Die Vielfalt von Schiefer

Streng oder wild, gedämmt oder hinterlüftet: Mit Schiefer lassen sich viele Fassadenarten erstellen. Dachdecker und Architekten haben in den letzten Jahren neue Möglichkeiten gefunden, Fassaden und Dächer mit Schiefer einzudecken. Wir stellen Ihnen vor, welche Deckarten es gibt.

Schiefer steht unter Dachdeckern für Haltbarkeit, Solidität und Tradition. Begriffe wie Handwerkskunst, Baukultur oder Denkmalpflege fallen, wenn es um Schiefer geht. Doch Schiefer bietet mehr. Er lässt sich durch seine neutrale Farbe mit Glas und Stahl, aber auch mit Holz kombinieren. Mit seiner bruchrauen Oberfläche ist Schiefer wartungsarm und robust. Aus Schiefer gibt es Fliesen, Küchenarbeitsplatten, Treppenstufen, Fensterbänke, aber auch Untersetzer und Servierplatten. Erlangt ein Baustoff den Status des Begehrten, bekommen Architekten, Designer, Fassadenbauer und Dachdecker neue Ideen. Sie überlegen, was man alles mit Schiefer machen kann. Ein Dachdecker setzte kürzlich 2 cm dicken Schiefer als Abdeckplatten für Kabelkanäle ein. Produktentwickler erkennen solche Trends und fördern sie. So haben sich in den letzten Jahren neue Schieferfassaden entwickelt.

Neue Ideen aus der Schweiz

Ein wichtiger Impuls für neue Schieferfassaden kam aus der Schweiz. Etwa 2002 wurde Rathscheck um Rat für das Erstellen einer neuen Schieferfassade gebeten. Jenseits bekannter Muster wollten die Architekten des neuen Baseler Schauspielhauses an der Fassade ein besonderes Spektakel inszenieren. Die Fassade sollte ihre felsige Heimat widerspiegeln. Es entstand die Idee einer Schieferfassade, die von übergroßen, spiegelnden Chromnickelstahlblechen gehalten wird. Die 25 x 40 cm großen Schiefer sind so verlegt und mit den Blechen fixiert, dass die Chromnickelbleche waagerechte, senkrechte und auch diagonale Netzlinien bilden.

Die Fassade wirkt wie ein schwarzes Kleid mit Pailletten und untermauert mit dieser Ausstrahlung die festliche Funktion des Bauwerkes. Besonderheit dieser Fassade: Sie entspricht mit ihrer Seiten- und Höhenüberdeckung von mindestens 4 cm den ZVDH-Regeln für Deckungen mit Schiefer. Die Deckart heißt heute Unterlegte Deckung.

Linear mit Kreuzfuge

Etwa zum gleichen Zeitpunkt entstand in der Schweiz die sogenannte Lineare Deckung. Auch sie entspricht den Fachregeln des ZVDH. Um eine geschlossene Deckung zu erreichen, sind hier, ähnlich einer Biber-Kronendeckung, zwei versetzte Reihen Schiefer auf einer Latte montiert. Besonderheit dieser Deckart ist ihr Kreuzfugenraster. Das strenge Kreuzfugenraster erfreut sich unter Architekten großer Beliebtheit.

Variabel mit Kreuzfuge

Eine neue Deckart mit Kreuzfuge, aber viel preiswerter, folgte 2005. Die Variable Rechteck-Deckung basiert in ihrer Grundidee auf der Waagerechten Deckung. Sie ist genauso sparsam konzipiert, unterscheidet sich aber vor allem durch den Vorschnitt (wie er auch von Hohlziegeln bekannt ist). Höhen- und Seitenüberdeckung sind damit regelkonform gesichert. Es entsteht ein ästhetisches, flächiges, geschlossenes Deckbild mit moderner Kreuzfuge. Ein Vorteil dieser einfachen Deckart ist, dass man die Schiefer sehr einfach auf der Haubrücke den Erfordernissen vor Ort anpassen kann. Diese „variable“ Deckart ist damit für Neubauten und Sanierungen geeignet.

2006 beriet Rathscheck Schiefer die Architekten einer geplanten Schulerweiterung in Ailingen am Bodensee. Sie hatten die Idee, Schieferriemchen auf Putzträgerplatten zu kleben und damit gedämmte, hinterlüftete Fassaden zu bekleiden. Die Idee erwies sich seinerzeit als nicht realisierbar. Es fehlten entsprechende Erfahrungen und die für einen öffentlichen Bau erforderlichen technischen Prüfungen. Aus dieser Beratung entstand aber in Folge die Grundidee der Dynamischen Deckung. Die Schieferriemchen sollten schließlich einem Bruchsteinmauerwerk ähneln. Die Dynamische Deckung setzte die Gestaltungsidee der Architekten um. Sie konnte mit den damals verfügbaren Mitteln fachkundig und regelkonform von einem Dachdeckerbetrieb realisiert werden. Die aus rechteckigen Schiefern bestehende Deckung basiert auf waagerechten Steingebinden in verschie­denen Höhen und Längen. Die Deckung kennt keine sich wiederholenden Deckbilder, ist quasi wild gedeckt und wirkt dadurch lebhaft, edel und exklusiv. Der 2007 eröffnete Schulbau in Ailingen wurde zu einem Meilenstein für die moderne Fassadenbekleidung mit Schiefer. In Folge verfeinerte und optimierte Rathscheck diese Idee.

Heute ist die Dynamische Deckung in der modernen Schieferarchitektur kaum noch wegzudenken. Neben imposanten Großbauten überzeugt diese Deckart auch problemlos an Kleinflächen. Giebel, Attiken, Schornsteine und Loggien lassen sich mit der Dynamischen Deckung und angepassten Steingrößen sehr ästhetisch lösen. Übrigens: Die ursprüngliche Idee der Ailinger Architekten, Schieferriemchen auf Putzträger zu kleben ist heute ähnlich realisierbar. Rathscheck hat die Idee aufgegriffen und weiterentwickelt. Mit bauaufsichtlicher Zulassung vom Deutschen Institut für Bautechnik (DIBt) sind Schiefer auf WDV-Systemen seit Ende 2014 geprüft und bestätigt.

Symmetrisch, vorgehängt und hinterlüftet

Mit Steingrößen von 60 x 30 bis 60 x 60 cm und bruchrauen oder polierten Oberflächen entwickelte das Mayener Unternehmen erstmals 2008 eine Schieferfassadenlösung mit 1 cm Dicke. Die Symmetrische Deckung mit Kreuzfuge ist die erste geklammerte, vorgehängte, hinterlüftete Natursteinfassade aus Schiefer. Die Platten werden nicht wie bisher üblich überdeckend verlegt, sondern mit offenen, etwa einen Zentimeter breiten Fugen auf einer Aluminiumunterkonstruktion mit Edelstahlhalterungen montiert. Mit dieser Deckart entstehen erste architektonisch anspruchsvolle Schiefermonolithen mit der Verwendung an der Fassade und (mit wasserdichtem Unterdach) auch auf dem Dach.

Unsichtbare Halterungen: mit Hinterschnitt

So überzeugend die Idee der geklammerten Symmetrischen Deckung ist, schnell kam der Wunsch auf, die Halterungen der Schieferplatten unsichtbar zu gestalten. Es folgte die Entwicklung der Hinterschnitttechnik für Schiefer, die ab 2012 realisiert wurde. Bemerkenswert ist hierbei, dass auch der Einsatz von besonders großen Platten bis zu einer Länge von 120 cm möglich ist. Das System wurde parallel bauaufsichtlich zugelassen. Je nach Geometrie und Ausrichtung der Platten entstehen Fassaden mit den unterschiedlichsten Anmutungen, beispielsweise horizontalen wilden Verbänden. Die für diese Fassaden geeigneten Schiefer der Marken „InterSIN“ und „ColorSIN“ sind in verschiedenen Farben und Oberflächen lieferbar.

Brandsicher und gedämmt

Der Erfolg moderner Schieferfassaden beschränkt sich nicht mehr auf die traditionellen Märkte. Schiefer werden an immer größeren und höheren Fassaden eingesetzt. Damit verbunden ist immer auch die Frage nach dem Brandschutz. Für Gebäude über 22 m (Hochhausgrenze) und für den Bereich der Treppenhäuser (Fluchtwege) werden nicht brennbare Materialien gefordert. Es galt daher, im Dachdeckerhandwerk übliche Holzunterkonstruktion durch nicht brennbare Konstruktionen zu ersetzen. 2012 stellte Rathscheck erstmals eine solche Konstruktion vor. Hierbei werden Schiefer mit speziellen selbstschneidenden Schrauben auf ein Aluminiumblech geschraubt. Mit dieser Entwicklung werden klassische Schieferfassaden wie beispielsweise die Dynamische Deckung für hohe Wohn- und Bürobauten oder Hotels möglich. Um den steigenden Wärmeschutzanforderungen besser gerecht zu werden, wird 2013 ein Dämmsystem vorgestellt: „ThermoSklent W“ ist ein PU-Dämmelement mit fachregelkonform integrierten Konterlatten. Damit sind gedämmte und hinterlüftete Schieferfassaden möglich.

Feinheiten im Schieferseminar erlernen

Mit der Horizontalen Deckung wurde 2014 eine ökonomische, geradlinige Deckart vorgestellt. Sie besteht aus rechteckigen Steinen, wird mit Spezialhaken im halben Verband verlegt und überdeckt nur in der Höhe um 45 mm. Die kostengünstige Fassadenlösung benötigt nur eine einfache Lattung und eignet sich gleichermaßen für den Neubau wie für die Sanierung. Ergänzend zur Verwendung von Schiefer für Dacheindeckungen sprechen die neuen Fassadenlösungen mit ihrer Formensprache neue Zielgruppen an. Architekten fühlen sich von den Mustern inspiriert und planen danach ihre Bauprojekte. Bauherren folgen diesem Trend und entscheiden sich für Schiefer als Gestaltungsmittel – sowohl im Neubau als auch bei der Sanierung, außen wie innen. Viele neue Deckarten haben sich in der Praxis bewährt, werden häufig eingedeckt und sind heute Stand der Technik. Wer sich mit den gezeigten Fassadenlösungen näher beschäftigen möchte, kann die Feinheiten in einem von Rathscheck veranstalteten Fassadenseminar im Bundesbildungszentrum des Deutschen Dachdeckerhandwerks in Mayen erlernen.  Mehr Informationen zu den Seminaren gibt es auf der Website des BBZ Mayen unter www.dachdecker.schule.

Autor
Gerard Halama ist Baufachjournalist mit Agentur in Bremen und betreut den Hersteller Rathscheck bei der Pressearbeit.

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