Alpiner Schwung mit japanischen ­Anklängen

Neubau des Kundenzentrums der Max Felchlin AG in Ibach (CH)

Eine ausdrucksstarke Form und eine geschwungene Titanzinkdeckung prägen das Dach des neuen Firmensitzes der Max Felchlin AG im schweizerischen Ibach. Die gewölbten Hauben des Daches werden von Holzsprengwerken gebildet, die im Inneren große, stützenfreie Räume entstehen lassen.

Der neue Firmensitz der Max Felchlin AG bildet mit seiner geschwungenen Dachkonstruktion eine nicht zu übersehende Landmarke im weitläufigen Talkessel rund um den schweizerischen Ort Ibach. Drei Hauben erheben sich über der Grundfläche des Daches von rund 22 x 100 m und laden zu verschiedenen Assoziationen ein: Naheliegend ist der Vergleich mit den Gipfeln der umgebenden Bergwelt, aber die Dachform weckt auch Erinnerungen an die Hamburger Elbphilharmonie oder an japanische Tempelbauweisen. Letzteres bestätigen die ausführenden Architekten Meili, Peter & Partner Architekten AG aus Zürich. Sie betonen aber vor allem den regionalen und handwerklichen Aspekt ihres Werks und beschreiben die Bauweise so: „In der Dachkonstruktion mobilisieren wir das ganze Arsenal der lokalen Zimmermannskunst und formen die pyramidalen Faltwerke (…) zu einem imposanten Dachstuhl, der elegant und simpel die Auskragungen in eine Stabkonstruktion einwebt.“

Architektonisch zusammengefasst wird die Dachlandschaft von einer rund 2400 m² umfassenden Titanzinkdeckung mit „Rheinzink prePatina“ blaugrau im Doppelstehfalzsystem. „Titanzink ist ein weich formbares Material, das die Kurvenradien gut nachvollziehen kann“, erklärt Lukas Eschmann von Meili, Peter & Partner die Entscheidung für das Material, „seine Verarbeitung folgt, wie beim Dachstuhl, dem Gedanken der Förderung des regionalen Handwerks.“ Sowohl die Holzbauarbeiten als auch die Dacharbeiten wurden von Handwerksbetrieben aus der näheren Umgebung  des Bauorts Ibach durchgeführt.

Mischbauweise mit Holzfassade

Die Max Felchlin AG ist ein schweizerischer Schokoladenhersteller und vertreibt ihre Schokolade vorwiegend an Konditoreien oder spezialisierte Chocolatiers. Die Firma ist deshalb im Einzelhandel nicht unbedingt bekannt. Der Hersteller hat mit dem 2019 fertiggestellten Firmensitz in Ibach seine bisher verteilten Standorte an einem Ort konzentriert. Im rechten Winkel und mit bewusstem Abstand zu den bereits vorhandenen Produktionsgebäuden entstand das neue Verwaltungsgebäude bis zum vierten Geschoss als Stahlbeton-Skelettbau. Die Fassade wurde mit dunklem Fichten- und Tannenholz verkleidet. Das darüber liegende, fünfte Geschoss ist eine Holzkonstruktion, die wie ein großer Bügel die Produktion und Verwaltung miteinander verbindet und deutlich über die Gebäudefluchten auskragt. Unter den drei markanten Spitzen des Daches befinden sich der Verpflegungsraum für die Mitarbeiter und zwei Schulungsräume des sogenannten „Condiramas“. Hier bietet das Unternehmen seinen Kunden Seminare zur Herstellung und Verarbeitung von Schokolade an.

Strukturiertes Stabtragwerk

Jede der drei Hauben des Daches wird von einem von innen sichtbar bleibenden Sprengwerk gebildet, das große, stützenfreien Räume entstehen lässt. Seitlich schließen sich stehende und liegende Fachwerke für die auskragenden Flächen an. Die Holzbauingenieure der Pirmin Jung Ingenieure AG kombinierten im Tragwerk die Kunst früherer handgefertigter Knotenverbindungen mit der modernen maschinellen Herstellung. Die Holzverbindungen bilden ein klar strukturiertes Stabtragwerk ohne irritierende Knotenbleche. Wo immer möglich, wurde der Holzbau mit vorgefertigten Elementen ausgeführt, etwa bei den Hauben-Konstruktionen, den Fassaden oder den flächigen Dachelementen.

Die Dachelemente bestehen aus gedämmten Holzrahmen von insgesamt 30 cm Höhe. Darüber befindet sich das Unterdach mit einer Hinterlüftungsebene, die an jeder Stelle mindestens 10 cm hoch ist. Die Konterlattung wurde in die Unterdachbahnen eingeschweißt. Darüber wurde eine Schalung aus Profilbrettern montiert, die den Verlegeuntergrund für die Titanzinkdeckung bildet.

Sehr lange Schare und eine verdeckte Rinne

Die Spengler- und Bedachungsarbeiten führte eine aus drei Betrieben der Region bestehende Arbeitsgemeinschaft (ARGE) aus. Die Unternehmen Annen+Schibig AG aus Ibach, Bless AG aus Erstfeld sowie Paul Gisler AG aus Cham arbeiteten aufgrund der Größe und Komplexität des Vorhabens gemeinsam am Projekt. Zusätzlich wurde mit Benno Lees aus Altikon ein Spenglerfachplaner engagiert.

Auf einer selbstklebenden, als Bauzeitabdichtung dienenden Schalungsbahn und der Strukturmatte „Air-Z“ von Rheinzink verlegten die Spengler die Titanzinkscharen mit 530 mm Systembreite in Doppelstehfalztechnik. Die Schare sind überall gleich breit, aber durch die spezielle Geometrie der Hauben und die Schwünge im Dach sind sie auf den insgesamt rund 20 Teilflächen unterschiedlich lang. „Die längste Schar misst 22,33 m, sodass wir Langschiebehafte verwenden mussten und die Fixpunkte eher in die Mitte gelegt haben“, erklärt Fachplaner Benno Lees. Im unteren Bereich laufen die mit Falzdichtungsband verlegten Schare auf eine Neigung von nur fünf Prozent aus und entwässern in eine verdeckt liegende Kastenrinne mit 750 mm Breite, sodass ausreichend Raum für die Ausdehnung zur Verfügung steht.

Zuschneiden und Kanten auf der Baustelle

Eine besondere logistische Herausforderung war das Zuschneiden und Kanten der Schare. Wegen der zum Teil sehr großen Längen musste der Transportweg vom Zurichten bis zum jeweiligen Einbauort möglichst unkompliziert und kurz sein. Die Unternehmen der ARGE für die Spengler- und Bedachungsarbeiten verlegten den Prozess deshalb kurzerhand auf das Dach. Oder genauer gesagt: auf eine eigens dort errichtete Holzplattform, die den Dachaufbau schützte und die Dachneigung ausglich. Darauf wurde ein Container mit der Rollen-Profiliermaschine abgestellt, sodass die Technik witterungsgeschützt und über Nacht auch verschlossen dauerhaft auf der Baustelle verbleiben konnte.

An den Container schloss sich ein über 20 m langer Rolltisch an, auf den die aus 600er Bändern gekanteten und passend gelängten Schare liefen. Von hier konnten die Elemente dann mit vergleichsweise kurzen Wegen auf dem Dach verteilt werden, wofür aber je nach Scharlänge bis zu acht Mitarbeiter auf einmal benötigt wurden.

Angesichts der großen Dachfläche und der sehr langen Falzlinien setzen die Spengler, wo immer es möglich war, auf eine maschinelle Verlegung der Schare: Für das Setzen der Hafte kamen Magazinschrauber zum Einsatz, für die Längsfalze eine Falzschließmaschine. Lediglich bei den kleinteiligen Anpassungsarbeiten an den Graten und Traufen wurde mit großer Präzision per Hand gefalzt.

Unterkonstruktion für die Gratelemente

Am oberen Ende verlaufen die Titanzinkschare unter optisch sehr prägnanten Gratkappen. Als Unterkonstruktion für die Gratelemente dienen verzinkte und lackierte Stahlbleche. Diese haben durch ihre spezielle Form keinen flächigen Kontakt zum Titanzink und stellen die Entlüftung sicher. Neben ihrer technischen Funktion sind die Grate auf dem Dach auch ein wichtiger Teil der architektonischen Idee. Denn sie betonen die Linien, die auf die Spitzen der drei Hauben zulaufen und gemeinsam mit den geschwungenen Hauptdachflächen die Erinnerung an japanische Tempeldächer wecken.

Viel Wasser mit großem Schwung

Rein optisch gesehen sind die geschwungenen Linien und Hauben des Daches sicher der Höhepunkt. Doch fachtechnisch war für Spengler Benno Lees ein heute nicht mehr sichtbares Element die größte Herausforderung: „Die Dachentwässerung erforderte bei diesem Gebäude eine sehr sorgfältige und komplexe Planung. Wir haben zusätzlich zur komplett umlaufenden äußeren Rinne durch die drei Höcker auch zwei innen liegende Rinnen. Durch die Länge des Daches kommen hier große Mengen Wasser mit sehr viel Schwung zusammen. Um dieses Wasser sicher beherrschen zu können, haben wir eine Kunststofffolien-Rinne eingeschweißt, darauf eine Dränage verlegt und ein Schutzblech mit Mittelrippe eingesetzt. Der Aufbau der Rinnen erlaubt es, die Rinne zu reparieren, ohne das Dach zu öffnen.“ Das sei wichtig, weil erfahrungsgemäß die Rinne der Schwachpunkt eines jeden Blechdachs sei. „In unserem Fall gehe ich jedoch davon aus, dass in den nächsten Jahrzehnten niemand die vorbereitete Reparaturmöglichkeit nutzen müssen wird “, erklärt Lees. Auch in diesem Detail ist die Idee des Bauherrn und der Architekten zu erkennen, die in Ibach nicht nur Architektur als Landmarke inszenieren, sondern auch eine von Qualität, handwerklicher Tradition und Regionalität geprägte Grundhaltung ausdrücken wollten.

Autor

Thomas Bühlmeyer arbeitet im Marketing und der Anwendungstechnik der Rheinzink GmbH & Co. KG in Datteln.

Bautafel (Auswahl)

Projekt Neubau des Firmensitzes der Max Felchlin AG im schweizerischen Ibach (Kanton Schwyz)

Fertigstellung 2019

Architekt Meili, Peter & Partner Architekten AG, Zürich (CH), www.meilipeterpartner.ch

Tragwerksplanung Holzbau, Brandschutz & Bauphysik: Pirmin Jung Ingenieure Schweiz AG, Rain (CH), www.pirminjung.ch

Holzbau ARGE aus Hecht Holzbau AG, Sursee (CH), https://hecht-holzbau.ch ; Bisang Holzbau AG, Küssnacht (CH), https://bisangag.ch ; Neue Holzbau AG, Lungern (CH), https://neueholzbau.ch

Fachplanung Spenglerarbeiten Lees AG, Altikon (CH)

Spengler- und Bedachungsarbeiten ARGE Annen+Schibig AG, Ibach (CH), www.annen-schibig.ch; Bless AG, Erstfeld (CH), www.blessag.ch und Paul Gisler AG, Cham (CH), www.paulgislerag.ch

 

Material (Auswahl)

Dacheindeckung etwa 2400 m² „Rheinzink-prePatina“ blaugrau, Doppelstehfalzsystem

Fassaden- und Dachentwässerung „Rheinzink-prePatina“, schiefergrau, Rheinzink GmbH & Co. KG, 45711 Datteln, www.rheinzink.de

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