Wohnungsbaugesellschaft stockt fünf Mehrfamilienhäuser in Holz-Mischbauweise auf

Der Wohnungsmangel in Städten ist ein anhaltendes Problem. Mit Aufstockungen lässt sich Wohnraum schnell und ohne viel Gewicht auf dem Bestandsgebäude schaffen. In Dortmund entschied sich eine Wohnungsbaugesellschaft für eine Mischbauweise als Aufstockung. So entstanden 20 neue Wohnungen. 

Urbane Nachverdichtung – dieses an sich sperrige Wort klingt in Zeiten des Wohnungsmangels für jeden Städteplaner wie Poesie in den Ohren. Gilt es doch in den meisten Städten für über 50 000 Einwohner in Deutschland, Wohnraum zu schaffen – und dafür werden Lösungen gesucht.

Aufstockungen von Mehrfamilienhäusern im Bestand passen daher zum Trend. Tatsächlich sind solche Bauvorhaben mit relativ wenig Hürden zu realisieren, denn es müssen keine weiteren Flächen versiegelt und keine neuen Baugebiete ausgewiesen werden. Gleichzeitig können Eigentümer die Aufstockung dafür nutzen, das Gebäude in diesem Zuge zu sanieren.

Im Dortmunder Kreuzviertel wird gerade ein solcher Umbau fertiggestellt. Das Immobilienunternehmen Vonovia plante für fünf baugleiche Mehrfamilienhäuser aus den 1950er Jahren eine Erweiterung um ein Vollgeschoss, um damit insgesamt 20 Wohneinheiten mit Zwei- bis Dreizimmerwohnungen zu gewinnen. Quasi im gleichen Atemzug wurden die Häuser saniert und energetisch ertüchtigt, das heißt: Fenster ausgetauscht, Treppenhäuser und Heizungsanlagen modernisiert.

Synergieeffekte bei baugleichen Häusern

„Bei fünf baugleichen Häusern gibt es natürlich Synergieeffekte“, beschreibt Thomas Zahlmann, Leiter des Bereichs Neubau bei Vonovia, die Baustellensituation an einem regnerischen Wintertag im Januar. Der Parkplatz zwischen den Häusern ist mit Baustellenfahrzeugen belegt, der Rasen um die Eingänge und Zufahrten ist stark aufgeweicht. Der Zugang zum Obergeschoss, das aufgestockt wurde, ist allerdings über das Gerüst möglich, ohne das Treppenhaus der Mieter zu benutzen. „Wichtig ist, dass sich bei solchen Sanierungen, die Belastung für die Hausbewohner in Grenzen hält“, sagt Zahlmann, der in seiner Funktion ständig mit diesen Themen konfrontiert ist. Der Zugang von außen zum Baustellenabschnitt ist also immens wichtig, um Baustellenlärm und -dreck zu vermeiden.

Fünf Häuser, das bedeutet fünf Mal die ähnlichen oder fast gleichen Abläufe. Und da die Gebäude in ihren Grundrissen baugleich sind, sind es die angesprochenen Synergien (also zum Beispiel ein hoher Vorfertigungsgrad mit gleichen Bauteilabmessungen, die eine serielle Vorfertigung möglich macht), die eine solche Sanierung für eine Unternehmen wie Vonovia auch wirtschaftlich machen.

Im Kreuzviertel entschlossen sich die Planer zum ersten Mal, die Aufstockung weitestgehend als Holzbau zu vergeben. Lediglich die Brandmauern, die unterschiedliche Brandabschnitte trennen, sind in massiver Bauweise mit Kalksandsteinen gemauert.

Im November 2016 begannen am ersten Gebäude die Arbeiten mit dem Rückbau des ungedämmten Dachgeschosses. Um das offene Dach vor der Witterung zu schützen wurde auf die oberste Geschossdecke sofort eine mehrlagige Bitumenabdichtung verlegt und der Treppenaufgang von oben abgedichtet.

Parallel zum Rückbau fertigte das Unternehmen Cordes Holzbau aus Rotenburg an der Wümme die Holzrahmenelemente für die Außen- und Innenwände sowie für das flach geneigte Pultdach. „Die Bauteile wurden dann just in time auf die Baustelle geliefert“, erklärt Bauleiter René Richwien die Baustellenlogistik vor Ort. Da der komplette Holzbau an Holzbau Cordes als Generalunternehmen übergeben wurde, wurde der gesamte Rohbau aus einer Hand, inklusive Dachaufbau, abgewickelt. Den Innenausbau übernahmen Handwerker der Wohnungsbaugesellschaft Vonovia. „Vom Abbruch des Daches bis zum fertigen Rohbau rechnen wir mit einem Monat Bauzeit. Bis zur endgültigen Übergabe vergehen dann nochmal zwei  Monate“, sagt René Richwein.

Vorfertigungsgrad: Hier ist noch Luft nach oben

Gefragt nach dem Vorfertigungsgrad sind sich sowohl Richwien als auch Thomas Zahlmann von Vonovia einig, dass es hier „noch Luft nach oben“ gibt. Im Bauvorhaben Kreuzviertel gehen die Verantwortlichen von 50 Prozent Vorfertigungsgrad aus, hier waren beispielsweise die Fenster noch nicht eingebaut. Dies in die Vorfertigung zu integrieren könnte die Bauabläufe noch schneller beziehungsweise effektiver machen. Eine Möglichkeit ist auch, die Ausführung der Brandabschnitte in Holzbau vorzunehmen. „Eine F90 Wand in Holzrahmenbauweise ist ohne weiteres möglich und wir werden das in Zukunft auch in unsere Überlegungen einbeziehen“, sagt Thomas Zahlmann.

Nachdem 2012 schon die Fassade saniert und gedämmt wurde, können im Frühjahr 2017 die ersten Dachgeschosswohnungen an neue Mieter übergeben werden. Im Juni soll der komplette Umbau aller fünf Häuser fertig sein. Dann werden 20 neue Wohnungen mit rund 44 bis 89 m2 Größe und einer Gesamtfläche von 1240 m2 die Wohnraumsituation im Kreuzviertel zumindest kurzfristig ein wenig entspannen. Reges Interesse für die neu errichteten  Wohnungen gab es schon während der Bauphase.

Autor

Rüdiger Sinn ist verantwortlicher Redakteur der Zeitschrift dach+holzbau.

Außer den Brandmauern aus Kalksandsteinen ist die Aufstockung ein Holzbau

Bautafel (Auswahl)

Projekt Aufstockung von fünf Mehrfamilienhäusern um ein Vollgeschoss mit Pultdach und 20 neuen Wohneinheiten

Standort Kreuzviertel, 44137 Dortmund: Blankensteiner Straße 1/3/4/6; Metzer Straße 34-44 und Volmarsteiner Straße 16-20

Bauherr/Eigentümergesellschaft Vonovia für Deutsche Annington Beteiligungs-Verwaltungs GmbH, 44803 Bochum

Holzbau Cordes Holzbau GmbH & Co. KG, 27356 Rotenburg (Wümme), www.cordes-holzbau.de

Holzrahmenkonstruktion

Dicke der Außenwände 195 mm

Putz Schlussanstrich, Scheibenputz 3 mm Korn, HWF-Platte 40 mm (Putzträgerplatte)

Rahmenkonstruktion KVH Fichte (60 x140 mm), Rastermaß 0,625 m, Dämmung 140 mm (WLS 035), Dampfbremsfolie, Rigidur H 15 mm geklammert

Wohnungstrennwand tragend F90 – ein Element

GKF Feuerschutzplatte 18 mm

Ständerwerk 1 KVH Fichte (60 x100 mm), Rastermaß 0,625 m, Dämmung 100 mm, WLG 035, Folie zur Lagesicherung der Dämmung. Luftschicht 20 mm, Folie zur Lagesicherung der Dämmung

Ständerwerk 2 KVH  Fichte (60 x 100 mm), Rastermaß 0,625 m, Dämmung 100 mm, WLG 035, OSB-Platte 12 mm, GKF Feuerschutzplatte 18 mm

Flachdachkonstruktion (von außen nach innen)

Flachdachabdichtung mit 1,5 mm EPDM

OSB-Platte 22 mm

Konterlatte 60 mm

Diffusionsoffene Unterspannbahn verklebt

Balkenlage  KVH  Fichte (60 x 200 mm), Rastermaß 0,625 m, Dämmung 200 mm (WLS 035), Dampfbremsfolie, Sparlattung 30 x 60 mm, Rigidur H 15 mm geklammert

Wohnen geht in Serie

Das Immobilienunternehmen Vonovia bewirtschaftet deutschlandweit rund 390 000 Wohnungen. Die Aufstockung im Kreuzviertel in Dortmund wurde erstmals weitestgehend in Holzbauweise ausgeführt. Wir sprachen darüber mit Konstantina Kanellopoulos.

Interview: Rüdiger Sinn

dach+holzbau: Sie haben in Dortmund zum ersten Mal eine Aufstockung weitestgehend in Holzbau erstellen lassen. Wie kam es dazu?

Wir haben in der Planungsphase unserer Neubauvorhaben und auch der Dachaufstockungen verschiedene Varianten der Modul- und Elementbauweise untersucht. Es ist ­damit nur ein konsequenter Schritt, bei seriellen Dachaufstockungen Holz einzusetzen. Holz ist ein Baustoff mit geringem Eigengewicht im Vergleich zur konventionellen Mas­­­­sivbauweise.

Als Bauträger und Immobilienunternehmen sind sie wahrscheinlich an vorhersehbaren Bauabläufen interessiert. Welche Erfahrungen haben Sie mit der ersten Aufstockung in Holzbauweise gemacht?

Wir haben gute Erfahrungen mit dem Verfahren gemacht. Die für uns wichtigen Punkte haben sich auch hier bewahrheitetet: Seriell, schnell, kostengünstig und trotzdem variabel.

Das heißt: schnellere Bauzeiten und geringere Baukosten. Besonders die schnelle Bauzeit freut natürlich Mieter und Anwohner, da die Belästigungen durch Lärm und Schmutz gering gehalten werden können.

Bei der Aufstockung wurde in gewissen Bereichen auch noch konventionell mit Stein gebaut. Kann sich hier noch etwas ändern?

Im Kreuzviertel haben wir uns zum ersten Mal entschlossen, die serielle Aufstockung weitestgehend als Holzbau zu ver­geben. Lediglich die Brandmauern, die unterschiedliche Brandabschnitte trennen, sind in massiver Bauweise mit Kalksandsteinen gemauert. Aber wir werden für die Zukunft sicherlich weitere Einsatzmöglichkeiten der Holzbauweise prüfen.

Gibt es aus Mietersicht schon eine Rückmeldung zu der neuen Optik der Häuser und zum Bauen mit Holz?

Die Anwohner, aber auch die Mieter der Häuser zeigen sich von der neuen Optik der Häuser sehr angetan. Diese  Dachaufstockung erfolgt in einer zeitgemäßen Architektur und passt sich gut dem gesamten Wohnumfeld an.

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