Luftkissen als Methode zur Absturzsicherung
In Großbritannien werden Luftkissen bereits seit mehreren Jahren zur Absturzsicherung auf Baustellen eingesetzt und schützen unter anderem Zimmerer und Dachdecker bei Stürzen aus geringen Höhen. Jetzt haben erste Zimmerer in Bayern Erfahrungen mit den gelben Luftkissen gesammelt.
Große Luftkissen werden in Großbritannien schon seit einiger Zeit zur Absturzsicherung auf Baustellen eingesetzt. Das Bildungszentrum Weilheim der Handwerkskammer für München und Oberbayern erhielt Anfang Dezember 2020 zehn dieser Luftkissen, um erste Erfahrungen damit zu sammeln. Finanziert und gefördert wurde die Aktion aus Mitteln des bayerischen Zimmerer- und Holzbaugewerbes mit Unterstützung durch die bayerische Bauwirtschaft. Den Kontakt zum Hersteller der Luftkissen, der Firma „Sayfa Systems“ aus Großbritannien ( www.sayfasystems.co.uk ), stellte Andreas Kraft her, Referent für Prävention des Landesinnungsverbands des Bayerischen Zimmererhandwerks. „Die Luftkissen können vor allem bei Arbeiten in Höhen von bis zu drei Metern eingesetzt werden, etwa beim Deckenbalken verlegen, wenn eine Absicherung mit Gerüst, Seilsystemen oder Fangnetzen aus technischen Gründen nicht funktioniert“, erklärt Andreas Kraft. Der große Vorteil sei, dass man die Luftkissen schnell aufblasen könne und das Herauslassen der Luft nach dem Einsatz genauso zügig gehe, erklärt Kraft. Die Kissen eignen sich für verschiedene Flächen, unabhängig von Form und Größe.
Einfach unter die Gefahrenstelle schieben
Die Praxistauglichkeit der Luftkissen wurde im Bildungszentrum Weilheim mehrfach getestet, unter anderem von Michael Andrä, Obermeister der Zimmerer-Innung Oberland (in Oberbayern) und weiteren Azubis im dritten Lehrjahr der Klasse BZ 12a. Zunächst pumpten die Azubis die Kissen mit einem Gebläse auf, pro Luftsack dauerte das rund 30 Sekunden. Dann wurden die Säcke durch Steckverschlüsse miteinander verbunden. Auf der Baustelle werden die verbundenen Luftsäcke einfach unter eine Gefahrenstelle geschoben. Wenn Zimmerer oder Zimmerinnen abstürzen, landen sie auf den Luftsäcken. So wie Obermeister Andrä, er sprang von einer Leiter auf die Luftkissen und berichtete: „Als ich auf die Kissen gefallen bin, habe ich schon ein bisschen Widerstand gemerkt. Aber es ist auf jeden Fall besser, als auf den knallharten Boden zu fliegen“. Vor allem für das Arbeiten in Nischen würden sich die Säcke eignen, meint Michael Andrä. Auch Zimmerer-Azubi Valentin Wildmoser hat die Landung auf den Luftkissen ausprobiert und sagt: „Es hat nicht wehgetan, ich bin weich gelandet. Ich denke, man kann die Luftkissen vor allem in Innenräumen gut verwenden.“
Luftkissen verhindern schwere Verletzungen
Eine Studie aus dem Jahr 2019 der Health and Safety Executive, die in Großbritannien wesentliche Bereiche des Arbeitsschutzes regelt, hat Unfallberichte zu solchen „Soft Landing Systems (SLS)“ untersucht. Dabei wurden keine lebensbedrohlichen Unfälle festgestellt. Mit einer Ausnahme gab es nur Prellungen und Zerrungen bei Unfällen mit den Luftsäcken, wenn der Abgestürzte beim Fall nicht an andere Bauteile geprallt oder von herabfallenden Gegenständen getroffen wurde. Das Verletzungsrisiko gilt bei Stürzen auf die Luftkissen aus geringen Höhen (2,3 bis 2,7 m) laut Studie als gering, wenn die Luftkissen eine ausreichende Dicke aufweisen und ein Abprallen verhindert wird. Es besteht jedoch ein erhöhtes Verletzungsrisiko, wenn die Person im Randbereich des „SLS“ landet, sich Gegenstände in der Fallstrecke befinden oder wenn die fallende Person auf andere Personen oder Gegenstände auf den Luftkissen fällt. Der Praxistest der „Soft Landing Systems“ im Bildungszentrum Weilheim zeigt, dass sich Zimmerer und Ausbilder den Einsatz der Luftkissen als Absturzsicherung gut vorstellen können. Anton Höck, Ausbilder am Bildungszentrum Weilheim, sagt: „Es passieren immer wieder Abstürze nach innen. Um sie zu verhindern, muss man kreativ werden. Die Luftkissen sind dafür eine Möglichkeit. Wir werden schauen, wie wir sie einsetzen können, etwa bei Unterrichtseinheiten zur Absturzsicherung und Holzrahmenbauweise.“
Anfang Dezember 2020 freute sich auch das Bildungszentrum Ansbach der Handwerkskammer Mittelfranken über zehn der gelben Luftkissen. Hermann Lauchs, Obermeister der Zimmerer-Innung Ansbach-Westmittelfranken, sprang aus einer Höhe von 2,10 m auf die Luftkissen. Sein Fazit: „Das hat gut geklappt, die Säcke haben mich gut aufgefangen.“ Die Luftkissen für seinen Holzbaubetrieb anzuschaffen kann sich der Zimmermeister durchaus vorstellen.
AutorinAnna Schwarz arbeitet im Bereich Neue Medien des Landesinnungsverbands des Bayerischen Zimmererhandwerks in München.