Dämmstoff-Kombination für Berliner Dach

Holzfaser- und PIR-Dämmstoffe kombiniert in einem Flachdachaufbau

In der Soldiner Straße in Berlin wird ein so genanntes Berliner Dach zu hochwertigem Wohnraum ausgebaut. Damit das nach ökologischen und baubiologischen Kriterien gelingt, kam für den flach geneigten Teil des Daches eine Dämmstoff-Kombination aus PIR und Holzfaser zum Einsatz.

Das Berliner Dach ist ein asymmetrisch aufgebautes Scheinsatteldach: Auf der Straßenseite gaukelt die um 60 Grad geneigte Dachfläche ein Satteldach vor. Doch in Wirklichkeit handelt es sich dabei um eine abgeschnittene Satteldachfläche, die zum Hof hin als Flachdach oder minimal geneigtes Pultdach weitergeführt wird.

An das Flach- oder Pultdach schließt sich zum Hof hin in der Regel eine weitere, meist um 45 Grad geneigte Dachfläche an. Darüber hinaus gibt es auch Varianten, die einen zusätzlichen Satteldachfirst vortäuschen.

Fachtechnischer Tag in Berlin

Das Berliner Dach ist eine sehr wirtschaftliche Dachform, die nicht nur auf Berlin beschränkt blieb, sondern in der Gründerzeit auch in vielen anderen deutschen Großstädten in Mode kam. Die schrägen Dachflächen dieser Dächern sind in der Regel mit Ziegeln eingedeckt. Die flach geneigten Flächen dieser Dächer wurden früher meist als Holzzementdach oder mit Dachpappe auf einer Holzlattung ausgeführt. Der in der Regel als Trockenboden genutzte Dachraum eines solchen Daches bietet heute enormes Wohnraumpotential. Allein in Berlin halten nicht ausgebaute Dachgeschosse rund 300 000 m² Wohnfläche bereit. Das sind – nebenbei gesagt – etwa 300 Millionen Euro Umsatzpotential für Dachdecker und Zimmerer. Daher widmete sich der von Gutex in Kooperation mit der Landesinnung des Dachdeckerhandwerks Berlin und den Firmen X-Floc, Ampack und der Röhnert Holzhandelsgesellschaft Mitte April diesen Jahres in Berlin veranstaltete „Fachtechnische Tag“ diesem Thema. Gegenstand der Vorträge war der Ausbau eines Berliner Daches in der Soldiner Straße, der deutlich machte, dass man es bei allem Potential, das diese Dachform bietet, handwerklich und planerisch mit einigen Herausforderungen zu tun bekommt.

Feuchtigkeitsfalle im flach geneigten Dach

Ein wesentliches Problem steckt beim Ausbau und der Sanierung dieser Dachform im flach geneigten Teil des Daches: Feuchtigkeit, die aus der Konstruktion nicht entweichen kann, kann zur Verrottung der Tragschale führen. Das ist beim Warmdach der Fall, wenn die Feuchtigkeit innerhalb der Dämmung zwischen der dichten Flachdachabdichtung und einer Dampfbremse mit einem Diffusionswiderstand (sd-Wert) von mehr als 100 m hin und her wandert.

Norbert Pauly, Key Account Manager für Dachprodukte bei Gutex, fordert daher für diesen Fall einen diffusionsoffenen und belüfteten Aufbau aus zwei Dachschalen. Holzfaser wäre bei einem solchen Aufbau eigentlich ideal, da das Material auf der einen Seite für einen guten sommerlichen Hitzeschutz sorgt: Die Phasenverschiebung liegt beim vorliegenden Objekt  in der Soldiner Straße bei etwa 10,5 Stunden. Außerdem kann Holzfaser 15 Prozent ihres Eigengewichts an flüssigem Wasser temporär aufnehmen – quasi eine Sicherheitsreserve, wenn doch mal außerplanmäßig Feuchtigkeit anfallen sollte. Hinzu kommt dank des hohen spezifischen Gewichts ein guter Schallschutz. Anders sieht es jedoch beim Brandschutz aus: Holzfaserdämmplatten können glimmen und sind als „normal entflammbar“ eingestuft (Brandverhalten E nach Euronorm/ehemals B2).

Anders als in der Fassade gibt es im Dachbereich die Anforderung einer sogenannten „harten Bedachung“ – diese kann ein glimmender Dämmstoff direkt unter der Dachabdichtung nicht erfüllen.

Positive Eigenschaften kombiniert

Die Lösung bestand für den flachen Teil des Daches in einer Kombination aus zwei Dämmstoffen. „Während die diffusionsoffene Steildachsanierung mit ökologischen Dämmstoffen inzwischen zu den Standardkonstruktionen gehört, liegt der Schlüssel zum Erfolg bei flach geneigten Dächern darin, die positiven Eigenschaften verschiedener Dämmstoffe miteinander zu kombinieren“, sagt Norbert Pauly. Geschäumte Dämmstoffe sorgen dabei für die Einhaltung des Brandschutz-Kriteriums „harte Bedachung“ und für die Einsparung von Flächengewicht (alternativ auch mineralische Dämmstoffe bei der Anforderung „nicht brennbar“). Holzfaser sorgt für den Schall- und Hitzeschutz. Zudem wird dank der Flachdachdämmung der Taupunkt aus der Ebene der Holzfaserdämmung heraus verlagert. In der Soldiner Straße kam eine Flachdachdämmung aus PIR-Hartschaumplatten auf der Tragschale und eine Einblasdämmung aus Holzfasern darunter zur Ausführung. Darauf hatten sich die Hersteller Gutex und Bauder mit dem Bauherrn verständigt. Die dauerhafte Funktionalität der Dämmkonstruktion wurde im Planungsstadium durch Gutex mittels instationärem Feuchteschutznachweis (WUFI) überprüft und bestätigt. Darüber hinaus wurden die laut LBO Berlin einzuhaltenden Anforderungen an den Brandschutz in einem auf das Objekt bezogenen Brandschutzgutachten definiert.

Lose Holzfasern brauchen wenig Lagerfläche

Für die Mitarbeiter der mit den Arbeiten betrauten Berliner Dachdeckerei Heinrich hatten die losen Holzfasern auch noch einen logistischen Vorteil, der bei Dachausbauten in Innenstädten nicht zu vernachlässigen ist: Der Einblasdämmstoff ist stark komprimiert und muss nicht auf der Baustelle gelagert werden. Er wurde durch den Fachhändler zur Baustelle angeliefert und am gleichen Tag unter Einweisung durch einen Gutex-Anwendungstechniker per Einblasaggregat in den fünften Stock befördert.

Feuchtevariable Dampfbremse

Um nicht in die zuvor beschriebene Feuchtefalle zu tappen, mussten die Handwerker für die Einblasdämmung „Thermofibre“ im Flachdach eine feuchtevariable, häufig auch als feuchteadaptiv bezeichnete Dampfbremse verwenden. Nach oben kann die Feuchtigkeit aus der Dämmkonstruktion nicht entweichen, da auf der Tragschale aus OSB-Platten eine bituminöse Dampfsperre mit einen sd-Wert von über 1500 m liegt. Mit der innenseitig angeordneten, feuchtevariablen Dampfbremse („Ampatex Variano“) entsteht eine feuchtetolerantere Konstruktion. Diese Dampfbremse kann ihren sd-Wert in Abhängigkeit von der Feuchtigkeit zwischen 0,8 m und 60 m ändern (sd-Wert-Spreizung). Tritt im Gefach zusätzliche Feuchtigkeit auf, verringert sich der sd-Wert der Folie, so entsteht ein zusätzliches Feuchteabgabepotential nach innen. Dieses Potential steht dann insbesondere im Sommer zur Verfügung – hier stellt sich ein klimabedingter Diffusionsstrom von außen nach innen ein, von der warmen zur kalten Seite. Liegt hingegen trockene Raumluft im Winter in der Heizperiode an, erhöht sich der sd-Wert der Bahn und verhindert einen Eintritt von Feuchtigkeit von der Rauminnenseite in die Gefache.

Gewerkeübergabe sorgt für Sicherheit

Der Materialauswahl und dem Einbau der feuchtevariablen Dampfbremse kam bei der vorliegenden Dämmkonstruktion eine Schlüsselrolle zu. Eine Blower-Door-Messung mit Leckageortung dokumentiert für den Inhaber des Dachdecker-/ Zimmereibetriebs die fachgerechte Ausführung der Luftdichtigkeit ohne Leckagen. Sie war daher Bestandteil der Ausschreibung. Ergänzend dazu forderte der Planer zur Absicherung aller Baubeteiligten ebenfalls als Bestandteil der Ausschreibung eine schriftliche Gewerkeübergabe vom Handwerker an den Architekten beziehungsweise Bauherrn. Kommt es später doch zu Feuchteschäden am Dach, hat der Inhaber des Zimmerei- beziehungsweise Dachdeckerbetriebs einen Nachweis, dass Undichtigkeiten in der Dachkonstruktion, die möglicherweise schon zu Schäden geführt haben, nicht von seinen Mitarbeitern stammen können.

Autor

Dipl.-Ing. Thomas Wieckhorst ist Chefredakteur der Zeitschriften bauhandwerk und dach+holzbau.

Was ist ein Holzzementdach?

Das Holzzementdach ist ein Vorläufer des begrünten Flachdachs. Die Dachhaut besteht dabei aus Pack- und Ölpapier, das man seinerzeit mit Teer oder mit Pech mit der Holzschalung verklebte. Zum Schutz vor der Witterung und auch vor Feuer wurde die Dachhaut mit Kies und Sand bedeckt. Oder es wurde ein Substrat aufgebracht, auf das man Rasen säte und so eine Art Dachbegrünung erstellte.

Herstellerindex (Auswahl)

Holzfaserprodukte „Gutex Thermofibre“ und Unterdeckplatte „Gutex Multiplex-top“, Gutex, 79761 Waldshut-Tiengen, www.gutex.de

PIR-Dämmung „PIR FA“, Paul Bauder, 70499 Stuttgart, www.bauder.de

Dampfsperre und Flachdachabdichtung „Vedatop DUO“ und „SU“, Vedag, 96050 Bamberg, www.vedag.de

Dampfbremse „Ampatex Variano“, Ampack, 79539 Lörrach, www.ampack.de

Anschlussband „Wakaflex“, Braas, 61440 Oberursel, www.braas.de

OSB-Platten „Kronoply OSB/F****“, Swiss Krono, 16909 Heiligengrabe,

www.swisskrono.de

Einblasmaschine X-Floc, 71272 Renningen, www.x-floc.com

Gerüst Layher, 74361 Güglingen-Eibensbach, www.layher.com 

Bauaufzug Geda, 86663 Asbach-Bäumenheim, www.geda.de

Weitere Informationen zu den Unternehmen
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