Hölzerne Himmelsschraube
Höchster öffentlich zugänglicher Aussichtsturm der Welt aus Holz entstand in Kärnten

In Kärnten, auf dem Pyramidenkogel oberhalb des Wörthersees, steht der höchste überwiegend aus Holz konstruierte und öffentlich zugängliche Aussichtsturm der Welt. Gebaut wurde die Turmhülle mit 16 Brettschichtholzstützen, die sich korbartig um das Treppenhaus mit Gebäuderutsche und den zentralen Lift schließen.

Technikzylinder und Antennenspitze eingerechnet, ragt der Turm aus Brettschicht(BS)-Holz 100 m hoch in den Himmel. Vom ellipsenförmigen Grundriss ausgehend, bilden zehn jeweils um 22,5 Grad versetzte Ebenen eine Schraubenform bis zur höchsten Besucheretage in knapp 71 m Höhe. 16 Brettschichtholzstützen aus Lärche, die sich korbartig um das Treppenhaus mit integrierter Gebäuderutsche – die längste Europas – und den zentralen Lift schließen, halten die Konstruktion. Zehn stählerne Ellipsen (geschweißte Stahlkästen) im Abstand von 6,40 m und 80 Diagonalstreben aus Rundrohren steifen die ungewöhnliche Konstruktion aus.

Der Holzturm bettet sich landschaftsgerecht
in die Umgebung ein

Am 12. Oktober 2012 fiel auf dem Pyramidenkogel nach kontrollierter Sprengung der mit 40 Jahren ausgediente alte Aussichtsturm aus Stahlbeton. Der neue sollte anders sein, ein attraktives Wahrzeichen in der touristisch geprägten Region – nicht nur höher, sondern auch landschaftsgerechter und aus einem Baumaterial, das umweltgerechte Standards erfüllt. So stammt das verbaute, PEFC-zertifizierte Holz beispielsweise aus den nahe gelegenen Hohen Tauern. Das stand bereits 2007 fest, nachdem die Gemeinde dem Wettbewerbsteam aus den Klagenfurter Architekten Klaura + Kaden + Partner und den Tragwerksplanern Lackner + Raml aus Villach für den mutigen Planungsvorschlag den Zuschlag gegeben hatte. In diesen Büros waren die Planer auf das Spiel mit der Ellipse und der Schraubenform gekommen, und sie waren auch bereit, für ein solches Projekt aus Verbundenheit zur Heimat echte Pionierarbeit zu leisten. „Uns war klar, dass wir mit diesem Turm die Grenze der Leistungsfähigkeit des modernen Holzbaus ausloten müssen – unser Team und natürlich auch der Tragwerksplaner und die Bauausführenden. Doch der skulpturale Charakter und die beeindruckende Dimension in Verbindung mit dem großflächigen und massiven Einsatz von Holz waren schnell zur persönlichen Herausforderung geworden – etwas für Kärnten zu erschaffen, das es so bisher nirgends auf der Welt gab“, sagen die Architekten Markus Klaura und ­Dietmar Kaden. Schon die Vorarbeiten waren enorm aufwändig: Der Turm wurde maßstabsgetreu im ­Windkanal getestet, um die Träger statisch und wirtschaftlich optimal bemessen zu können. Auch ein geotechnisches Gutachten wurde eingeholt. Der Baubeginn sollte sich aber um Jahre verzögern, auch wegen ungeklärter Fragen seitens der Bauherrenschaft.

Höchste Präzision und null Toleranz

Anfang des Jahres war es dann aber soweit: Nach der Fertigstellung des 800 t-Betonfundaments, das mit acht Stahlankern 20 m tief im Fels gegründet wurde, konnte die Arge Rubner-Zeman den Turmbau im Februar 2013 schließlich aufnehmen. Der Rohbau war schon nach zwei Monaten fertig, am 20. Juni folgte bereits die Eröffnung. Die Arbeit erforderte höchste Präzision: „Vom ersten Tag der Vorfertigung im Ober-Grafendorfer Werk von Rubner Holzbau bis zur Endmontage auf der Baustelle musste jeder Schritt exakt stimmen“, sagt Tragwerksplaner Markus Lackner. Nun würde sich zeigen, ob die vielen Detaillösungen im gesamten System mit der zwingend notwendigen Genauigkeit in der Praxis umsetzbar waren. Auch die Verbindungselemente von Zeman waren allesamt Sonderbauteile. „Nulltoleranz war die Forderung an jeden Beteiligten“, sagt Tragwerksplaner Lackner. Trotz Eis, Wind und Schnee kamen die Monteure der Arge Rubner-Zeman zügig voran – und alles passte perfekt. Bei den bis zu neun Tonnen schweren Brettschichtholzträgern mit Längen bis zu 27 m und bei einer Gesamthöhe der zweimal gestoßenen Stützen von 74 m eine logistische und bauliche Höchstleistung.

Konstruktiver Holzschutz bei der Knotenausbildung

Die 48 melaminharzverleimten Einzelelemente (27 beziehungsweise 13,5 m) wurden im Hinblick auf die Robustheit, Langlebigkeit und Einheitlichkeit bei der Ausführung des Tragwerks in konstanter Dimension (144 x 32 cm) und je nach statischen Erfordernissen in den Festigkeitsklassen Gl28c, Gl28h und Gl32h ausgeführt. Eine stabverleimte Decklamelle verhindert Wassereintritt in die Blockfugen. So kann das unbehandelte Lärchenholz, im alpinen Raum am Fuß des Glockners sehr langsam gewachsen, der oberflächlichen Bewitterung über Jahrzehnte problemlos standhalten. Für die Tragwerksplanung war der konstruktive Holzschutz schon im Entwurf zentrales Thema: So entstehen zum Beispiel durch die schlangenförmige Anordnung der Stützen in vertikalen Ebenen sehr steile bis senkrechte Flächen, die dem Wasser keine dauerhaften Angriffspunkte bieten. Für die Fachwerksknoten – die Verbindung von Träger und Stahl – musste eine besondere konstruktive Lösung für den Holzschutz entwickelt werden. Darüber hinaus musste eine dauerhaft sichere Krafteinleitung ins Holz, einfache Montage und Wartung sowie Wirtschaftlichkeit berücksichtigt werden. Zum Einsatz kamen schließlich H-förmige Stahlprofile und Bolzen mit Innengewinde, die von Rubner Holzbau Ober-Grafendorf in der Vorfertigung präzise eingefügt und mit Epoxidharz eingeklebt wurden. Diese Verbindungstechnik mit gleichzeitiger Versiegelung verhindert den Wassereintritt in die Knoten und schützt das Holz. Der Anschluss der Ringelemente und Diagonalstreben erfolgte zudem auf Abstand, so dass Feuchtigkeit automatisch von der Konstruktion abgeführt wird. „Die exakte Vorfertigung und zeitgerechte Lieferung trug nicht nur wesentlich zum raschen Baufortschritt bei“, sagt Bauleiter Günther Meinhardt von Rubner Holzbau: „Sie erleichterte es unseren Monteuren enorm, alle Verbindungen auf der Baustelle fachgerecht und sicher auszuführen.“

Schritt für Schritt-Montage

Die Montage von solch hohen Bauwerken ist schwierig, da ab einer gewissen Höhe keine Abstrebungen zum Boden möglich sind. Deshalb wurde ein Montagekonzept entwickelt bei dem die Struktur kontinuierlich mitwächst: Der erste „Schuss“, also der erste Bauabschnitt, bestand aus einem Ring zinnenförmig angeordneter Holzstützen, es wechselten sich lange (26 m) und kurze (13 m) Stützen ab. Diese bildeten, zusammen mit den elliptischen Stahlringen und den Diagonalen, die ersten zwei Stockwerke und ragten zum Teil in die nächsten zwei Stockwerke hinauf. Im zweiten Schritt konnten zwischen die hochragenden langen Teile auf die dazwischen liegenden kürzeren Teile die nächsten langen Stützen montiert werden. Jeder neuen Stütze boten sich 5 Punkte zum Anschluss an die schon bestehende Konstruktion an. Somit waren auch keine Abstrebungen zum Boden notwendig. Dieser Vorgang wurde so lange fortgesetzt, bis die endgültige Höhe erreicht war.

Attraktionen Skybox und Rutsche

Konzipiert ist der Turm für eine Nutzungsdauer von mindestens 40 Jahren. Für den Betrachter wirkt die Konstruktion mit ihrer elegant geschwungenen Taillierung schlank und leicht – verbaut wurden indes 600 m³ Holz sowie 300 t Stahl.

Das Basisgebäude am Erdboden (mit einer Fläche von 700 m²) mit Foyer, Ticketschalter, Shop und Restaurant wurde aus Gründen des Brandschutzes in massiver Bauweise ausgeführt. Vom Atrium aus gelangen Besucher – ausgelegt ist der Turm für 500 zur gleichen Zeit – über die 440 Stufen der Panoramatreppe oder den gläsernen Lift durch den Turm zu einer der drei Aussichtsplattformen. In diesen wurden 100 m³ Brett-
sperrholz aus Fichte verbaut. In der neunten und zehnten Etage schimmert die „Skybox“, ein witterungsgeschützter Raum mit Glasfassade, der für besondere Anlässe gemietet werden kann. Der Einstieg in die mit Bullaugen ausgestattete Röhre der Rutsche liegt auf 52 m. Von hier geht es über eine Länge von 120 m in einer Spirale mit bis zu über 20 km/h abwärts zum Fuß des Aussichtsturms. Weit mehr als 100 000 Besucher jährlich soll die neue Attraktion in Kärnten anlocken, und darunter werden viele sein, die nicht nur für Berge, Wälder und Seen einen Blick haben: „Wir haben von Fachleuten aus vielen Ländern der Welt euphorische Reaktionen erhalten“, erklären Klaura und Kaden, „und so mancher aus der Branche wird sich das Werk sicher einmal ganz aus der Nähe ansehen wollen – so wie die mehr als 85 000 Besucher allein in den ersten sechs Wochen.“ Im September 2013 wurden schon 200 000 Besucher gezählt.

Autor

Tim Reisenbüchler ist Agrarwissenschaftler und arbeitet seit mehr als 15 Jahren als Fachtexter. Seine thematischen Schwerpunkte im Bereich Architektur sind Objektberichte sowie Bauen & Wohnen mit Holz.

Die vielen Detaillösungen mit der zwingend notwendigen Genauigkeit konnten umgesetzt werden. Alles passte perfekt

Beim Bau wurde ein Montagekonzept entwickelt, bei dem die Struktur kontinuierlich mitwächst

Im Internet finden Sie weitere Fotos vom Bau des Holzturms auf dem Pyramidenkogel. Geben Sie hierzu bitte den Webcode in die Suchleiste ein.

„Das Projekt hat den Holzbau
nach vorn gebracht“

Der Holzbau ist wieder einmal in neue
Dimensionen vorgedrungen. In Kärnten wurde mit knapp 100 m ein Holz-Stahl-Hybridturm aus Brettschichtholz gebaut. Über den Bau sprachen wir mit Helmut Hödl von Rubner Holzbau.

Interview: Rüdiger Sinn

dach+holzbau: Herr Hödl, herzlichen Glückwunsch zu diesem – nicht nur hohen – sondern auch sehr ästhetischen Bauwerk auf dem Pyramidenkogel. Wurde hier denn mit einer Höhe von knapp 100 m eine Grenze erreicht oder einfach nur eine Marke durchbrochen?

Helmut Hödl: Wir haben hier eine Marke durchbrochen, die Grenzen sind sicherlich höher, weil statisch und konstruktiv noch vieles möglich ist.

Haben Sie eine Ahnung, wo die Grenze liegen könnte?

Das ist immer eine Frage, von welcher Basis am Boden man ausgeht. Bei gleichartigem Bauwerk läge die Grenze wohl so bei 150 Metern. Das heißt aber nicht, dass man nicht höher bauen kann. Wenn man die Basis, also die Grundfläche, größer macht, kann man auch höher bauen.

Der Holzschutz spielt bei voll bewitterten Bauteilen immer eine Rolle. Konnte mit dem konstruktiven Holzschutz hier alles zufriedenstellend gelöst werden oder gab es auch Schutzanstriche?

Es waren keine Anstriche nötig, wir konnten alles mit konstruktiven Elementen zufriedenstellend lösen.

Inwiefern spielte hier die Holzauswahl eine Rolle?

Die Holzauswahl war sehr wichtig und hat eine sehr große Rolle gespielt. Wir haben hier Lärchenholz verwendet, das durch seine Feinmaserigkeit für die Bewitterung von Außenteilen geeignet ist. So brauchte es auch keinen Holzschutz.

Gibt es denn statische / technische Grenzen für die Länge der Holzbauteile, oder sind die nur rein  logistisch in der Fertigung begründet?

Es gibt Längenbegrenzungen, sie liegen momentan zwischen 50 und 60 Metern. In diesem Fall hatte die Länge der Bauteile aber nichts mit der Fertigung zu tun. Die Länge war transporttechnisch aufgrund der Zufahrtswege optimiert und angepasst. Man muss sich immer auch den räumlichen Gegebenheiten und den Möglichkeiten auf der Baustelle anpassen.

Es wurden Modelltests im Windkanal gemacht, um die Fertigungsdimensionen auszuloten. Inwiefern hat der Holzturm auf dem Pyramidenkogel die Entwicklung im Holzbau nach vorn gebracht?

Ich glaube, dass dieses Projekt den Holzbau schon sehr nach vorne gebracht hat, weil die Öffentlichkeit sieht, welche tollen architektonischen und technischen Lösungen im Holzbau realisierbar sind. Auch von der Ästhetik und der Machbarkeit hat der Aussichtsturm sicherlich den Holzbau weiter gebracht. Es gibt meines Wissens kaum ein Objekt, das solche Medienpräsenz hervorgerufen hat und insofern steht der Holzbau nun in einem ganz anderen Licht da.

Wenn Sie eine Prognose abgeben sollten, was glauben Sie: Wo stehen wir im Ingenieurholzbau in zehn Jahren?

Der Werkstoff Holz wird sich wie jedes innovative Produkt weiterentwickeln. Die Grenzen werden immer weiter nach oben verschoben. Auch an Marktanteilen wird der Holzbau gegenüber anderen Materialien sicherlich zulegen.

Herr Hödl, wir bedanken uns für dieses Gespräch.

Bautafel (Auswahl)


Projekt Holzturm auf dem Pyramidenkogel,
9074 Keutschach am See

Architekt Klaura + Kaden + Partner,
A-9020 Klagenfurt, www.klaura-kaden.at

Tragwerksplanung Lackner + Raml,
A-9500 Villach, www.lackner-raml.at 

Holzbau Rubner Holzbau, A-3200 Ober-Grafendorf (Fertigung) und A-Finkenstein, (Projektabwicklung + Montage), www.holzbau.rubner.com

Stahlbau Zeman, A-1120 Wien,
www.zeman-stahl.com

Bauherr Pyramidenkogel Infrastruktur,
A-9020 Klagenfurt, www.pyramidenkogel-ktn.at

Baukosten 8,0 Mio. Euro gesamt, Turm 4,5 Mio. Euro, Holz- und Stahlbau 3,0 Mio. Euro

Bauzeit 5 Monate, davon Turmrohbau 2 Monate

Holzeinsatz 500 m³ BSH (Lärche), 100 m³ BSP (Fichte)

Stahleinsatz 300 t

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