Neues Kupfer für die Kirche

Dachsanierung der St. Aegidius Kirche in Wiedenbrück

Eindringendes Regenwasser hatte dem Dach der St. Aegidius-Kirche in Wiedenbrück geschadet. Daher wurde das Dachtragwerk aus Holz ausgebessert und von außen eine neue Kupferdeckung verlegt. Flachgeneigte Lagerkehlen, Wandanschlüsse und Dachausstiege waren dabei die größten Herausforderungen.

Die Stadt Rheda-Wiedenbrück in Ostwestfalen mit 48 000 Einwohnern besteht aus zwei ursprünglich eigenständigen Städten. 1970 wurden Rheda und Wiedenbrück im Rahmen einer Gebietsreform zusammengeschlossen. Sowohl Rheda als auch Wiedenbrück haben jedoch ihre eigenen Besonderheiten erhalten. Während das Wahrzeichen von Rheda das Schloss Rheda ist, findet man im Stadtkern von Wiedenbrück zahlreiche sehr gut erhaltene Fachwerkhäusern, davon sind über 200 Häuser denkmalgeschützt. Über diese Fachwerkhäuser ragt der Turm der St. Aegidius-Kirche am Kirchplatz. Die denkmalgeschützte, dreischiffige Hallenkirche hat ein östliches Querhaus und einen vorgesetzten Glockenturm. Der Turm hat drei Geschosse und eine Haube, die wie das übrige Dach der Kirche mit Kupferblechen eingedeckt ist.

Kupferblech statt Schiefer

Ursprünglich war das Dach der Kirche einmal mit Schiefer gedeckt. In den 1960er Jahren ersetzte man die Schieferdeckung aber durch Kupferbleche. Mit der Zeit hatte diese Kupferdeckung Risse bekommen, was zu Undichtigkeiten geführt hatte. „Die Entwässerung des alten Daches über die Dachkehlen an den Seitenschiffen hat nicht richtig funktioniert. Deswegen hat das hölzerne Dachtragwerk Schaden genommen“, sagt Architekt Stefan Terbrack. Er ist auf Denkmalpflege spezialisiert und leitete die Sanierung der Kirche, zu der auch Sanierungsarbeiten an der Fassade und in den Innenräumen gehörten. 2017 begann die Sanierung des Kirchendachs.Das Dach der Kirche sollte erneut eine Kupferdeckung bekommen, was aber nicht günstig werden sollte: Die Kosten für die Dachsanierung und Neudeckung mit Kupfer wurden auf rund 2,3 Mio. Euro geschätzt. Den größten Teil davon übernimmt das Erzbistum Paderborn mit 1,7 Mio. Euro, der Bund zahlt 340 000 Euro über ein Denkmalschutzsonderprogramm, die Pfarrgemeinde St. Aegidius muss mit 215 000 Euro den geringsten Anteil zahlen.

Spengler erstellen neue Dachdeckung

Der Auftrag für die Sanierung und Neudeckung des Daches ging an die Prange Klempnertechnik GmbH aus Brilon. Die Firma ist auf Baumetall- und Spenglerarbeiten sowie Schieferdeckungen spezialisiert. 20 Schieferdecker und 10 Spengler arbeiten für den Handwerksbetrieb aus dem Sauerland. Dazu kommen zwei Lehrlinge im Spengler-Handwerk und vier Auszubildende, die den Dachdeckerberuf mit Schwerpunkt Schieferdeckung lernen. Bei der Kirchensanierung in Wiedenbrück arbeiteten die Spengler zusammen mit der Zimmerei Risse aus Meschede.

Neue Schalung über der alten verlegt

Die alte Kupferdeckung des Daches bauten die Spengler und Zimmerer zunächst gemeinsam zurück. Die Holzschalung darunter ließen sie bestehen – denn Wasserschäden während der Bauzeit durch ein offenes Kirchendach wollte man unbedingt vermeiden, das Dachtragwerk sollte nicht noch weiter beschädigt werden. Zum anderen beließ man die alte Schalung aus statischen Gründen bestehen. „Da das Tragwerk sowieso instabil war, wollten wir die Tragfähigkeit nicht weiter gefährden“, sagt Stefan Terbrack. Über die alte Schalung verlegten die Handwerker eine neue Holzschalung. Die Bretter für die Schalung haben eine keilförmige Verbindung zum Nachbarbrett, was eine Anpassung an Unebenheiten der Unterkonstruktion, etwa schiefe Sparren ermöglicht. Eine Nut-Feder-Schalung hätte aufgrund der Geometrie der Verbindung die Anpassung an Unebenheiten erschwert. Die Bretter nagelten die Handwerker auf der alten Schalung fest. Darüber verlegten sie eine Unterdeckbahn zum Witterungsschutz für die Bauzeit.

Morsche Holzbalken in den Kehlen

Das Dach der St. Aegidius-Kirche hat an beiden Traufseiten drei große Lagerkehlen. Die Kehlen dienen der Entwässerung des Daches, daher sind ihre Grundflächen geneigt. Die Entwässerung des Daches verlief ursprünglich über Steinrinnen, die im Dachinneren angeordnet sind. Weil die Entwässerung über diese Rinnen aber nicht richtig funktioniert hatte, waren die Holzbalken des Tragwerks feucht und morsch geworden. Einige der Balken des Dachtragwerks mussten daher dringend ausgetauscht werden. Für den Austausch der Balken bauten die Handwerker in den großen Kehlen Notdächer zum Witterungsschutz. Die Kupferdeckung an den Wänden der Kehlen bauten sie etwa bis zur Hälfte zurück. Dann verlegten sie horizontale Balken zwischen den Wänden der Kehlen und darauf OSB-Platten, die sie mit Bitumenbahnen abdichteten. So waren die Handwerker und das Holztragwerk vor Regen geschützt. Dann nahmen die Zimmerer die alte Schalung der Kehlen ab, entfernten die morschen Holzbalken und ersetzten sie durch neue Eichenholzbalken. Darüber verlegten sie Querhölzer und schließlich eine Holzschalung für die neue Kupferdeckung.

Eichenholz und Zimmermannsverbindungen

Aus Gründen des Denkmalschutzes setzten die Zimmerer bei der Sanierung nur Eichenholzbalken ein, die ursprüngliche Holzart des Tragwerks. Für die Verbindung der Balken untereinander nutzten die Zimmerer soweit wie möglich traditionelle Zimmermannsverbindungen wie Holzdübel und Zapfen. Pro Kehle brauchten die Zimmerer etwa 4 bis 5 Wochen zur Instandsetzung. Nachdem die Zimmerer mit den Dachkehlen fertig waren, ging es im Hauptschiff der Kirche weiter: Hier nahmen sie die Holzschalung der alten Böden ab, inspizierten die darunterliegenden Balken und tauschten sie wenn nötig aus. Über den Balken verlegten sie neue Fichtenbohlen. Die Zimmerer der Zimmerei Risse waren von Oktober 2017 bis November 2018 auf der Baustelle im Einsatz. Während sie im Innenraum des Daches das Holztragwerk ausbesserten, verlegten die Spengler außen auf den Dachflächen neues Kupferblech. Vor dem Verlegen der Kupferbleche auf den Dachflächen montierten die Spengler die Regenrinnen.

Schiebehaften für Kupferbleche

„Die alten Kupferbleche waren mit normalen Haften befestigt, die dem Kupfer nicht genügend Spiel gelassen haben. Dadurch kam es zu Rissen“, erklärt Frank Henke, Spenglermeister der Prange Klempnertechnik GmbH. Um Risse im Kupferblech zu vermeiden, befestigten die Spengler die neuen Bleche mit Schiebehaften. Diese bieten dem Kupferblech nach oben und unten 1 cm Spiel. So kommt es nicht zu Rissen, wenn sich das Blech bei Hitze oder Kälte ausdehnt. Befestigt wurden die Schiebehaften mit 30 mm langen Edelstahlnägeln, die die Handwerker mit Druckluftnaglern einschossen. Das Kupferblech für die Dacheindeckung produzierte die KME AG aus Osnabrück und lieferte es auf Coils von je 1000 kg zur Prange Klempnertechnik GmbH nach Brilon. Ein Coil besteht dabei aus etwa 265 m Kupferblech in 0,7 mm Dicke. Aus den Coils schnitten die Spengler 2 m lange Stücke und kanteten sie zurecht. Die Bleche haben so ein sichtbares Maß von 1,88 m bei 52,5 cm Breite. Die Spengler nutzten die Doppelstehfalztechnik, um die Kupferschare auf dem Dach zu verbinden. Für kleinere Abkantungen stand den Spenglern einer Abkantbank auf dem Gerüst zur Verfügung. Dort wo die Dachflächen an die Giebel angrenzen, sparten die Spengler die Schalung aus und verlegten das Kupfer tiefer als in der übrigen Dachfläche. Für den Anschluss ans Mauerwerk frästen die Spengler eine Nut ins Mauerwerk und verlegten das Kupferblech dort hinein.

Große Hitze in den Lagerkehlen

In den großen Dachkehlen wurde es im Sommer 2018 für die Spengler ungemütlich: Hier staute sich die Hitze, denn das Kupferblech reflektierte die Sonne von allen Seiten. Mittendrin arbeiteten die Spengler. „In den Kehlen hatten wir teilweise bis zu 72 °C, deswegen haben wir im Sommer morgens um sechs angefangen und mittags Feierabend gemacht, anders ging das gar nicht“, erzählt Spenglermeister Frank Henke. Die Grundfläche der Lagerkehlen ist um 12-15° geneigt. Damit Regen und Schnee besser abfließen können, erhielten die geneigten Grundflächen bei der Sanierung eine stärkere Neigung. Zwischen den Falzen der Kupferbleche verlegten die Spengler Falzdichtungsbänder. 

Dachausstiege

In jede der Dachkehlen bauten die Handwerker einen  Dachausstieg ein. Die Abdeckung des Dachausstiegs lässt sich von innen herausdrücken. So kann man das Dach für Wartungsarbeiten betreten, ohne dass ein Gerüst gestellt werden muss. Die Dachausstiege fertigten die Spengler in der Werkstatt vor und setzten sie auf der Baustelle ein. An den geneigten Dachflächen montierten die Spengler außerdem Dachhaken aus Kupfer, an denen Dachhandwerker ihre Dachleitern einhängen können. Die Dachhaken sind mit Schrauben durch die Kupferschare hindurch in Grundplatten befestigt. Die Grundplatten wiederum sind auf der Holzschalung verschraubt. Auf den Firsten der Dacheindeckung wurden zweireihige Taubenspikes zur Vergrämung  der Tauben eingebaut.

Nach dem Verlegen auf dem Dach verloren die Kupferbleche schnell ihre rötlich-glänzende Farbe, teilweise innerhalb von wenigen Tagen. „Ich glaube aber nicht, dass die Kupferbleche grün werden, so wie viele der alten Kupferdächer es geworden sind“, meint Architekt Stefan Terbrack. Mit einer Haltbarkeit der Kupferdeckung von bis zu 100 Jahren rechnet Spenglermeister Frank Henke und sagt: „Ich denke schon, dass die Farbe des Kupfers von braun zu grün umschlägt – die Frage ist nur, wie lange das dauern wird.“

Autor

Stephan Thomas ist verantwortlicher Redakteur der Zeitschrift dach+holzbau in Gütersloh.

Bautafel (Auswahl)

Projekt Sanierung des Daches der St. Aegidius Pfarrkirche, 33378 Rheda-Wiedenbrück

Zeitraum 10/2017 - Mitte 2019

Architekt Dipl.-Ing. Stefan Terbrack, Architekt in der Denkmalpflege, 33659 Bielefeld, www.terbrack-architekten.de

Dacharbeiten Prange Klempnertechnik GmbH, 59929 Brilon, www.prangedaecher.de

Holzbau Zimmerei Wilhelm Risse GmbH, 59872 Meschede, www.holzbau-risse.de

Gerüstbau Effertz GmbH, 33378 Rheda-Wiedenbrück, www.effertz-bedachungen.de

Herstellerindex (Auswahl)

Kupferblech „Tecu classic“, KME Germany GmbH & Co. KG, 49074 Osnabrück, www.kme.com/tecu

Unterdeckbahnen „Bauder Top TS 40 NSK“, Bauder GmbH & Co. KG, 70499 Stuttgart, www.bauder.de

Gerüst Wilhelm Layher GmbH & Co. KG, 74363 Güglingen-Eibensbach, www.layher.com

Aufzüge „Superlift MX1024“, Böcker Maschinenwerke GmbH, 59368 Werne, www.boecker.de

Weitere Informationen zu den Unternehmen
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