Vom Meer direkt unters Dach

Neptunbälle sind wahrscheinlich schon vielen Menschen aufgefallen, die am Mittelmeer Urlaub gemacht haben. Die bis zu schneeballgroßen braunen Bälle sind ein Strandgut aus abgestorbenem Seegras. Ein findiger Professor hat daraus einen Dämmstoff hergestellt, der hervorragende Eigenschaften aufweist.

Professor Richard Meier unterschreibt seine E-Mails mit „nachhaltigen Grüßen“ und er ist wohl auch einer der wenigen, wo das wirklich zu passen scheint. Denn der emeritierte Professor der FH Heidelberg (Fakultät Architektur / Baustoffkunde) hat einen Dämmstoff zur Marktreife gebracht, der von vorne bis hinten nachhaltig (also nachwachsend) ist. Bis vor wenigen Jahren hatte Meier die kleinen, runden bis eiförmigen, braunen Neptunbälle, die von der Meeresbrandung so geformt und an die Mittelmeerstrände gespült werden, noch als nettes Urlaubsmitbringsel angesehen. Heute liefern sie den Rohstoff für sein Produkt, das von Natur aus viele Vorteile bringt.

Hervorragende Wärmedämmung, bester Brandschutz

So zum Beispiel die hervorragende Wärmedämmung mit einem Lambda-Wert von 0,043 W/mK und die Nicht-Brennbarkeit. Letzteres hat Architekt Meier durch Zufall entdeckt. „Wir waren am Strand unterwegs, und ein Freund wollte mit den Bällen ein Feuer machen“, erzählt Meier und sein Lachen nimmt die Pointe schon vorweg. „Es wollte einfach nicht brennen!“ Was damals für die vom Wind durchgefrorenen Männer Pech war, erwies sich als Vorteil für die Entwicklung eines ökologischen-Produktes. Normalerweise werden nämlich alle Dämmstoffe aus nachwachsenden Materialien zusätzlich mit Salzen (z.B. Boraten) behandelt, um das leidige Brandthema in den Griff zu bekommen. Das schützt dann zwar vor den Flammen, mindert aber das Ökologische bei den Öko-Produkten. Bei den Neptunbällen hilft von Natur aus der hohe Silikatanteil der Rohstoffpflanze, um die Flammen fern zu halten.

Der gescheiterte Brandversuch am Strand markierte den Startschuss, die noch sehr wage Idee in ein Produkt münden zu lassen. Er tüftelte, nahm Proben mit nach Hause, zerkleinerte die Bälle und wusch den Sand aus. Dann gab es Termine bei verschiedenen Bauinstituten, unter anderem auch beim Fraunhofer-Institut für Bauphysik, das seinem Dämmstoff einen hervorragenden Wert für den sommerlichen Hitzeschutz attestierte (20 Prozent besser als alle anderen nachwachsenden Rohstoffe und die gelten schon als besonders gut). Mit seinen Forschungsergebnissen ging er 2007 zum Patentamt und ließ sein Produkt patentieren.

Dämmung zum Stopfen, Einblasen, Ausschütten

Bis zur Marktreife sollte es noch ein wenig dauern. Seit 2010 aber hat Richard Meier mit seinem Unternehmen Neptutherm auch den Segen des Deutschen Instituts für Bautechnik (DIBT). Das zerkleinerte Material der Seegraspflanze kann zum Stopfen, Einblasen, als Fassaden-, Dach- oder Innendämmung verwendet werden. Auch das Aufbringen in die oberste Geschossdecke gelingt einfach. Derzeit steht sogar die Entwicklung einer Platte an. „Vielleicht wird es dieses Jahr noch etwas“, sagt Richard Meier. Das Schwierigste aber sei die Entwicklung eines geeigneten Klebers, denn der muss dann auch „öko“ sein.

Aber auch ohne die Platte ist der Erfolg gesichert. Denn alles was ein gutes Produkt ausmacht, können die Fasern vorweisen: gute Dämmeigenschaften, nachwachsend, geringer Primärenergieverbrauch. Und am Ende des Lebenszyklus kann das Rohmaterial einfach unter die Erde gemischt werden und verrottet. Der Kreislauf ist dann wieder geschlossen; das Material, das aus dem Wasser kommt, kehrt schlussendlich auch wieder dahin zurück.

Autor

Rüdiger Sinn ist verantwortlicher Redakteur der Zeitschrift dach+holzbau.

Neptunbälle: Entstehung und Ernte

Die Seegraspflanze Posidonia oceanica wächst vor allem im Frühjahr in den Flachwasserzonen des Mittelmeeres, es bilden sich sehr große, grün leuchtende Teppiche. Im Herbst verwelken die Blätter. Dann bleiben nur die Stiele und die Blattrippen zurück. Das ist der Rohstoff für die Neptunbälle. Durch die Meeresbrandung werden diese Reste zusammengepresst und zu runden Bällen geformt. Zusammen mit Partnern lässt Richard Meier in Tunesien und Albanien die Neptunbälle einsammel und dann in Containern nach Deutschland liefern.

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