Liebe Leserinnen, liebe Leser,

da hat sich wohl grundsätzlich etwas geändert in den letzten Jahren: Als ich meine Schreinerausbildung gemacht habe – das war Anfang der 1990er Jahre – war es wichtig, vorab einen guten Schulabschluss hinzulegen. Von der Realschule kommend habe ich ein Jahr in der Vollzeit-Schreiner-Klasse das erste Lehrjahr absolviert. Um diesen Schulplatz zu bekommen, musste eine Lehrstelle nachgewiesen werden. In der zehnten Abschlussklasse waren wir alle – egal für welchen Ausbildungsberuf – mit Bewerbungen beschäftigt. Allerdings war der Druck auf freie Lehrplätze so groß, dass sich manche Klassenkameraden von ihrer Wunsch-Ausbildung verabschieden mussten und einen anderen Beruf erlernten.

Heute zeichnet sich ein völlig anderes Bild. In fast allen Bereichen spricht die Handwerksbranche von einem Azubi-Mangel, so auch im Dachdecker- und Zimmerer-Handwerk. „Es sind wenige junge Menschen auf dem Markt, die einen handwerklichen Beruf lernen wollen und wenn wir dann mal einen haben, dann hat der oft große Schwächen in der Schule“, erzählte mir jüngst ein befreundeter Dachdecker. Aber woher kommt das Dilemma? Ich beobachte, dass der gesellschaftliche Druck auf Eltern groß ist. Jedes Kind soll später etwas „Gescheites“ machen, die Definition von „gescheit“ ist aber hauptsächlich mit „Geld verdienen“ verknüpft. Akademikerberufe also, obgleich hier auch sehr unterschiedlich verdient wird, sind beliebt und lukrativ. Aber entspricht das denn auch den Fähigkeiten und Fertigkeiten der jungen Menschen? Und werden Schülerinnen und Schüler auch an solche Berufe herangeführt? Sie merken schon an dieser rhetorischen Fragestellung, dass ich davon nicht überzeugt bin.

Früher waren die Realschule und die Hauptschule die Schulen der Wahl für junge Menschen, die einen Handwerksberuf erlernen wollten. Die Gymnasien hatten Anfang der 1980er Jahre sogar noch Technikunterricht, zumindest in den Anfangsklassen. Das ist vorbei, aber meines Erachtens dringend nötig, um jungen Menschen überhaupt die Möglichkeit zu bieten, mit dem Handwerk in Berührung zu kommen, also zu werkeln, zu basteln. Warum sollte denn ein Gymnasiast keinen handwerklichen Beruf lernen? Auch hier kann er gut verdienen, die Aufstiegschancen sind ebenfalls gut und krisensicher ist das Handwerk auch. Für mich braucht es hier einen grundsätzlichen Wandel in der Schulpolitik!

Nun sind die Gegebenheiten wie sie sind und die Handwerkskammern und auch die Verbände tun ihr Möglichstes, um junge Menschen für eine Ausbildung im Handwerk zu begeistern. Der ZVDH zum Beispiel stellt mit der Internetseite www.dachdeckerdeinberuf.de eine neue Bewerberplattform und eine App bereit. Drei Klicks genügen, damit sich die Interessenten für ein Praktikum oder gleich für eine Ausbildungsstelle bewerben können. Über eine Postleitzahlensuche werden dann Innungsbetriebe angezeigt. Mehr Infos über die Möglichkeiten der neuen Seite im Netz lesen Sie auf Seite 7 im Heft, zum Beispiel auch über das „Ausbildungsversprechen“, das Betriebe abgeben können.

Bei der Recherche im Netz sind wir auf weitere interessante Seiten von Innungen zur Azubi-Suche gestoßen. Auf unserer Facebook-Seite finden Sie ein paar Fundstücke aus dem Netz (www.facebook.com/dachundholzbau). Wenn Sie ein besonderes Bewerberportal kennen, dann informieren Sie uns. Teilen und Netzwerken ist das A und O, damit sich Gutes auch verbreiten kann und möglichst viele Ausbildungsstellen besetzt werden können.

Ich wünsche Ihnen und Ihren Azubis einen guten Start in die neue Ausbildungssaison und mit der dach+holzbau eine anregende Lektüre!

Es braucht einen Wandel in der Schulpolitik, um mehr Azubis für das Handwerk zu begeistern!

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