Chancen und Hemmnisse für den Holzbau

Wie die Landesbauordnungen der Bundesländer mehrgeschossigen Holzbau ermöglichen

Feuerbeständige und hochfeuerhemmende Bauteile aus Holz sind aktuell nur in sechs von 16 deutschen Bundesländern in allen Gebäudeklassen zulässig. Die Landesbauordnungen unterscheiden sich deutlich, was das Bauen mit Holz angeht. Wir geben einen Überblick und zeigen, wo die Unterschiede liegen.

Der Energiebedarf von Gebäuden in Deutschland muss deutlich gesenkt werden. Eine Erhöhung des Anteils der Holzbauweise würde eine erhebliche CO2-Einsparung nach sich ziehen. Gleichzeitig ist der Holzbau gerade für Gebäude mit vier oder mehr Geschossen in Innenstädten beliebt. Dort finden sich Gemeinschaften von ökologisch orientierten Menschen, die an Nachhaltigkeit und Ressourcenschutz interessiert sind.

Die Tatsache, dass Holz brennt, kann allerdings zu spektakulären Brandereignissen führen. Holzkonstruktionen können sich aber im Brandfall durchaus ebenbürtig zu anderen Bauweisen erweisen. Eine kompetente Planung und vor allem ein an den Baustoff Holz angepasster Umgang mit dem erforderlichen Brandschutz machen Holzkonstruktionen auch für mehrgeschossige Gebäude der Gebäudeklassen (GK) 4 und 5 (über 7 Meter Höhe des obersten Fußbodens) sicher. Trotzdem finden sich in den meisten Bauordnungen der deutschen Bundesländer Regelungen, die die Verwendung von Holz für feuerbeständige Bauteile ausschließen und sie für hochfeuerhemmende Bauteile stark einschränken. Letztere sind zulässig, sie müssen jedoch gemäß Holzbaurichtlinie1 gekapselt (K260), das heißt mit Gipskarton- oder Faserzementplatten bekleidet, werden. Dadurch ist der Baustoff Holz nicht mehr sichtbar.

Der Holzbau in den Landesbauordnungen

Bereits 2015 hat Baden-Württemberg erkannt, dass durch eine Änderung in der Landesbauordnung (LBO BW)2 der Holzbau als Garant für Klimaschutz und Nachhaltigkeit massiv gefördert werden kann. Nach Berlin, Hamburg, Hessen (alle 2018) und Nordrhein-Westfalen (2019) ist im Mai 2019 mit Bremen das sechste Bundesland aus der breiten Phalanx der „Holzbaubehinderer“ ausgebrochen und hat eine Tür für ökologisches und nachhaltiges Bauen aufgestoßen. Dazu kommt: Die brandenburgische Landesregierung aus SPD, CDU und Grünen will laut Koalitionsvertrag vom Oktober 2019 eine Holzbauoffensive starten, „um die regionale Wertschöpfung zu steigern und Kohlendioxid zu binden“, wie es im Koalitionsvertrag heißt. Dazu soll die brandenburgische Bauordnung überarbeitet werden. In den sechs LBO in Bremen, Hamburg, NRW, Berlin, Hessen und Baden-Württemberg wird

zugelassen, dass tragende, aussteifende oder raumabschließende Bauteile (Decken, Trennwände oder Stützen), die als hochfeuerhemmende oder feuerbeständige Bauteile ausgeführt werden müssen, auch aus brennbaren Baustoffen wie Holz ohne nichtbrennbare Bekleidung bestehen dürfen. Die sechs Bundesländer sind sich in ihren Landesbauordnungen jedoch keineswegs einig. Während die aktuellen Formulierungen in der LBO BW und der Bauordnung Berlin (BauO Bln)3 kurz und präzise gefasst sind, stellt etwa die Bauordnung Nordrhein-Westfalen (BauO NRW)4 eine zusätzliche Anforderung an brandschutzrelevante Bauteile aus brennbaren Baustoffen: Sie müssen „so hergestellt und eingebaut werden, dass Feuer und Rauch nicht über Grenzen von Brand- oder Rauchabschnitten, insbesondere Geschosstrennungen, hinweg übertragen werden können“.

Diese Anforderung muss grundsätzlich von allen feuerwiderstandsfähigen Bauteilen – auch von denen aus nichtbrennbaren Baustoffen – erfüllt werden. Die Angst vor der Brandgefahr durch Bauteile aus Holz ist aber anscheinend so groß, dass dieses substanzielle Gebot nochmals festgehalten werden musste.

Holzrahmenbau wird ausgeschlossen

Noch weniger Vertrauen bringen die Hansestädte Hamburg und Bremen dem Holzbau entgegen. Die Hamburgische Bauordnung (HBauO)5 ebenso wie die Bremische Landesbauordnung (BremLBO)6 sind ausschließlich auf die massive Holzbauweise für den mehrgeschossigen Holzbau fokussiert. Dadurch werden andere Bauweisen aus Holz, etwa Holzrahmen- oder Holzskelettbauweisen, bauordnungsrechtlich von der gewünschten Neuerung ausgeschlossen. Dabei sind solche Holzbauweisen vor ­allem in den weniger „holzlastigen“ norddeutschen Bundesländern anzutreffen, wo sie vielfach bei Einfamilienhäusern und anderen niedrigen Gebäuden eingesetzt werden. Die Erfahrung zeigt, dass diese Bauweisen bei sorgfältiger Planung und Ausführung, die vor allem gefährliche Hohlräume in den Holzbauteilen und ihren Anschlüssen vermeiden muss, brandschutztechnisch der Massivbauweise in nichts nachstehen.

Holzbaurichtlinie soll aus Dilemma helfen

Die Weiterentwicklung bauordnungsrechtlicher Regelungen zum Holzbau in der GK4 und 5 macht auch eine Neufassung der bisherigen M-HFHHolzR7 von 2004, besser bekannt als „Holzbaurichtlinie“, notwendig. Sie gilt bisher lediglich für Holzbauweisen, wie Holztafel-, Holzrahmen- oder Fachwerkbau und nicht für die in den Bauordnungen Hamburg und Bremen geforderten Massivholzbauweisen, wie Brettstapel- und Blockbau (ausgenommen Brettstapeldecken). Aus diesem Dilemma soll nun eine neue „M-HolzBauRL“8 helfen. Diese übernimmt die „Anforderungen an Gebäude der Gebäudeklasse 4 mit feuerwiderstandsfähigen Bauteilen in Holzrahmen- und Holztafelbauweise“ (Abschnitt 4) von der Vorgängerrichtlinie und ergänzt sie um die „Anforderungen an Standardgebäude der Gebäudeklasse 4 und 5 mit feuerwiderstandsfähigen Bauteilen in Massivholzbauweise“ (Abschnitt 5). Daneben befinden sich darin „Anforderungen an Außenwandbekleidungen aus Holz und Holzwerkstoffen bei Gebäuden der Gebäudeklasse 4 und 5“ (Abschnitt 6) sowie zu „Installationen“ (Abschnitt 7) und zur „Überwachung der Bauausführung“ (Abschnitt 8).

Da weder Stahlbeton-, noch Stahl- oder Mauerwerksbau einer eigenen Richtlinie bedürfen, stellt sich grundsätzlich die Frage, warum ausgerechnet für den Holzbau eine ausführliche, zwanzigseitige Richtlinie erforderlich ist. Ist der Holzbau so „brandgefährlich“, dass es nicht ausreicht, wenn sich Architekten, Ingenieure und Hersteller – ebenso wie bei den anderen oben zitierten Bauweisen – bei der Planung und Bemessung von Holzbauten an den umfangreichen diesbezüglichen „allgemein anerkannten Regeln der Baukunst“, wie EN, DIN, VDI usw., orientieren? Von vielen Verbänden, Forschungseinrichtungen und anderen Beteiligten aus dem Kreis des Bauens oder des Brandschutzes wurde deshalb zu einer grundsätzlichen Überarbeitung oder zum völligen Verzicht auf eine Holzbaurichtlinie geraten.

Durch die bereits durchgeführten und vorgesehenen Änderungen in bestimmten Bundesländern, die den Holzbau baurechtlich fördern sollen, ist eine Tür aufgestoßen worden. Wer sie durchschreitet und mit Holz in den GK 4 oder 5 bauen will, hat jedoch immer noch einen einsamen und dornigen Weg vor sich, bis er trotz aller Hemmnisse und Schwierigkeiten zum Ziel gelangt.

Autor

Dipl.-Ing. Reinhard Eberl-Pacan ist Architekt, Planer und Sachverständiger sowie freier Redakteur und Referent für den vorbeugenden Brandschutz.

Fußnoten und Quellen

1) Muster-Richtlinie über brandschutztechnische Anforderungen an hochfeuerhemmende Bauteile in Holzbauweise – M-HFHHolzR (Fassung Juli 2004)

2) Landesbauordnung für Baden-Württemberg (LBO) vom 5. März 2010, zuletzt geändert am 18. Juli 2019 (GBl. S. 313)

3) Bauordnung für Berlin (BauOBln) vom 29. September 2005, zuletzt geändert am 09.04.2018 (GVBl. S. 205, 381)

4) Bauordnung für das Land Nordrhein-Westfalen (Landesbauordnung 2018 – BauO NRW 2018) vom 21. Juli 2018; Stand: 01.09.2019

5) Hamburgische Bauordnung (HBauO) vom 14. Dezember 2005; zuletzt geändert am 26. November 2018 (HmbGVBl. S. 371)

6) Bremische Landesbauordnung vom 4. September 2018; zuletzt geändert am 14. Mai 2019

7) Muster-Richtlinie über brandschutztechnische Anforderungen an hochfeuerhemmende Bauteile in Holzbauweise – M-HFHHolzR (Fassung Juli 2004)

8) Entwurf: Muster-Richtlinie über brandschutztechnische Anforderungen an Bauteile in Holzbauweise für Gebäude der Gebäudeklassen 4 und 5 – M-HolzBauRL (Stand: 23.05.19)

Änderung der MBO zum Bauen mit Holz

Nach den Änderungen in verschiedenen Landesbauordnungen hat die Bauministerkonferenz (BMK) Änderungen in MBO § 26 und§ 28 beschlossen:

In § 26 (2) „Allgemeine Anforderungen an das Brandverhalten von Baustoffen und Bauteilen“, werden die Sätze 4 und 5 eingefügt: „4Abweichend von Abs. 2 Satz 3 sind andere Bauteile, die feuerbeständig oder hochfeuerhemmend sein müssen, aus brennbaren Baustoffen zulässig, sofern sie den Technischen Baubestimmungen nach § 85a entsprechen. Satz 4 gilt nicht für Wände nach § 30 Abs. 3, Satz 7 und Wände nach§ 35 Abs. 4 Satz 7 Nr. 7.“

In § 28 (5) „Außenwände“ wird der Satz 2 eingefügt: „²Abweichend von Absatz 3 sind hinterlüftete Außenwandbekleidungen, die den Technischen Baubestimmungen nach § 85a entsprechen, mit Ausnahme der Dämmstoffe, aus normalentflammbaren Baustoffen zulässig.“ Dadurch wird in diesen Gebäudeklassen der Einsatz von Fassaden aus Holz oder Holzwerkstoffen (die üblicherweise normalentflammbar sind) erleichtert.

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