Peter Bachmann, Geschäftsführer des Sentinel Haus Instituts, im Interview

Wo kommen Schadstoffe in Gebäuden her, welchen Anteil haben Emissionen aus Holz und Holzwerkstoffen? Auf diese Fragen will das Forschungsprojekt „Holzbau für gesündere Gebäude“ Antworten geben. Nun werden aufgeschlossene Holzbaubetriebe gesucht, um Referenzobjekte umzusetzen.

dach+holzbau: Herr Bachmann, können Sie kurz schildern, wie Sie bei dem Projekt vorgehen?

Peter Bachmann: Zuerst haben wir Baustoffe und Produkte auf deren Eignung (Formaldehyd, Lösemittel und Geruch) für schadstoffgeprüfte, gesündere Gebäude geprüft. Diese werden in die Datenbank des TÜV Rheinlands und Sentinel Haus Instituts integriert. Im zweiten Schritt wurden aus den verschiedenen Baustoffen der beteiligten Partner sogenannte Bauteilsysteme zusammengestellt. Das sind zum Beispiel ein kompletter Wandaufbau, eine Decke oder ein Dach. Denn der Bauunternehmer haftet in der Regel für ganze Systeme. Diese kompletten Bauteile, von der Außenbekleidung bis hin zur Innenfarbe oder dem Bodenbelag, werden in Prüfkammern bei TÜV Rheinland auf Schadstoffe hin untersucht.

Was passiert mit den Ergebnissen?

Die Ergebnisse werden natürlich veröffentlicht, es ist ja ein Forschungsprojekt, aber Unternehmen und Bauherren werden geschützt. Das bedeutet, dass jegliche Kommunikation eng mit den beteiligten Unternehmen abgestimmt wird. Fehler können passieren, jedoch darf das Unternehmen nicht dafür bestraft werden, dass es neue und innovative Wege geht.

Welche Ziele verfolgen Sie und die Partner mit dem Projekt „Holzbau für gesündere Gebäude“?

Wir wollen zeigen, wie leistungsfähig der Holzbau auch beim Thema gesundheitliche Qualitätssicherung ist. Und zwar nicht nur anhand von Annahmen oder Behauptungen, sondern auf Fakten basierend und wissenschaftlich mit genormten Prüfverfahren untermauert.

Da gibt es sicherlich viele Fragen seitens der Holzbauer, oder?

Genau, und deshalb geben wir auf folgende Fragen Antworten für den Zimmermann und für die Bauherren:

1. Welche Rolle spielen Holzwerkstoffe für die gesundheitliche Qualität?

2. Welche Bedeutung haben ökologische Farben und Oberflächen?

3. Bringen Farben, Kleber und Lacke Wechselwirkungen und Geruchsprobleme mit?

4. Welche Bedeutung haben die Verarbeitungsprozesse auf der Baustelle?

Ganz wichtig ist uns die praktische Umsetzung, denn wir wollen zeigen, dass gesündere Gebäude planbar, machbar und bezahlbar sind.

Es gab und gibt doch schon zahlreiche Forschungsprojekte, die sich mit Emissionen aus Holz und Holzwerkstoffen beschäftigen. Warum noch ein gesondertes Projekt?

Grundlagenforschung im Labor ist wichtig und richtig und die Ergebnisse finden bei uns auch Berücksichtigung. Uns geht es aber zusätzlich um die ganz konkrete Umsetzung in Planung, Kalkulation und dann auf der Baustelle. Welchen Anteil haben Emissionen aus Holz oder Holzwerkstoffen, wo kommen andere Schadstoffe aus den vielen hundert anderen Bauprodukten her, aus denen ein Gebäude besteht?

Zudem wird die Rolle der Handwerker bei der Erstellung gesünderer Gebäude häufig unterschätzt. Denn was den Kunden letztlich interessiert, ist sein fertiges Gebäude. Erkenntnisse unter reinen Laborbedingungen oder zu einzelnen Baustoffen sind Bausteine für dieses Gesamtergebnis.

Denken Sie, dass der Markt bereit ist für wohngesundes Bauen?

Ja, denn einerseits steigt das Bewusstsein für eine gesündere Lebensweise stetig an, denken Sie nur an die Themen Ernährung und Fitness. Andererseits spielen Gebäude, in denen wir uns zu 80 Prozent unserer Lebenszeit aufhalten, eine zentrale Rolle für unser Wohlbefinden. Auch öffentliche und private Auftraggeber wissen um die Bedeutung, weil sie verantwortlich sind für die Gesundheit der Nutzer.

Die Baustoffzulassung wurde aufgrund eines Urteils des europäischen Gerichtshofs geändert, welche Auswirkungen hat das aus Ihrer Sicht?

Die Novellierung hat viel Verantwortung von der staatlichen Ebene auf die privatwirtschaftliche Ebene verlagert. Gerade für die Akteure der Holzbaubranche entstehen neue Herausforderungen durch das EuGH-Urteil. Ein Qualitätsmanagement auf Baustoff- und Produktebene ist künftig unerlässlich. Zudem gibt es eine zunehmende Zahl von Holzbauunternehmen, die ihre Gebäude regulär auf Schadstoffe prüfen lassen, sozusagen Raumgesundheit serienmäßig, um ihren Bauherren die hohe Qualität unter Beweis zu stellen.

Sie suchen noch Holzbauunternehmen und Zimmereien für den Bau von Referenzobjekten. Welche Rolle haben die Unternehmen in dem Projekt und was können sie erwarten?

Das Unternehmen muss für das Thema gesundheitliche Qualität aufgeschlossen sein. Es braucht die Bereitschaft, gewohnte Produkte und Prozesse in Frage zu stellen. In der Regel geht es zwar nur um wenige Produkte, jedoch ist das für ein Unternehmen eine wesentliche Veränderung. Wichtig ist, dass bei dem geplanten Objekt die Auswahl der Baustoffe noch offen ist, andererseits sollte sich das Projekt schon konkret in der Planung befinden und auch realisiert werden. Die Unternehmen sind dabei einerseits Partner und andererseits Experten für die praktische Umsetzung.

Ist das Engagement der Betriebe mit Kosten verbunden?

Ja, es ist mit Kosten verbunden, jedoch erhält der Betrieb das gesamte Know-how und Schulungen zum halben Preis. Durch das Projekt werden die Verantwortlichen und die Mitarbeiter in die Lage versetzt, künftig alle Gebäude nach verlässlichen gesundheitlichen Kriterien zu planen und zu bauen. Der ohnehin erforderliche Schritt auf Grundlage des EuGH-Urteils wird so deutlich kostengünstiger. Eine Marketingkampagne im Wert von einigen tausend Euro bekommt das Unternehmen zusätzlich. Der Deal ist: Man bekommt einen Wettbewerbsvorteil, reduziert bestehende Rechtsrisiken und bekommt noch ein Marketing, das alleine nicht leistbar wäre.

Was gibt es für das Holzbauunternehmen noch für Vorteile?

Es reduziert seine Haftungsrisiken wegen zu hoher Schadstoffgehalte in Gebäuden, dann wirkt sich das gesundheitliche Qualitätsmanagement sehr stark auf die gesamte Qualität der Gebäude aus. Einfach, weil Prozesse früher und intensiver beleuchtet werden. Ein teilnehmendes Unternehmen erhält umfassendes Vertriebs- und Marketingwissen: Wie kann ich welche Argumente einsetzen? Welche Aussagen sollten aus Haftungsgründen vermieden werden? Wie nutze ich die Glaubwürdigkeit wichtiger Institutionen für mein Unternehmen und vieles andere mehr.

Herr Bachmann, ich danke Ihnen für das Gespräch!

Gesunde Gebäude aus Holz –

interessierte Holzbauer gesucht

Am Projekt „Holzbau für gesündere Gebäude“ sind der TÜV Rheinland und das Sentinel Haus Institut beteiligt, außerdem der Hersteller Roto als Hauptinitiator, die Dämmstoffhersteller Rockwool und Gutex, die Nelskamp Dachziegelwerke, SchwörerHolz, der Holzwerkstoffhersteller Elka, Luftdichtungsspezialist Pro Clima und die Farben- und Beschichtungshersteller Biofa und Caparol. Als Vertriebspartner ist der Hagebau Holzfachhandel mit an Bord. Ansprechpartnerin für interessierte Holzbauunternehmen ist Anna Veeser (veeser@sentinel-haus.eu).      www.forschungsprojekt-holzbau.de

Fachkonferenz zu Konsequenzen des EuGH-Urteils

Am 15. November 2017 veranstalten der TÜV Rheinland und das Sentinel Haus Institut in Köln eine eintägige Fachkonferenz mit Experten und Baupraktikern zum aktuellen Stand der Umsetzung des EuGH-Urteils und der Konsequenzen für die Bauwirtschaft. Die Veranstaltung richtet sich an Investoren und Bauherren, Architekten, Bauunternehmen, Sachverständige, die Wohnungswirtschaft und andere Akteure. Das Programm und die Referenten werden auf www.gesündere-gebäude.de veröffentlicht.

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