90 Prozent Holz
Der Woodcube auf der Internationalen Bauausstellung IBA in Hamburg

Die Internationale Bauausstellung IBA in Hamburg hat auch einige interessante Projekte für den Holzbau hervorgebracht. Herausragendes Beispiel für ökologisches Bauen mit Holz ist der Woodcube, ein fünfstöckiges Wohnhaus. Die Holztafelelemente sind dabei leimfrei hergestellt, die Gesamtenergiebilanz vorbildlich.

Holzbau ist ökologisch! Damit wirbt die Holzbaubranche – aber das stimmt nicht immer. Mit vielfach überstrapazierten Begriffen wie „ökologisch“ und „nachhaltig“, „innovativ“, aber auch „energieeffizient“ suggerieren Unternehmen, dass sie mit dabei sind beim ach so grünen, umweltfreundlichen Bauen. Es gilt, Handwerker und Verbraucher auf seine Seite zu bringen, und es ist fast schon der Normalfall, dass eine Fassade mit WDV-System als „nachhaltig“ bezeichnet wird, obwohl sie nur im Betrieb des Hauses Energie einspart.

Dieser Irrtum, diese sprachliche Unschärfe, die geradezu einer Verbrauchertäuschung gleicht, können wir nur begegnen, wenn wir uns der Begrifflichkeit nähern und präzise sind. Sprachlich haben wir alle Möglichkeiten, und so sollten wir eigentlich immer von „ökologischer im Vergleich zu etwas anderem“ sprechen. Denn rein „ökologisch“ wäre er, der Holzbau, wenn tatsächlich alle Bauteile am Ende eines Bauteillebens wieder in die Umwelt gelangen dürften, ohne dass sie Schaden nimmt. Das ist das Prinzip „Cradle to Cradle“, also von der Wiege bis zur Wiege, etabliert von Michael Braungart von der EPEA (Environmental Protection Encouragement Agency). Aber ist das so? Mitnichten, auch nicht beim Holzbau, das wissen alle, die sich mit der Stofflichkeit dieses Rohstoffs genauer befassen. Das beginnt bei Klebern für Holzfaserdämmstoffe (auch wenn es hier inzwischen alternative Lösungen gibt) und geht über Folien, Schäume, mineralische Dämmstoffe, Klebstoffe bei Brettsperrholz, Schrauben, Metallverbinder, Verbundwerkstoffe, etc.

Fast 100 Prozent ökologisch

Bei der IBA 2013 in Hamburg sticht ein Holzbauprojekt geradezu hervor und hebt sich positiv ab. Beim Woodcube, als Teil der Reihe „Smart Material Houses“ realisiert, sind die Bauelemente aus Holz „Cradle to Cradle“-zertifiziert, und so kann man das gesamte Bauwerk als fast 100 Prozent ökologisch bezeichnen. Im Vergleich zu anderen Bauten aus mineralischen Werkstoffen ist es herausragend, im Holzbau vorbildlich. Die Holzbauteile bestehen aus unbehandeltem, getrocknetem, gesägtem und gehobeltem Holz. Während andere innerstädtische Holzbauten im Durchschnitt einen Holzanteil von 40 Prozent aufweisen (meist hinter Fassaden oder Kapselungen versteckt), sind es beim Woodcube über 90 Prozent.

Der Bauinvestor Matthias Korff, der deutschlandweit Immobilienprojekte betreut, hat die Einstofflichkeit des Bauteils Holz für sich entdeckt und setzte die eigenen Ansprüche entsprechend hoch: „Unser Ziel ist es, das klimaneutralste und gesündeste Wohngebäude herzustellen. Ein Wohngebäude mit Vorbildfunktion, das nicht nur den niedrigsten Heizenergiebedarf verspricht, sondern über seinen gesamten Lebenszyklus hinweg Schadstoffe weder erzeugt noch hinterlässt“ – ist auf der Internetseite zu lesen. Und tatsächlich: Die eingesetzten Baumaterialien lassen wenig Wünsche offen, hinsichtlich der Schadstoffe, die sie (nicht) emittieren, wie auch beim Einsatz der sogenannten grauen Energie, also der Energie, die beim Herstellungsprozess entsteht.

Das fünfgeschossige kubische Wohnhaus aus Holz beherbergt auf 900 m2 acht Wohneinheiten mit jeweils zwei bis sechs Räumen. Die Wohnflächen variieren zwischen 190 und 70 m2. „Wir bauen kein architektonisch außergewöhnliches Haus. Wir bauen ein Haus für die Zukunft“, erklärt Korff. „Beton, Wärmedämmverbundsysteme und Ziegel brauchen in der Herstellung sehr viel Energie, das fällt beim Woodcube weg.“ Nur das Treppenhaus besteht aus Stahlbeton, der Rest ist reines, unverleimtes Vollholz. Dass sich Holzbau und Holzbau unterscheiden, war dem Projektentwickler klar. Statt der ursprünglichen Konstruktion mit verleimten BSpH-Elementen entschied man sich für Holzelemente, die ohne Leim auskommen. „Im Mehrfamilienhausbau ist das ein absolutes Novum“, betont Woodcube-Initiator Korff.

Mondholz aus Österreich ist der

Rohstoff für die Holzelemente

Das Holz kommt vom Unternehmen Thoma aus Österreich. Firmeninhaber Erwin Thoma ist Tüftler, Traditionalist, Visionär und gleichzeitig Buchautor („Die geheime Sprache der Bäume“, „Die sanfte Medizin der Bäume“). Die Besonderheit der dort produzierten Werkstoffe: Das Holz wird nach den Mondphasen immer bei abnehmendem Mond geschlagen. „Das wirkt sich positiv auf die Langlebigkeit und die Resistenz gegen Holzschädlinge aus“, sagt Thoma. Zudem verringere sich das Schwundverhalten.

1998 wird das Holzbauelement Holz100, eine Holzwerkstoffverbundplatte, zum ersten Mal hergestellt und zum Patent angemeldet. Die mehrlagigen Elemente werden aus Kanthölzern und Brettern aus Tannenholz, Fichte und Lärche vertikal, horizontal und diagonal geschichtet und mittels Holzdübel miteinander verbunden. Das Unternehmen Thoma wirbt dann auch mit dem Slogan „100 Prozent Holz“ – die Einstofflichkeit soll die Natürlichkeit des Baustoffes garantieren und „atmende Wände ohne Kondensat und Schimmel“ garantieren. Die Holzdübel werden im sehr trockenen Zustand eingepresst, quellen deshalb im Verbund auf und verbinden sich beim Quellvorgang kraftschlüssig und unlösbar in der Wand, „fest wie verwachsene Äste“, betont Unternehmer Thoma.

Die Wandstärke der Holz100-Elemente beim Woodcube misst 32 cm, integriert ist eine Holzweichfaserplatte. Obwohl die Elemente schon eine gute Winddichtigkeit haben sollen, wurde zwischen zwei Brettlagen auf der Außenseite eine Fassadenschalungsbahn auf Zellulosebasis aufgebracht. Die Fassade selbst ist wiederum aus Holz. Eine unbehandelte Lärchenholzschalung wurde horizontal angebracht und mit einer Hinterlüftung versehen.

So besteht der gesamte Baukörper, die Wände und die Decken aus Holz, verzichtet wurde auf Verleimungen, Nägel und Schrauben sowie Kunststoffbahnen. Eine weitere Holzbehandlung gibt es nicht. Eine Besonderheit ist die extrem gute Wärmedämmleistung der Holz100-Elemente. Durch die eingefrästen Rillen auf den Bretterlagen gibt es viele Lufteinschlüsse, die an den Abschnitten verschlossen werden. Die stehenden Lufteinschlüsse erhöhen die sowieso schon sehr gute Dämmleistung des Nadelholzes (0,13 W/mK) auf einen Lambdawert von 0,079 W/mK, laut Unternehmen Thoma ist das der Rekord unter den statisch tragenden Baustoffen.

Sehr gute Dämmleistung, hoher Wohnkomfort

Mit der sehr guten Dämmleistung geht ein hoher Wohnkomfort einher. Die Holzwände puffern Feuchtigkeit und sorgen für einen für den Menschen idealen Feuchtigkeitsbereich von 35 bis 55 Prozent relative Luftfeuchte. Diese Luftfeuchte beugt unter anderem der Schimmelbildung und dem Entstehen von Milben vor. Beides kann Allergien auslösen.

Durch die hohe Vorfertigung konnte das Gebäude innerhalb von fünf Wochen aufgerichtet werden. Rund um den Erschließungskern aus Stahlbeton platzierten die Handwerker die Wand und Deckenelemente, letztere stützenfrei. Hier kamen Metallwinkel und Schrauben zum Einsatz. Die Holzdecken wurden ebenfalls aus Holz100-Elementen, allerdings in einer Dicke von 23 cm, gefertigt. Wärmebrückenfrei fügen sich die Balkonelemente ein: Sie reichen vom Erschließungskern und bis über die Außenwände nach ganz außen.

Sehr gute Ökobilanz bestätigt

Die Ökobilanz für den Woodcube fällt sehr gut aus. Die Bilanzierung übernahm die ina-Planungsgesellschaft mbH in Darmstadt. Bestätigt wurde ein Null-CO2-Haus in Konstruktion und Betrieb. Photovoltaikmodule auf dem Dach sorgen für die Stromerzeugung. Kein anderes vergleichbares Gebäude habe dies bislang erreicht (zumindest wurde kein anderes bilanziert). Interessant ist die Aussage, die auch die Politik interessieren dürfte und nach der sich in Zukunft eigentlich Zuschüsse und KfW-Förderprogramme richten sollten: Für die CO2-Emissionen aus Konstruktion und Betrieb eines konventionellen Gebäudes über 50 Jahre könnten in etwa 70 Woodcubes hergestellt und betrieben werden.

Autor

Rüdiger Sinn ist verantwortlicher Redakteur der Zeitschrift dach+holzbau.

„Wir wollten das klimaneutralste und gesündeste Wohngebäude herstellen“

Durch Lufteinschlüsse in den Bretterlagen verbessert sich die Dämmleistung der Holz100-Elemente

Guter Brandschutz, gleichzeitig Schutz vor elektromagnetischer Strahlung

Der beim Woodcube eingesetzten Holz100-Wand wurden hervorragende physische Eigenschaften zugewiesen. Im Gegensatz zu anderen Materialien schirmt die Konstruktion zum Beispiel 99,99 Prozent der auftreffenden Hochfrequenzstrahlung ab. Handystrahlung hat also keine Chance. 

In Zusammenarbeit mit der TU-Darmstadt wurde ein eigenes Brandschutzkonzept erstellt. Das Ergebnis: Holz leistet im Brandfall 3 bis 5 mal länger Widerstand als Beton oder Ziegel, ein dicker Holzblock brennt nicht, er verkohlt nur auf der Oberfläche. Die sehr guten statischen Eigenschaften bleiben bei Holz wesentlich länger erhalten als zum Beispiel bei Stahlbetonkonstruktionen.

Bautafel (Auswahl)

Bauträger Woodcube Hamburg GmbH, 21109 Hamburg, www.woodcube-hamburg.de, www.deepgreen-development.de

Architekten architekturagentur, 70176 Stuttgart, www.architekturagentur.de

Holzbau Erwin Thoma Holz GmbH, A-5622 Goldegg, www.thoma.at

Statik Ingenieur Isenmann, Büro für Tragwerksplanung und Bauwesen, 77716 Haslach, www.isenmann-ingenieure.de

Ökobilanz ina Planungsgesellschaft mbH, 64287 Darmstadt, www.i-na.de

Brandschutz TSB Ingenieurgesellschaft mbH, 64285 Darmstadt

Im Internet finden Sie weitere Fotos und Grafiken des Woodcube in Hamburg. Geben Sie hierzu bitte den Webcode in die Suchleiste ein.

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