Beurteilung von Dachdeckungen

In Teil 1 beschrieb der Autor die ökologischen Aspekte zur Beurteilung von nachhaltigen Dachbaustoffen und erläuterte die Argumente für das Kundengespräch. Allerdings können auch bautechnische Aspekte Entscheidungshilfen bei der Wahl von Dachbaustoffen geben.

Das Thema Schallschutz zeigt es: Schon seit längerem war bekannt, dass Dachsteine bessere Schallschutzeigenschaften als Dachziegel bieten. So wurden am Schallschutzzentrum des ift Rosenheim validierende Prüfungen von Dachaufbauten mit Aufdachdämmung und unterschiedlichen Dachdeckungen auf einem Standardprüfstand mit 12 m² Fläche durchgeführt. Diese Untersuchungen haben ergeben, dass Dachdeckungen mit Dachsteinen ein bis zu 3 dB günstigeres Schalldämm-Maß haben als Dachdeckungen mit Dachziegeln. Gegenüber Dachkonstruktionen mit Blech- und Schiefer-Deckung weisen Dachsteine sogar einen bis zu 7 dB günstigeren Schalldämmwert auf. Dies kann sowohl auf die geringere flächenbezogene Masse dieser Dachdeckungen zurückgeführt werden, als auch auf Resonanzschwingungen der zusätzlichen Schalung.

Die Experten waren zunächst von der deutlichen 3 dB Differenz der Schalldämm-Maße beim Vergleich zwischen Dachziegeln und Dachsteinen überrascht. So wurde in weiteren Untersuchungen der Einfluss der Fugendurchlässigkeit einer Dachdeckung untersucht. Diese Prüfungen der reinen Dachdeckungen auf einem kleineren Standardprüfstand mit 2 m² Fläche bestätigten die gute Schalldämmung von Dachsteinen. Im Vergleich der Ergebnisse ergab sich sogar mehr als eine Verdopplung des Unterschiedes, nämlich eine Reduktion um bis zu 7 dB bei Dachsteinen im Vergleich zu Dachziegeln.

Gründe sind die durchschnittlich geringeren Fugendurchlässigkeiten von Dachsteindeckungen gegenüber Dachziegeldeckungen. Dabei ist die Geometrie der Überdeckungsbereiche der maßgenauen Dachsteine ein wesentlicher Faktor.

In Verbindung mit weiteren konstruktiven Maßnahmen wie dem Einbau von Aufdach-Dämmsystemen wie zum Beispiel „Braas Clima Comfort“ in Verbindung mit einer DWD-Platte sowie der Entkopplung des Dämmsystems mit Doppelgewindeschrauben und der raumseitigen Bekleidung mit Federschienen können mit Dachsteindeckungen auch Lärmschutzdächer für hohe Anforderungen geplant werden.

Exkurs „7Grad Dach“

Moderne Architektur sieht häufig, vor allem aus vermeintlich wirtschaftlichen Gründen den Einsatz von flach geneigten Dächern vor. Häufig wird der obere Abschluss des Gebäudes mit einem flach geneigten Pult-Dach ausgeführt. Konsequenterweise wurde das „7Grad Dach“ entwickelt. Als ein besonderes System hat es sich bei flachen Dachneigungen von 7 bis 12 Grad in den letzten Jahren etabliert. In diesem System inklusive Unterkonstruktion können Dachdeckungen mit speziellen Dachsteinen ausgeführt werden, die eine Unterschreitung der Mindestdachneigung ermöglichen. Die Gleichwertigkeit der Leistung des „7Grad Dach“-Systems mit Dachkonstruktionen, die die Regeldachneigung einhalten, wurde in umfangreichen Versuchsreihen im Labor sowie im Windkanal und unter Freibewitterung durch den Hersteller nachgewiesen und von der TU Berlin bestätigt.

Als komplettes Dachsystem für den Bereich zwischen 7° und 12° Dachneigung ist es mit wasserundurch­lässiger, dabei aber hochdampfdiffusionsoffener ­Un­­­­­­­­terkonstruktion ausgestattet und bietet so gute Voraussetzungen für eine dauerhaft trockene Dach­konstruktion bezogen auf Feuchtigkeit aus dem Gebäudeinneren sowie auch gegen Feuchtigkeit von außen. Grundlage für die Funktionssicherheit des „7Grad“-Dachsystems von Braas ist, dass sowohl eine spezielle Dachdeckung als auch eine verpflichtend einzusetzende Unterkonstruktion, die den umfangreichen Systemprüfungen des Herstellers entspricht, eingesetzt wird. Die Systemkomponenten in der Fläche und den Detailbereichen dürfen nicht verändert werden und die zugehörigen Verlegevorgaben sind einzuhalten.

Das komplette System umfasst als verpflichtend einzusetzende Bestandteile den Dachstein „Harzer Pfanne F+“ mit Regensperre, die Unterkonstruktion auf druckfester Unterlage zum Beispiel einer Schalung mit der dampfdiffusionsoffenen Unterdeckbahn „Divoroll Top RU“ oder der „Divoroll Premium WU“ sowie den Einsatz abgestimmter Kleb- und Dichtstoffe. Weitere abgestimmte Systembestandteile (zum Beispiel für Wand- oder Kaminanschlüsse, Durchdringungen, Befestigung von Solaranlagen etc.) können je nach Anforderung erforderlich sein.

Bei der „Harzer Pfanne F+“ handelt es sich um einen im unternehmenseigenen Windkanal speziell konstruierten Dachstein, der im Überdeckungsbereich mit einer integrierten Regensperre ausgerüstet ist. Somit ist auch bei geringen Dachneigungen sowie unter widrigen Wetterbedingungen eine funktionssichere Dachdeckung des Systems sichergestellt. Als Zusatzmaßnahme im System mit wasserundurchlässiger Wirkung fungiert die verklebte Bahn „Divoroll Top RU“, die als Unterdach mit einer Freibewitterungszeit von sechs Wochen selbstverständlich auch als Behelfsdeckung geeignet ist. Alternativ kann diese Unterkonstruktion auch mit der untereinander zu verschweißenden „Divoroll Premium WU“ gemäß Verlegeanleitung ausgeführt werden. Dabei können die Bahnen entweder auf Schalung oder zum Beispiel der durchtrittsicheren Aufsparrendämmung „Clima Comfort“ eingesetzt werden.

Autor
Horst Pavel ist Leiter der Anwendungstechnik bei der Braas GmbH in Oberursel.

Vergleich der Schalldämm-Maße eines Dachaufbaus mit Aufdachdämmung und unterschiedlichen Dachdeckungen:

a)    Dachsteine, m‘ = 43 kg/m2, Rw = 51 dB

b)    Dachziegel, m‘ = 42 kg/m2, Rw = 48 dB

c)    Biberschwanz, m‘ = 55 kg/m2, Rw = 54 dB

d)    Blecheindeckung auf Schalung, m‘ = 17 kg/m2, Rw = 44 dB

e)    Schiefer auf Schalung, m‘ = 36 kg/m2, Rw = 44 dB

Mit Dachziegel ist hier in der Untersuchung ein Falzziegel gemeint; diese weisen durch ihre Körpergeometrie im Überdeckungsbereich höhere Fugendurchlässigkeiten auf als Dachsteindeckungen. Bei Biberschwanzdeckungen gibt es einerseits eine höhere Masse andererseits durch die Deckart der überdeckten Fugen auch geringere Fugendurchlässigkeiten. Aber im direkten Vergleich stehen Dachziegel als Falzziegel und Dachsteine, weil die einerseits eine vergleichbare Deckart wie auch ein vergleichbares Flächengewicht aufweisen.

Vom Schutzdach zum Nutzdach

Für das geneigte Dach sind die Perspektiven aus technischer, aber auch aus ökologischer Sicht günstig. Die Aufgaben durch die gesetzlichen Rahmenbedingungen sind klar aufgestellt. Nach Feststellung des Bundesbauministeriums entfallen auf den Gebäudesektor rund 34 Prozent des gesamten Endenergieverbrauchs (1996: 43%). Damit sind Wohngebäude nicht unwesentlich an den gesamten CO2-Emissionen beteiligt. Aus diesem Grund sieht die europäische Effizienzrichtlinie für Gebäude vor, dass alle Neubauten ab dem Jahr 2021 dem Null-Energie-Richtwert entsprechen. Das bedeutet, dass mindestens so viel Energie im Gebäude erzeugt wird, wie jährlich verbraucht oder bezogen wird. Techniken zur Energieerzeugung gibt es in immer effizienterer Form für den Privatnutzer. Auch wenn die Einspeisevergütung für Solarstrom reduziert wurde, kommt der Photovoltaik eine Schlüsselrolle zu. Effiziente und immer günstigere Speichertechnologien unterstützen den Eigenverbrauch des selbsterzeugten Stroms.

Thermische Solaranlage

Das geneigte Dach ist ein idealer Standort für eine thermische Solaranlage. Durch dachintegrierte Lösungen können ästhetisch ansprechende Wege in der Dachgestaltung gefunden werden. Als eigenständiges „hartes“ Bedachungsmaterial übernehmen Indach-Lösungen auch die Eigenschaften der Dachdeckung, wie den Schutz vor Regen und den Brandschutz. Vorteilhaft ist, dass dabei die Dachdeckung nicht durchdrungen und gegebenenfalls in ihrer Funktion eingeschränkt wird. Die auftretenden Kräfte aus Windsog und Schnee werden direkt in die Dachunterkonstruktion eingeleitet.

Die Thermokollektoren werden als vormontierte Anlage mit integriertem Eindeckrahmen und einer traufseitigen Schürze wie Dachfenster in die Dachdeckung eingebunden. Der integrierte Eindeckrahmen erlaubt eine Einbindung unabhängig vom Dachpfannenmodell. Die Montage erfolgt mit dem Kran und ist schnell erledigt. Der Kollektor ist intern fertig verschaltet, die durch die Dachdeckung geführten Leitungen müssen nur noch vom Heizungsbauer angeschlossen werden. Auch die Speicherung von Brauchwasser oder zur Heizungsunterstützung kann als Beratungsleistung des Dachhandwerkers im Komplettsystem mit dem Thermokollektor angeboten werden.

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