Größter Verwaltungsbau Europas
Neubau eines vierstöckigen Verwaltungsgebäudes aus Holz in Lübeck

Der Holzbau kommt überall an, auch im Norden von Deutschland: In Lübeck wurde Ende vergangenen Jahres ein vierstöckiger Verwaltungsbau fertiggestellt. Beim derzeit größten Verwaltungsbau Europas aus Holz (vom Bauvolumen gerechnet) musste allerdings ein ausgeklügeltes Brandschutzkonzept erstellt werden.

Das derzeit europaweit größte Bürogebäude in Holzbauweise konnte Ende letzten Jahres nach nur 14 Monaten Bauzeit schlüsselfertig übergeben werden. Das viergeschossige Verwaltungsgebäude der Stadtwerke Lübeck wurde nicht nur von der Tragstruktur bis zur Fassade aus ausschließlich zertifiziertem Holz gefertigt, sondern erreicht durch die hochwärmegedämmte Fassade Passivhausstandard. Durch ein Energiekonzept, das die Nahwärme eines Blockheizkraftwerkes (von den Stadtwerken) nutzt und einer zusätzlichen Stromversorgung mit zwei Kleinwindanlagen, erzielt der Bau sogar ein Energieplus. Den Auftraggebern lag es am Herzen, das nachhaltige und Ressourcen schonende Konzept durch viel sichtbares Holz im Innenraum und an der Fassade auch nach außen zu tragen.

Mix aus verschiedenen Holzbauweisen

Das Gebäude setzt sich aus zwei L-förmigen Winkeln zusammen, die so einen Hofbereich mit hohen Aufenthaltsqualitäten umschließen. Verbunden werden die beiden Gebäudeteile an der Straßenseite durch das gebäudehohe Foyer, sowie eine außenliegende Wendeltreppe mit Stegen auf der Rückseite des Gebäudekomplexes. Beeindruckend ist der erste Kontakt für den Besucher über den Eingangsbereich mit seinem viergeschossigen Luftraum, in den das Treppenhaus aus Stahl sowie der Aufzug eingestellt sind. Vorder- und Rückfassade des Foyers bestehen aus einer 15 m hohen und 13,50 m breiten Pfosten-Riegelkonstruktion mit Drei-Scheiben-Passivhaus-Verglasung.

Der Neubau mit einem Volumen von 51 000 m3 vereint gleich verschiedene Holzbauweisen in einem schlüssigen Gesamtkonzept. Getragen von einem Holzskelettbau aus Brettschichtholzträgern und -stützen, mit Decken- und Dachelementen aus Brettsperrholz im System Leno und einer Gebäudehülle in Holzrahmenbauweise, werden die jeweiligen Stärken der Bauweisen optimal für die jeweiligen Ansprüche genutzt. Lediglich die notwendigen Treppenhäuser, die Brandwände, die Bodenplatte sowie eine Teilunterkellerung an der Nordostseite des Gebäudes sind in Beton ausgeführt und unterstützen den Holzbau an diesen Stellen auch statisch, sie dienen als ausstei­fende Kerne. Vorgefertigt wurden dabei die Brettschichtholzelemente von der Firma Stephan Holzbau in Gaildorf und die Leno-Deckenplatten sowie die Holzrahmenbau-Elemente von der Firma Merk Timber und zwar während die Stahlbetonbauteile in Lübeck bereits hochgezogen wurden. „Das waren fast die spannendsten Momente auf der Baustelle, als die CNC-gefertigten, bis zu 30 m langen Unterzüge angeliefert wurden und exakt in die vorhandenen Lücken eingepasst werden mussten“, berichtet Steven Kellner, Projektleiter bei Züblin. Auch die mit Metalllaschen versehenen Gerberträger der Außenwand mussten genau an die dazu passenden Stützen, die ebenfalls mit Stahlanschlussblechen versehen waren, montierbar sein.

Horizontale und vertikale Lastabtragung

Durch die gewählte Gebäudeform ergeben sich im Grundriss sich aufweitende Mittelflure, die gleichzeitig als breite Kommunikationsflächen genutzt werden können. An den Innen- und Außenseiten befinden sich Büroräume für ein bis zwei Personen im Ein- oder Zweiachsmaß, wobei eine Achse 1,35 m entspricht. In den Bereichen der abgerundeten Außenecken sind großzügiger bemessene Räume angeordnet, die auch als Besprechungsräume oder für Schulungszwecke genutzt werden können.

Im statischen Konzept des Skelettbaus war die scherenförmige Struktur des Grundrisses ein wichtiger Aspekt. So gibt es nun in jedem Gebäudeschenkel eine Mittelachse, zwei Innen- und zwei Außenachsen, entlang derer die Unterzüge und somit auch die Stützen verlaufen. Die Deckenelemente aus Leno-Brettsperrholz spannen dabei jeweils über zwei Felder, die sich durch die Geometrie des Gebäudes alle leicht unterscheiden. Um die 2-Feld-Elemente zusammenzufügen und diese so statisch als Scheibe wirken lassen zu können, wurden sie mit so genannten Stoßdeckungsleisten (aus Kerto-Q-Streifen) kraftschlüssig miteinander verbunden. Hierfür wurden diese überlappend, jeweils in einen Randfalz der Deckenelemente eingelassen, verschraubt. An statischen Brennpunkten mit hohen Lasten wurden zusätzlich Windrispenbänder und speziell angefertigte Zuglaschen aus Stahl ergänzt. Um die Horizontalkräfte außerdem in die Stahlbetonkerne einbringen zu können und so ein Wegdrehen der Holztragstruktur zu verhindern, wurden die Deckenscheiben schließlich über eingegossene Stahlteile und aufgedübelte Stahlwinkel mit diesen verbunden.

Die vertikalen Lasten wiederum werden im Prinzip von Stütze zu Stütze nach unten geleitet. Hier entstehen sehr spannende Knotenpunkte, denn die Stützen stehen zwar übereinander, die Lasten müssen aber durch die bis zu 60 cm hohen Unterzüge geleitet werden. Hierfür wurden werkseitig in die Unterzüge Stahlstangen mit am Ende aufgedrehtem Gewinde verklebt (als Knickaussteifung im Unterzug). Auch die dazugehörigen Kopfplatten mit Schlitzblechen waren somit bereits an den Unterzügen vormontiert, so dass diese auf der Baustelle mit Stabdübeln an den Stützenköpfen fixiert und anschließend mit Holzdübeln verstöpselt werden konnten. An den Stützenfüßen der darauf stehenden Stütze wurden zur Aufnahme der Stahlstangen aus dem Unterzug Stahlplatten mit Löchern aufgeschraubt. Eine besondere Funktion erfüllen dabei die dazugehörigen Sechskantmuttern mit Bund, die als Punktlager im Knotenpunkt Stütz- und Presskräfte übernehmen und gleichmäßig weiterleiten. Die 16,5 cm starken Deckenelemente sind an den Stützen ausgespart, so dass sie nicht von den Stützenlasten betroffen sind. Zudem sitzen die Stahlknoten auf diese Weise nicht sichtbar in der Deckenebene. Durch eine verdeckte Brandschutzummantelung der Stützenfüße werden an diesem Punkt schließlich nicht nur die hohen statischen, sondern auch die brandschutztechnischen Anforderungen in einer schlanken und unauffälligen Optik erfüllt.

Gebäude mit Passivhausstandard

Da es sich bei dem mehrgeschossigen Holzbau um ein Passivhaus handelt, ist der Blick auf die Gebäudehülle interessant. Sie besteht aus geschosshohen, bis zu 16,20 m langen, vorgefertigten Holzrahmenbau-Elementen mit einer 24 cm starken Wärmedämmung (Mineralfaser) und 3-fach verglasten Holz-Alu-Fenstern, die wärmebrückenfrei an das Haupttragwerk angeschlossen wurden. Die vorgehängte Fassade gliedert sich streifenweise in eine geschlossene Vollholzschalung aus Lärchenholz und lindgrünen großformatigen Fassadenplatten aus Trespa-Faserzement. Eine Kombination, die die „grüne Architekturauffassung“ der Bauherrin auf erfrischende Weise nach außen trägt. Der Aufbau der Fassade erreicht einen U-Wert von 0,279 W/m2K und trägt damit einen wesentlichen Teil zum Passivhausstandard des Gebäudes bei. Insgesamt wurde allerdings ein ganzheitliches Energiekonzept verfolgt, bei dem die Wärmedämmung der Gebäudehülle nicht zu stark überbewertet werden sollte. „Wir haben, gemeinsam mit dem Züblin-eigenen Energieberater immer nach effektiven und wirtschaftlichen Stellschrauben gesucht, an denen wir drehen konnten, um ein sinnvolles Gesamtkonzept zu erreichen“, erläutert Projektleiter Kellner. „Neben der kompakten Bauform und dem somit günstigen A-V-Verhältnis haben wir nach pfiffigen Detaillösungen gesucht. So wurden beispielsweise die Lüftungsrohre so dimensioniert, dass die Lüftung mit einem geringeren Druck gefahren werden kann. Solche Überlegungen sind enorm effizient“, sagt Steven Kellner.

Individuelles Brandschutzkonzept

Für das Verwaltungsgebäude wurde gemeinsam mit der Brandschutzbehörde, der Feuerwehr, weiteren Sachverständigen und dem Generalunternehmer ein spezielles Brandschutzkonzept erarbeitet, in dem berücksichtigt werden musste, dass auch im Gebäudeinneren möglichst viel Holz sichtbar bleiben sollte.

Für den Büro- und Verwaltungsbau, der nach der Landesbauordnung von Schleswig Holstein in die Gebäudeklasse 4 eingestuft wurde, war eine Feuerwiderstandsklasse von F60 erforderlich. Für die Dachdecke und die Holzrahmenbau-Elemente der Fassade wurde diese auf F30 reduziert. Der gesamte Gebäudekomplex gliedert sich in sechs Brandabschnitte, die durch gebäudehohe Stahlbeton-Brandwände voneinander getrennt sind. Für sämtliche Decken-, Stützen- und Trägerquerschnitte aus BS-Holz konnte der Brandschutz mit der geforderten Feuerwiderstandsklasse F60 für das gesamte Tragwerk ohne weitere Beplankung, allein über den Abbrand, nachgewiesen werden. Die nichttragenden Innen- und Außenwände erhielten eine Bekleidung mit OSB-, Gipsfaser- oder Gipskartonplatten. Auch das als Massivbau ausgeführte Treppenhaus mit den angegliederten Brandwänden trägt als Fluchtweg zum Brandschutzkonzept bei.

Auch das Thema Schallschutz wurde berücksichtigt, gerade in einem Gebäude mit Holzdecken ist dies von Bedeutung. Die Planer entschieden sich, neben der Schall-Entkoppelung sämtlicher Übertragungswege, auf die Leno-Holzdecken 8 cm latexgebundene Splittschüttung aufzubringen. Deren Masse beeinflusst das Schwingungsverhalten der Decke optimal und trägt zum guten Trittschallschutz bei.

Gute Kooperation aller Beteiligten

Die ökologisch und technisch hohen Anforderungen des Projekts wurden, nicht zuletzt durch eine funktionierende Kooperation aller Beteiligten – GU, Architekten, Fachplaner und Handwerker –, in einer sehr kurzen Ausführungsdauer in ein sehr gutes Ergebnis umgesetzt. Mit der Fertigstellung arbeiten in dem neuen Verwaltungsgebäude nun rund 430 Menschen.

Autorin

Dipl. Ing. Nina Greve lebt und arbeitet als freie Bau- und Architektur-Journalistin in Lübeck, www.abteilung12.de.

Die Holzdecken leiten die Horzontalkräfte durch die Befestigung in die massiven Treppenhäuser

Um im Innenbereich viel sichtbares Holz zu zeigen, musste ein schlüssiges Brandschutzkonzept erstellt werden

Zusammenarbeit funktionierte

Den Entwurf und die Leitdetails des Gebäudes lieferte das Architekturbüro Klein architekten in einem 2011 ausgelobten Wettbewerb. Diesem folgte ein Verhandlungsverfahren, bei dem die Entscheidung auf die Stuttgarter Ed. Züblin AG fiel, die im weiteren Prozess als Totalunternehmerin für alle Leistungsphasen der HOAI ab Genehmigungsplanung zuständig war. In enger Zusammenarbeit mit Züblin und dem Architekturbüro übernahm das Planungsbüro Rohling AG (pbr) die Ausführungsplanung.

Bautafel (Auswahl)

Projekt  vierstöckiges Büro- und Verwaltungs­gebäude aus Holz in Lübeck

Bauherrin Stadtwerke Lübeck GmbH, 23547 Lübeck

Generalunternehmer Ed.Züblin AG, 07743 Jena

in Zusammenarbeit mit Merk Timber GmbH,

Züblin Holzingenieurbau, 8

6551 Aichach

BS-Holzherstellung Stephan Holzbau GmbH, Züblin Holzingenieurbau, 74405 Gaildorf

Leno-Elemente Merk Timber GmbH, Züblin Holzingenieurbau, 86551 Aichach

Entwurf / Leitdetail Architekturbüro Klein Architekten, 55257 Budenheim

Brandschutzkonzept bauart Konstruktions GmbH+Co KG, 36341 Lauterbach

Werkplanung pbr Planungsbüro Rohling AG, 07745 Jena

Bauweise Holzskelett-Konstruktion kombiniert mit Stahlbeton und Mauerwerk

Energiestandard Passivhaus / Energie-Plus-Gebäude

Bauzeit Januar bis April 2014 (Holzbau)

Fertigstellung  November 2014

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