Neues Herz auf alter Strecke
Betriebszentrums an der Station Laubenbachmühle mit Einfeldträgern aus Holz

Niederösterreich hat ein neues Wahrzeichen: Das neue Betriebszentrum an der Station Laubenbachmühle der Mariazellerbahn. Ein Entwurf mit hölzernem Dachtragwerk siegte beim Architektenwettbewerb. Die Rippenschale überspannt sämtliche Funktionsbereiche und lässt viel Tageslicht ins Gebäudeinnere.

Vor einigen Jahren haben die österreichischen Bundesbahnen beschlossen, sämtliche nicht rentable Nebenbahnen zu schließen. Das Land Niederösterreich hat daraufhin entschieden, einige Nebenbahnen – darunter auch die Mariazellerbahn – zu übernehmen und sie touristisch weiterzuführen.

Da die Strecke auch kulturhistorisch einzigartig ist, beschloss das Land, die Mariazellerbahn auszubauen und sie mit neuen Zügen und Zuggarnituren auszustatten. Gleichzeitig hatten die alten Werkstätten und Einrichtungen in St. Pölten bereits Museumscharakter, sodass auch ein neues Betriebszentrum für die technische Infrastruktur gebaut werden musste.

Touristisches Vorbild ist der Glacier Express

Für das neue Betriebszentrum wählte man die Station „Laubenbachmühle“ als idealen Standort. Ideal deshalb, weil sie nicht nur in der Mitte der Strecke liegt – hier beginnt auch die atemberaubende Fahrt nach Mariazell, bei der sich die Bahn in großen Serpentinen den Berg hinauf windet. Mit dem Ziel, ein touristisches Highlight nach dem Vorbild des Schweizer Glacier-Express zu schaffen, soll die Strecke möglichst viele Menschen anziehen.

Passenden Entwurf per Wettbewerb gefunden

Für das anspruchsvolle Projekt wurde im Jahr 2011 ein offener internationaler Generalplaner-Realisierungswettbewerb ausgeschrieben. Das Anforderungsprofil sah den Bau von drei Einheiten vor: eine Remisenhalle – also eine Garage für die Bahnen –, ein Werkstattgebäude und eine Bahnhofshalle. Das Gesamtensemble sollte neben den betrieblichen Funktionen auch touristische Aspekte berücksichtigen. Als Sieger ging das Wiener beziehungsweise das St. Pöltener Büro Zieser Architekt hervor.

Die Architekten fassten die Einheiten alle unter einem Dach zusammen und kreierten damit ein homogenes Gebäude. Sie punkteten gegenüber der Jury auch mit der Holzbauweise.

Hannes Zieser hat außerdem Werkstatt und Remise – anders als es bei eisenbahntechnischen Einrichtungen dieser Art üblich ist – hintereinander statt nebeneinander angeordnet und die Einheiten dennoch geschickt mit dem Durchgangsbahnhof kombiniert. Sie sind in der Tallinie auf Abstand aneinander gereiht und mit einer kleinen Drehung aus der horizontalen Bezugslinie geschwenkt. Die dadurch entstandene V-förmige „Lücke“ zwischen den Hallen ließ sich nun als großzügiger Eingangsbereich nutzen, der die Besucher zum Bahnsteig lenkt.

Die Rautenstruktur der tonnenartig geformten Dächer ist als Analogie auf sich kreuzende Gleise zu verstehen. Mit dem geschwungenen Dach haben die Architekten die langgezogenen hügeligen Bewuchsbänder der umgebenden Landschaft als Form aufgenommen. Dabei ist es ihnen auch gelungen, die Hallen so zu integrieren, dass ihre Höhe kaum auffällt.

Die Gebäudeform folgt der Funktion

Die Abmessungen der Remisen- und der Werkstatthalle waren mit rund 64 m Länge und etwa 37,5 m Breite durch die Länge der Züge und die nebeneinander liegenden Gleise von Anfang an vorgegeben. In die Remise können fünf Bahnen eingestellt werden, direkt daneben liegt die Waschhalle mit dem sechsten Gleis und einige Nebenräumen. In der Werkstatthalle kommen drei Gleise unter und daran angrenzend verschiedene Lager-, Arbeits-, Haustechnik- und Aufenthaltsräume sowie Umkleiden und sanitäre Anlagen.

Die Gebäudehöhe von bis zu 12 m und die Radien des geschwungenen Tonnendaches mit ansteigendem Endbereich haben sich aus dem Lichtraumprofil der Bahnen, den Mindestabständen zwischen Bahn, Oberleitung und Dach / Werkstatteinrichtungen ergeben.

Rautenbild aus langen Haupt- und diagonal anschließenden Nebenträgern

Die beiden spiegelgleichen Hallenbaukörper haben jeweils vier Längsachsen (A, B, B’ und C) im Abstand von plusminus 11 m. Drei davon bilden die Auflagerlinien für die Dachkonstruktion: Für die Endauflager in den Achsen A sahen die Tragwerksplaner eine Stahlbetonrippenwand vor. Als Mittelauflager in den Achsen B dienen Stahlbetonwände beziehungsweise wandartige Stahlbetonträger auf Stützen. Die Endauflager der Achsen C bilden Stahl-Doppelstützen mit dazwischen gehängten, beplankten Holz-Fachwerkwänden.

Die rund 36 m langen Brettschicht(BS-)Holz-Hauptträger (b/h = 24 cm x 110-150-123 cm, GL32) des Dachtragwerks überspannen in Form von Bogenbindern die drei Achsen im Abstand von 5 m, wobei das erste Feld (A-B) knapp 11 m misst und das zweite (B-C) etwa 22 m.

Während die Binder in den Endauflagern gelenkig angeschlossen sind – zum einen an die aus der Stahlbetonrippenwand heraus geführten Hammerstützen, zum andern an die Stahl-Doppelstützen – sind sie in den zinnenartig geformten Wandkronen des Mittelauflagers gabelgelagert.

Die etwa 12 m langen BS-Holz-Nebenträger – ebenfalls Bogenbinder mit variabler Höhe (b/h = 22 cm x 150-123 cm / 138-150 cm / 110-138 cm, GL24) – schließen mit einem Winkel von rund 25° diagonal zwischen ihnen an und überspannen damit jeweils ein 11 m-Längsachsenfeld. So treffen Haupt- und Nebenträger an den Auflagern immer in einem Punkt zusammen beziehungsweise „kreuzen“ sich in der Mitte des großen Feldes. Daraus ergibt sich die dreiecks- beziehungsweise rautenförmige Netzstruktur, in die der Architekt auch Oberlichter integriert hat.

Die Firma Rubner Holzbau GmbH (vormals Glöckel) in Obergrafendorf (A) wurde mit der Werkplanung, dem Abbund und der Montage der Dachkonstruktion beauftragt. Bei der Entwicklung der Anschlussknoten setzte man auf das Know-how des Ingenieurbüros RWT plus und die Projekterfahrung des Rubner-Teams. Für die spitz anschließenden Nebenträger entwickelten sie einen Anschluss mit speziell aufgeschraubten Stahlplatten, der dann auf der Baustelle über einen Bolzen verbunden werden konnte. Diese Lösung ermöglichte eine einfache und schnelle Montage und eine fast unsichtbare Verbindung. Die Planungsdaten wurden über ein millimetergenaues 3D-CAD-Modell im CNC-Abbund umgesetzt.

Installationsebene unter der Dachschale

Das Brandschutzkonzept sah für das gesamte Gebäude eine Sprinkleranlage vor. Um für diese und auch weitere Installationen (Elektrisch usw. ) eine flexible Leitungsführung zu ermöglichen, wurde zwischen Tragwerk und Dachschale eine durchlaufende Installationsebene über eine Aufdoppelung der Dachschale an der Unterseite vorgesehen. Die Installationslattung ist deckungsgleich mit den Rippen der Dachelemente angeordnet und dient gleichzeitig als Unterkonstruktion für die Deckenuntersicht. Diese Lösung schloss die Ausbildung der Dachschale als aussteifende Scheibe weitestgehend aus, was im Hinblick auf die Vielzahl der Oberlichter auch kaum möglich war.

Die Kippstabilisierung der Hauptträger erfolgt im Achsabstand von +/- 11 m. Einerseits werden die Binder über eine Gabellagerung in den Stahlbetonwänden gehalten, andererseits sorgen verdrehsteife Anschlüsse an den trägergleichen Unterzügen in der Bahnhofshalle für ihre stabile Lage.

Im Endauflagerbereich, über den Lichtbändern der Außenwände, wurden sie über eine entsprechende Verschraubung mit den Dachelementen – und teilweise in Kombination mit einzelnen Stahlauskreuzungen – stabilisiert. Im Bereich der 22 m Hallenspannweiten gibt es außerdem verstärkte Rippen in der Dachschale, die als durchlaufende Zug-/Druckriegel ausgebildet sind und im 5 m breiten Giebel-Endfeld in „lokale Dachscheiben“ einbinden. Diese leiten die Stabilisierungskräfte in die Stahlbetonwand beziehungsweise den Stabilisierungspunkt der Außenwand ein.↓

Strebenböcke in den Fachwerkwänden als „Ersatzstütze“

Die Fachwerkwände, die über Stahlkonsolen zwischen den Stahlstützen eingehängt sind, wurden als 4 m hohe und 10 m lange Elemente vorgefertigt. Sie bestehen aus einem starken Ober- und Untergurt sowie einem Strebenbock in A-Form mit einem vertikalen Stiel. Sie sind gedämmt und beidseitig beplankt. Der Strebenbock ist in Elementmitte platziert und nimmt – da nur alle 10 m eine Stahlstütze steht – die Lasten der im 5-m-Abstand aufliegenden Hauptträger als „Ersatzstütze“ auf und leitet sie in die benachbarten Stahlstützen ein.

Bahnhof ist mit Einfeldträgern überdacht

Die Achse C ist die Übergangsachse zwischen Werkstatt beziehungsweise Remise und der Bahnhofsüberdachung. Ihr Tragwerk ist nach dem gleichen Prinzip konzipiert wie das der übrigen Dächer. Hier fungiert als Mittelauflager allerdings ein trägergleicher Unterzug, der auf Stahl-Doppelstützen aufliegt. An diesen schließen die Haupt- und Nebenträger als Einfeldträger an.

Alle Dachelemente sind wärmegedämmt und haben eine feuchteadaptive Dampfbremse – außer denjenigen in der Waschstraße. Diese erhielten eine dampfdichte Folie, um Eindringen von Feuchtigkeit in die Konstruktion zu verhindern.

Die Untersicht der Dachelemente – auch hier mit Ausnahme der Waschstraße – bilden gelochte Dreischichtplatten. Die Akustikprofilierung sorgt dafür, dass die Anforderungen an die Nachhallzeit in den verschiedenen Hallenbereichen erfüllt werden.

Die Laubenbachmühle im Reise- und Kulturfokus

Ziemlich genau 13 Monate nach Bekanntgabe des Wettbewerbsergebnisses fuhr bereits der erste Zug auf den neu verlegten Gleisen. Eine durchaus rekordverdächtige Bauzeit. Das neue Betriebszentrum wird 2015 Teil der Niederösterreichischen Landesausstellung sein und damit auch als innovatives Gebäude in den Fokus der Öffentlichkeit rücken. Wer außerdem mit der Mariazellerbahn nach St. Pölten fährt, erreicht kurz vorher den Bahnhof Ober-Grafendorf, den Geburtsort der BS-Holz-Binder dieses Projektes. ↓

Autorin

Dipl.-Ing. (FH) Susanne Jacob-Freitag ist Baufachjournalistin und widmet sich vor allem Holzbauthemen.

Die Architekten planten einen Holzbau, da man in

Niederösterreich auf ökologische Bauweisen setzt

Ein speziell entwickelter Anschlussknoten ermöglicht die leichte Montage

Bautafel (Auswahl)

Bauvorhaben Betriebszentrum Mariazellerbahn / Laubenbachmühle A-3213 Frankenfels

Bauherr NÖVOG Niederösterreichische Verkehrsorganisationsgesellschaft m.b.H., A-3100 St. Pölten

Bauzeit Dezember 2011 bis Mai 2013

Baukosten 20 Mio. Euro (netto)

Architekt/Generalplaner Architekt Zieser Ziviltechniker GmbH, A-3100 St. Pölten und A-1010 Wien, www.zieserarchitekt.com

Tragwerksplanung Holzbau, Tragwerk-Details RWT plus ZT GmbH, Dipl.-Ing. Dr. Richard Woschitz, Projektleitung: Ing. Anton Oster MSc., A-1010 Wien, www.rwt.at

Ausführung und Werkplanung Holzbau Rubner Holzbau GmbH, Team: Stefan Inschlag, A-3200 Ober-Grafendorf, www.rubner.com

Im Internet finden Sie weitere Fotos und Zeichnungen vom Bauprojekt Laubenbachmühle in ­Österreich. Geben Sie hierzu bitte den Webcode in die Suchleiste ein.

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