Neue Biber für das Bautzener Rathaus

Für die Sanierung des großen Walmdachs des Rathauses in Bautzen waren enorme Mengen Material nötig: Die Dachdecker nutzten 50 000 Biberschwanzziegel und 12 km Dachlatten, um das Dach neu einzudecken. Neben den Dachdeckerarbeiten gehörten auch Maurer- und Zimmererarbeiten zum Auftrag. 

Das Dach des Bautzener Rathauses musste dringend saniert werden: Der Übergang zwischen dem Walmdach mit Mansarde und dem Turm des Rathauses war undicht und die Biberschwanzziegel waren nur unzureichend gesichert. Nach dem Herunterfallen mehrerer Ziegel während eines Sturms waren Teile des Dachs bereits mit Netzen gesichert. Es war also Eile geboten. Innerhalb eines Jahres wurden die Gelder für die Dachsanierung in den Haushalt eingestellt und entsprechende Angebote eingeholt.

Abschnittsweise Erneuerung

Dachdeckermeister Egon Gumprich, der den Auftrag zur Erneuerung des Biberschwanzziegeldachs erhielt, ist mit seinem Betrieb in Singwitz knapp sechs Kilometer vom Rathaus in Bautzen entfernt. Für die insgesamt 1220 m² große Dachfläche mussten nicht nur das Material ausgesucht und bestellt, sondern auch die Arbeiten eingeteilt werden. Neben den reinen Dachdeckerarbeiten gehörten auch Maurer- und Zimmererarbeiten zum Auftrag. Für die Dachdeckerarbeiten stellte Gumprich ein fünfköpfiges Team zusammen. Für die Maurer- und Zimmererarbeiten wurden zwei Subunternehmen beauftragt.

Im ersten Schritt wurden die vorhandenen Ziegel samt Lattung abschnittsweise entfernt. Anschließend überprüften Zimmerleute die Hölzer des Dachstuhls und erneuerten oder verstärkten, falls notwendig, das Tragwerk. Fast alle Sparrenköpfe mussten dabei ­erneuert werden, das ging nur abschnittsweise und kostete die Zimmerer viel Zeit. Danach konnten die Dachhandwerker das Dach in diesem Bereich wiederaufbauen. Dazu verlegten sie oberhalb der Sparren eine diffusionsoffene Unterspannbahn, die sie mit der Konterlattung fixierten. Gemäß der vorgesehenen Doppeldeckung mit Biberschwanzziegeln wurde die Fläche eingelattet. Abschließend deckten die Dachdecker die neuen Ziegel ein und schraubten sie entsprechend der zuvor durch Wienerberger erfolgten Windsogberechnung fest. Aufgrund der Erfahrungen aus der Vergangenheit forderte der Bauherr Sicherungsmaßnahmen, die über die im Regelwerk vorgegebenen hinausgehen. Objektbezogen gerechnet werden musste aufgrund der Höhe und der exponierten Lage des Gebäudes und wegen der Größe der Dachfläche.

Konvex gekrümmte Biberschwanzziegel

Als Neudeckung kamen „Koramic“-Biberschwanzziegel von Wienerberger zum Einsatz. Die Biberschwanzziegel gibt es in unterschiedlichen Formaten, Oberflächen und Farben. In diesem Fall fiel die Wahl auf „Koramic“-Biberschwanzziegel im Berliner Format 15,5/38 mit drei Rillen und Segmentschnitt in rotbunt geflammt. Das zuständige Denkmalamt hatte diese nach vorheriger Bemusterung gemeinsam mit dem Regierungspräsidium Dresden ausgewählt. Ähnliche Ziegel sind auf den Häusern der Altstadt verlegt, die das Rathaus umgeben. Die „Koramic“-Biberschwanzziegel sind werkseitig konvex gekrümmt. Das sorgt für eine belüftete und schnell austrocknende Dachfläche. Darüber hinaus lassen sich gekrümmte Ziegel besser verarbeiten. Die Dachdecker verschraubten die Ziegel auf dem Rathausdach an der neuen Lattung.

Von Fledermausgauben bis zur Rinnenheizung

Auf dem Walmdach mit Mansarde und angebautem Giebel musste das Team von Egon Gumprich insgesamt 13 Fledermausgauben in die Fläche einbinden. Hinzu kamen am Übergang zum Giebeldach eingebundene Kehlen in 3-Ziegelbreite mit Unterläufern links und rechts von insgesamt 32 m. Neben den 50 000 Bibern verarbeiteten die Handwerker 30 000 Nägel und zwölf Kilometer Dachlatten.

Auch das gesamte Dachentwässerungssystem sowie alle Abdeckungen und Wandanschlüsse wurden durch die fachkundigen Handwerker erneuert. In den Rinnen verlegten die Dachdecker zusätzlich eine temperaturgesteuerte Rinnenheizung, die ein Vereisen und die Bildung von Eiszapfen verhindert. Bei der Montage der Rinnenheizung unterstütze ein Elektriker das Dachdeckerteam von Egon Gumprich. Bei kleineren Objekten, etwa Einfamilienhäusern, verlegen die Dachdecker die Rinnenheizung aber auch selbständig ohne Elektriker. Besondere Sorgfalt ließ man an den Anschlusskehlen zum Rathausturm walten: Neben der Unterspannbahn verlegten die Dachdecker hier noch eine Blechkehle, die anschließend mit den Bibern überdeckt wurde.

Gut gerüstet für die Zukunft

Nach der umfassenden Sanierung des Dachs erstrahlt das Rathaus Bautzen in neuer alter Schönheit. Das mächtige Walmdach mit Mansarde, Fledermausgauben und den ansprechend eingebundenen Biberkehlen am Schmuckgiebel ziert das historisch bedeutsame Gebäude. Farblich ergänzt sich die rotbunt geflammte Biberschwanzziegeldeckung mit der sonnengel­ben Fassade. Dadurch ist das Rathaus auch dank der ­handwerklichen Leistung von Dachdeckermeister Gumprich und seinem Team für die kommenden Jahrhunderte bestens gerüstet.

Autor

Ronny Egermann ist technischer Berater für „Koramic“-Dachlösungen bei der Wienerberger GmbH in Hannover.

Nach der umfassenden Sanierung erstrahlt das Rathaus in neuer, alter Schönheit

Bautafel (Auswahl)

 

Projekt Sanierung des Walmdachs des Rathauses Bautzen, Erneuerung und Verstärkung des Dachstuhls, Neudeckung

Projektsteuerung/Ausführung Dachdeckermeister Egon Gumprich GmbH, 02692 Singwitz; www.dachdecker-gumprich.de

Holzbau Zimmerei Bänsch, 01906 Burkau, www.zimmerei-baensch.de

Dachziegel „Koramic“-Biberschwanzziegel im Berliner Format 15,5/38, mit drei Rippen und Segmentschnitt, rotbunt geflammt, Wienerberger GmbH, 30659 Hannover, www.wienerberger.de

Das Rathaus von Bautzen

Die Kreisstadt Bautzen im Osten Sachsens ist die historische Hauptstadt der Oberlausitz. Bautzen gilt unter Kennern als städtebauliches Juwel. Die Ortenburg, das Rathaus, verschiedene Kirchen und Türme ragen als Ensemble wie eine Krone in den Himmel. Das Rathaus als Sitz der Bürgerschaft nimmt dabei eine besondere Stellung ein. Immerhin reicht die Gründung des Gebäudes ins 13. Jahrhundert zurück.

Bereits sechs Mal wurde das über 800 Jahre alte Gemäuer umgestaltet, das lange Zeit auch als Kaufhaus genutzt wurde. Sein heutiges Erscheinungsbild geht auf einen Umbau von 1729 bis 1732 nach den Plänen von Johann Christoph von Naumann zurück. 1863 riss man jedoch die vorgelagerten Verkaufsläden ab und schuf eine an die Zeitströmung angelehnte Kolonnadenarchitektur. Das war der letzte größere Eingriff in die äußere Gestaltung des Rathauses, das zwischen Hauptmarkt und Fleischmarkt liegt.

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