Bürgertreffpunkt mit Multifunktionsdach

Auf dem neuen Gebäude der Bibliothek und der Bürgerdienste der Stadt Jena wurde ein multifunktionales Gründach erstellt. Neben der Begrünung weist es Photovoltaikanlagen und kleine Terrassenbereiche auf und kann mithilfe diverser Absturzsicherungssysteme gewartet werden.

Der neue Treffpunkt am zentralen Engelplatz in Jena erfreut sich großer Beliebtheit – bei den Lesebegeisterten der Ernst-Abbe-Bücherei und auch bei all jenen, die mit Familien- und Bürgerangelegenheiten in das neue Bürgerzentrum kommen. Das Gebäude ist auf die Bedürfnisse der Menschen zugeschnitten, sowohl in seiner inhaltlichen Ausrichtung als auch in seiner Form.

Die 2400 m² umfassenden Dachflächen des Neubaus bieten ebenfalls mehrfachen Nutzen: als artenreich gestaltete Gründächer mit kleinen Terrassenbereichen und als Flächen zur solaren Energiegewinnung. Die Kombination aus Solaranlage und Gründach inklusive Bewässerung und Absturzsicherung wird durch den Zinco-Systemaufbau „Solar Vert“ ermöglicht.

Das neue Gebäude der Bibliothek und der Bürgerdienste der Stadt Jena fügt sich passgenau zwischen den Bestandsbauten ein
Foto: Kommunale Immobilien Jena

Das neue Gebäude der Bibliothek und der Bürgerdienste der Stadt Jena fügt sich passgenau zwischen den Bestandsbauten ein
Foto: Kommunale Immobilien Jena
Der Neubau für die Bibliothek und Bürgerdienste der Stadt Jena prägt das Stadtbild. Ziel des Neubaus war laut Jenas Oberbürgermeister Dr. Thomas Nitzsche, einen lebendigen Ort für die Bevölkerung zu schaffen. Mehr als 400 000 Menschen jährlich nutzen das Gebäude und sorgen für eine Belebung, die auch auf umliegende Cafés und Einzelhandelsgeschäfte ausstrahlt. Der Neubau entstand mit finanzieller Unterstützung aus Fördermitteln des Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung (EFRE) und umfasst eine Nutzfläche von 3800 m² für die Bibliothek sowie weiteren 2000 m² für die Verwaltungsdienstleistungen des Bürgerservice. Den Architekten der pbr Planungsbüro Rohling AG (Büro Jena) gelang es, den Neubau in die ­begrenzten Freiflächen zwischen Karmelitenkloster, Theaterplatz und Wohngebäuden einzufügen. Sie passten die Form des Gebäudes an die unregelmäßige Geometrie der bestehenden Bebauung an. Die unterschiedlichen Geschoss- und Gebäudehöhen sowie die Fassaden mit Vertikallamellen in einem hellem Muschelkalkton lockern die Optik des zwei- bis vierstöckigen Gebäudes auf.

Basis für verschiedene Dachaufbauten

Der Dachdeckerbetrieb von Jochen Kürbs aus Apolda führte nicht nur die Abdichtungsarbeiten auf dem um zwei Prozent geneigten Stahlbetondach aus, sondern auch die kompletten Dachbegrünungsarbeiten einschließlich der Solaraufständerungen.

Auf der Grundlage einer wurzelfesten bituminösen Abdichtung startete der Zinco-Systemaufbau mit der Schutz- und Speichermatte „SSM 45“. Als durchgängige Basis auf allen Gebäudeflächen folgte das Drän- und Wasserspeicherelement „Floradrain FD 25“. Dieses speichert Regenwasser in seinen oberseitigen Mulden und führt überschussiges Wasser über die Unterseite den Dachabläufen zu. Dieser Aufbau bildete die Basis für Grün- und Belagsflächen sowie die Verlegung der Solar- und Geländerbasisplatten für die durchdringungsfreie Verankerung der Photovoltaikanlagen und sämtlicher Absturzsicherungsmaßnahmen auf den Dachflächen.

Von den 2400 m² Gesamtdachfläche sind rund 1800 m² begrünt und in Teilen mit Solarflächen kombiniert. 600 m² Dachflächen sind als Gehbelags- und Terrassenflächen gestaltet, die teils nur für Mitarbeitende, teils für die Öffentlichkeit zugänglich sind.

Bewässerung für blühendes Pflanzenbild im Sommer

Für die Begrünung der Dachflächen stehen Flachballenpflanzen der Pflanzengemeinschaften „Steinrosenflur“ und „Bienenweide“ bereit
Foto: Zinco

Für die Begrünung der Dachflächen stehen Flachballenpflanzen der Pflanzengemeinschaften „Steinrosenflur“ und „Bienenweide“ bereit
Foto: Zinco
Die Dachbegrünungen auf dem Dach des Neubaus sind sowohl von den Innenräumen als auch von den umliegenden Gebäuden einsehbar, weshalb ein artenreiches und blühendes Erscheinungsbild wünschenswert war. Dafür eignete sich die Pflanzengemeinschaft „Steinrosenflur“ mit rund ein Dutzend verschiedener Sedum- und Staudenarten sowie ergänzend die Pflanzengemeinschaft „Bienenweide“ mit einer Mischung aus 35 nektarreichen und zeitversetzt blühenden Futterpflanzen für Bienen und andere Insekten. Die Dachpflanzen sind sehr gut trockenverträglich, allerdings führt eine gesteigerte Austrocknung durch sehr lang ausbleibende Niederschläge und hohe Temperaturen dazu, dass sie trockenfallen und mit der dafür typischen Braun- und Rotfärbung reagieren. Damit die Pflanzen auch im Sommer grün aussehen und blühen, wurde eine Unterflurbewässerung installiert.

Sparsam und effizient

Das „Aquafleece AF 300“ sorgt mit seinen Tropfschläuchen für eine effiziente Unterflurbewässerung, da das Wasser direkt im Wurzelraum zur Verfügung steht
Foto: Zinco

Das „Aquafleece AF 300“ sorgt mit seinen Tropfschläuchen für eine effiziente Unterflurbewässerung, da das Wasser direkt im Wurzelraum zur Verfügung steht
Foto: Zinco
Für die Unterflurbewässerung folgte auf die vollflächige Dränschicht das spezielle „Auqafleece AF 300“, auf welchem Tropfschläuche in Abständen von etwa 50 cm verlegt wurden. Das zweischichtige „Aquafleece“ ist aufgrund seines unterseitigen Gewebes in der Lage, Wasser zuerst in der Fläche zu verteilen und nur durchtropfen zu lassen, wenn das oberseitige, hochkapillarwirksame Vlies vollflächig wassergesättigt ist. Diese Art der Unterflurbewässerung zeichnet sich durch einen deutlich geringeren Wasserverbrauch im Vergleich zu einer herkömmlichen Zusatzbewässerung aus, da das Wasser direkt im Wurzelraum ohne Verdunstungsverluste zur Verfügung steht. Zur Speisung des Bewässerungssystems wird Regenwasser in einer 25 000 Liter fassenden Zisterne gesammelt, die sich im Bereich eines Innenhofes befindet. Im Systemaufbau folgte dann die Systemerde „Steinrosenflur“ in einer Schütthöhe von 6 bis 10 cm sowie die Ausbringung der Pflanzenvielfalt in Form von Flachballenpflanzen und teilweise in Sprossenaussaat.

Integration der Solaranlagen in den Dachaufbau

Da es sich um einen Neubau handelt, konnte die Statik vorab auf alle Nutzungswünsche ausgelegt werden. Zum Begrünungssystem mit berechnetem Gewicht im wassergesättigten Zustand kommen hier die Eigenlasten der Photovoltaikmodule sowie etwaige Schneelasten.

Die Solarbasisplattten wurden auf der abgedeckten Dränschicht positioniert und mit den Solargrundrahmen bestückt
Foto: Zinco

Die Solarbasisplattten wurden auf der abgedeckten Dränschicht positioniert und mit den Solargrundrahmen bestückt
Foto: Zinco
Auf den Dachflächen über dem 3. und 4. ­Obergeschoss ist die Extensivbegrünung mit Solaranlagen kombiniert. Auf der abgedeckten Dränschicht positionierten die Dachdecker Reihe für Reihe die Solarbasisplatten „SB 200“, die insgesamt 86 Photovoltaikmodule aufnehmen. Die Solarbasisplatten mit Maßen von 1 x 2 m verfügen über unterseitige Konter- und Aussteifungsprofile und ermöglichen damit die Verschraubung der Solargrundrahmen „SGR 25“. Diese Rahmen haben einen Neigungswinkel von 25° und sind in den Randbereichen untereinander mit sogenannten Windverbänden stabilisiert. Es folgten 6 bis 10 cm Systemerde „Steinrosenflur“, wobei für die Berechnung der erforderlichen Substratauflast das Gewicht im Trockenzustand maßgebend ist. Diese auflastgehaltene Bauweise dient der Druckverteilung und vermeidet Dachdurchdringungen.

Die Solargrundrahmen „SGR 25“ haben einen Neigungswinkel von 25° und sind in den Randbereichen mit Windverbänden stabilisiert
Foto: Zinco

Die Solargrundrahmen „SGR 25“ haben einen Neigungswinkel von 25° und sind in den Randbereichen mit Windverbänden stabilisiert
Foto: Zinco
Da die Bepflanzung für eine vergleichsweise geringe Umgebungstemperatur sorgt, steigert diese den Leistungsgrad der Photovoltaikanlagen. So werden auf den Dächern der Bibliothek und der Bürgerdienste der Stadt Jena rund 30 kWp Strom erzeugt und für den Eigenbedarf genutzt.

Dachterrassen und Absturzsicherung

Auf den Dächern wurden Wartungs- und Fluchtwege erstellt. Hier, wie auch unter den Terrassenbelagsflächen, sind die „Floradrain“-Elemente mit den Diffusionsöffnungen nach unten verlegt, damit in den Mulden kein Wasser stehen bleibt. Verfüllt wurden die Elemente mit 3 bis 5 cm Verlegesplitt, anschließend verlegte man Betonplatten. Auf den verschiedenen, dauerhaft nutzbaren Teildachflächen der Bibliothek und der Bürgerdienste Jena wurden insgesamt knapp 100 lfm Geländer installiert. Die Geländer sind auf den sogenannten „Geländerbasisplatten GB“ verschraubt, welche wie die Solarbasisplatten 1 x 2 m groß sind und von der Substratauflast im Begrünungsaufbau lagesicher gehalten werden.

An dem umlaufenden Schienensystem „Fallnet SR Rail“ kann sich eine Einzelperson an einem beweglichen Anschlagpunkt einhängen und damit im Dachrandbereich Wartungsarbeiten ausführen
Foto: pbr

An dem umlaufenden Schienensystem „Fallnet SR Rail“ kann sich eine Einzelperson an einem beweglichen Anschlagpunkt einhängen und damit im Dachrandbereich Wartungsarbeiten ausführen
Foto: pbr
Für Wartungsarbeiten auf den Dächern wurden auf der Dachebene über dem 3. OG knapp 80 lfm Arbeitsschutzgeländer „Fallnet ASG“ installiert, da sich dieses Pfostensystem flexibel an die unregelmäßige Dachgeometrie anpassen ließ. In anderen Bereichen des Daches wurden insgesamt 185 lfm „Fallnet SR Rail“ installiert. Dabei kann sich eine Einzelperson mit ihrer persönlichen Schutzausrüstung an einem beweglichen Anschlagpunkt des „Rail“-Systems einhängen und damit im Dachrandbereich Wartungsarbeiten ausführen. Verankert ist das flexible System auf den dort vorhandenen „Solarbasisplatten SB“ sowie einzelnen „Fallnet SR“-Rasterelementen.

Kommunales Vorzeigeprojekt

In mehreren Dachbereichen befinden sich insgesamt 86 Photovoltaikmodule
Foto: Zinco
In mehreren Dachbereichen befinden sich insgesamt 86 Photovoltaikmodule
Foto: Zinco

Der Neubau der Bibliothek und der Bürgerdienste der Stadt Jena ist ein Beispiel dafür, dass auch in dichter innerstädtischer Bebauung ein neues bauliches Zeichen für eine Stadt entstehen kann. Kennzeichnend für das kommunale Vorzeigeprojekt ist die Nachhaltigkeit in der Dachgestaltung: von den Gründächern mit ihrer hohen Biodiversität bis zu den Photovoltaikanlagen ist alles auf ­Nachhaltigkeit ausgerichtet – zudem laden die Terrassen mit einem schönen Ausblick zum Verweilen ein.

Autorin

Die Diplom-Wirtschaftsingenieurin Sandra Schöll arbeitet in der Pressestelle der Zinco GmbH in Nürtingen.

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