Leitungssystem mit freiem Auslauf auf das Grundstück sicherzustellen.

Einfluss auf die Planung

Bei der Berechnung der erforderlichen Anzahl an Dachabläufen sollte die jeweils auf den Ablauf bezogene Stauhöhe angesetzt werden. Bei einem Ablauf mit DIN 100 beträgt diese zum Beispiel 35 mm. Damit wird die Höhe angegeben, die das Regenwasser bei einem mittleren Regenereignis über dem Ablaufflansch steht. Üblicherweise teilt man die Gesamtmenge an anfallendem Wasser durch die Abflussleistung der einzusetzenden Abläufe und ermittelt so die notwendige Anzahl. Kommt bei dieser Division als Ergebnis zum Beispiel 14,1 heraus, muss entweder auf 15 Stück aufgerundet oder die Stauhöhe soweit erhöht werden (zum Beispiel auf 37 mm), dass 14 Abläufe ausreichend sind. Diese Erhöhung führt jedoch bei der Notentwässerung zu einer entsprechenden Reduktion der Stauhöhe am Notab- beziehungsweise Notüberlauf. Des Weiteren schreibt die Norm eine Halbierung der Stauhöhe vor, wenn die Notab-/überläufe weiter als 20 m auseinander angeordnet sind, zum Beispiel bei einer Kehllänge von > 20 m mit stirnseitig angeordneten Notüberläufen.

Komplexer wird die Aufgabenstellung bei einer Dachinstandsetzung. Denn hier muss auch die Dachentwässerung dem Stand der Technik angepasst werden und der aktuelle standortbezogene Bemessungsregen berücksichtigt werden. Sollte der standortbezogene Wert höher liegen als die alte Bemessungsgrundlage, ist das Entwässerungssystem entsprechend anzupassen. Nur in den seltensten Fällen sind ausreichend dimensionierte Notüberläufe für die Ableitung des Jahrhundertregens vorzufinden. Ihre nachträgliche Anordnung ist vielfach mit größerem Aufwand verbunden. Zudem gilt, dass für jeden in sich abgeschlossenen Dachbereich, zum Beispiel bei einem Sheddach je Ablaufrinne, mindestens ein Notüberlauf anzuordnen ist.

Inspektion und Wartung

Für die Funktionsfähigkeit der Entwässerung kommt der regelmäßigen Überprüfung der Dachflächen eine große Bedeutung zu. So muss nach DIN 18531 bzw. DIN 1986-3 die Inspektion der Entwässerungseinrichtungen auf ordnungsgemäßen Zustand und Sauberkeit mindestens zweimal jährlich erfolgen. Eine Wartung der Dachflächen umfasst zum Beispiel die Reinigung von Dachabläufen und Dachrinnen. Sie sollte mindestens einmal pro Jahr im zeitlichen Zusammenhang mit einer Inspektion (vorzugsweise im Herbst) erfolgen.

Oft hilft schon eine Reinigung

Aufgrund der Zunahme von Starkregenereignissen, die sich mittelfristig auch in den statistischen Bemessungswerten wiederspiegeln werden, sollte ein besonders kritisches Augenmerk auf die Entwässerung gelegt werden. Dabei ist zu beachten, dass jede noch so vorausschauende, gut geplante und ausgeführte Entwässerung nur funktionieren kann, wenn sie regelmäßig inspiziert und gewartet wird. Oft kann schon durch eine einfache Reinigung die volle planmäßige Entwässerungsleistung wieder hergestellt werden.

Autor

Dipl. Ing. Adrian Dobrat ist Geschäftsführer des Industrieverbands der Produzenten für Kunststoff-Dach- und Dichtungsbahnen DUD e.V. in Darmstadt.

Unterstützung bei der Entwässerungs-

berechnung

Seit 1978 arbeiten die führenden Hersteller von Kunststoffdachbahnen für Dach- und Bauwerksabdichtungen im Industrieverband der Produzenten von Kunststoff-Dach- und Dichtungsbahnen DUD e. V. zusammen. Sie bieten unter anderem Unterstützung bei der Berechnung von Entwässerungsanlagen an. Hier empfiehlt es sich, über Suchmaschinen oder auf den Websites der jeweiligen Hersteller mit dem Begriff „Entwässerungsberechnung“ zu suchen.

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